Die Vermüllung von Berlin
Zum Stand der Zivilisation in der Bundeshauptstadt.
Oder: Müllinsolvenzverschleppung.
Kam in der Presse, kam heute groß im Radio: Berlin hat ein Müllproblem.
Berlin vermüllt. Die Müllabfuhr kommt nicht mehr hinterher, den Müll zu entsorgen, den die Leute einfach fallen lassen. Es geht nicht um den normalen Hausmüll und die Mülltonnen, sondern dass die Parks zu Müllhalden werden, weil die Leute ihren Müll wie leere Pizzakartons und was halt so anfällt, einfach liegen und fallen lassen. Im Radio hieß es, man habe in irgendeinem Bezirk im vergangenen Jahr tausend Tonnen Müll aus den Parks entfernen müssen.
In Zeiten der Pandemie haben die Berliner:innen beträchtlich mehr Müll in den Grünanlagen der Stadt hinterlassen. Die Menge des entsorgten Unrats wuchs in sieben Bezirken, die dazu zahlen meldeten, 2021 im Vorjahresvergleich von 2484 auf 3245 Tonnen. Das geht aus der Antwort der Senatsumweltverwaltung auf eine Anfrage der CDU-Fraktion hervor.
Auch in den Parks, die von der landeseigenen Grün Berlin GmbH verwaltet werden, nahmen Haus- und Sperrmüll deutlich zu. Im Britzer Garten und auf dem Tempelhofer Feld entsorgten die Besucher demnach 2021 308,4 Tonnen Abfall. Im ersten Corona-Jahr 2020 waren es noch 283,5 Tonnen gewesen.
Massiv nahm die Müllmenge im Mauerpark zu. Dort wuchs die Masse an Unrat im vergangenen Jahr um mehr als 70 Prozent von 1435 Kubikmeter auf 2478 Kubikmeter. Der Gleisdreieckpark verzeichnete ebenfalls eine gewaltige Steigerung von 647 auf 930 Kubikmeter Müll in der Grünanlage.
Aber auch die Menge des nicht nur fallen gelassenen, sondern absichtlich irgendwo abgeladenen Mülls nimmt zu:
"Eine echte Sauerei in Berlins Wäldern": Helfen Wildtierkameras gegen Kriminelle, die ihren Müll in die Natur fahren? Spandaus Stadtrat @GregorKempert, Leserinnen und Ordnungsamt packt die Wut in #Gatow und #Hakenfelde ⬇️ https://t.co/DWpqyz6Wc0
— Tagesspiegel Spandau (@Tsp_Spandau) March 3, 2022
Man fragt sich unwillkürlich, ob die Vermüllung irgendwie mit der Klientel gerade der Partei zusammenhängt, die so auf Umweltschutz macht. Apropos: Irgendeine Grüne hatte neulich gefordert, die Müllmengen zu verringern, indem man die Mülltonnen kleiner macht. Das wird sich bestimmt positiv auf die Mengen illegal abgeladenen Mülls auswirken. Ich finde das ja immer so putzig, wenn die Leute ihren Müll im Wald abladen oder im Park fallen lassen und die Presse das dann „entsorgen“ nennt.
Man könnte geradezu von einer Müllinsolvenzverschleppung sprechen, denn inzwischen sei das Problem, dass die Müllmengen die finanziellen und personellen Möglichkeiten der Berliner Stadtreinigung und der Bezirke überschreiten. Man schafft es nicht mehr, den Müll noch wegzuräumen.
Könnte vielleicht damit zusammenhängen, dass man Graffiti, Vandalismus, und eben Müll zu lange „toleriert“ hat.
RBB24: Immer mehr Müll belastet Berliner Parks Aber der Berliner an und für sich mag es eben gerne dreckig, sonst entwickelt er kein Heimat-Gefühl. Deshalb wird auch alles sofort beschmiert. Neulich haben sie hier so ein modernes Klohäusschen aufgestellt, das war schneller beschmiert als ans Wasser angeschlossen. Der typische Berliner erträgt keine Sauberkeit. Wenn ich von hier zur S-Bahn gehe, wate ich mitunter durch den Dreck. Unter Corona wurde es besser, aber kurz davor gab es so eine Phase, in der der Gehweg dick voller Zigarettenstummel lag, weil irgendwelche Leute, die da oft parkten, ihren Autoaschenbecher einfach auf den Gehweg kippten.
Die Berliner Bezirke haben sich angesichts zunehmender Vermüllung von Parks und überquellender Mülleimer mit deutlichen Worten über das unsoziale Verhalten vieler Menschen beklagt. Ursache seien die zu intensive Nutzung der Parks, Rücksichtslosigkeit und die immer weiter verbreiteten Einwegverpackungen von Essen, schrieben die Bezirke in einer Antwort des Senats auf eine CDU-Anfrage [pardok.parlament-berlin.de], über die am Donnerstag die DPA berichtete.
Mehr Müllbehälter lehnten die Berliner Stadtreinigung (BSR) und die meisten Bezirke mit Verweis auf die Kosten ab.
Zu viele Essensverpackungen und Sperrmüll
Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf teilte mit: “Die Ursache der in den letzten Jahren extremen Zunahme der Vermüllung der öffentlichen Grünflächen hat mit der Übernutzung dieser Flächen durch die Nutzer zu tun.” Vielen Besuchern fehle die Sensibilität, die Flächen nach dem Besuch wieder sauber zu hinterlassen.
Von sich verschlechterndem Nutzungsverhalten und steigenden Abfallmengen durch Gewerbemüll sprach der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Die ständige Überfüllung der Abfallbehälter in vielen Parks läge an Einwegverpackungen von mitgebrachtem Essen und Sperrmüll.
Mitte: “Sorgloser Umgang mit der Natur”Auch Mitte kritisierte das Verhalten der Parkbesucher und “den sorglosen Umgang mit der Natur”. Hier kommt es an warmen Wochenenden ebenfalls “zu überfüllten Mülleimern durch Verpackungsmüll wie Pizzakartons”. Viele Menschen würden Pizza oder Salat auf Parkbänken essen. “Die Verpackungen landen in den schnell überfüllten Abfalleimern oder auf dem Boden.”
Der Bezirk Neukölln sah ebenfalls eine “massive Zunahme von Verpackungsmüll”, für dessen Entsorgung es einfach nicht genug Personal gebe. Pankow erklärte: “Die Tatsache, dass die sperrigen und großen Verpackungen der “to-go”-Restaurants nicht in die Mülleimer der Grünanlagen passen, führen dazu, dass diese einfach vor Ort liegen gelassen werden.”
Insofern durchaus eine Folge der Corona-Pandemie und der Gegenmaßnahmen, weil die Leute eben nicht mehr ins Restaurant gehen und dort essen, sondern sich alles am „To-Go-Schalter“ mitnehmen müssen. Ich halte das aber für vorgeschoben, denn wenn ich sehe, was in den Straßen an Müll rumliegt, dann sind das nicht signifikant Essensverpackungen, sondern jedweder Müll. Die Leute – vor allem junge – lassen ihren Müll oft im Gehen einfach fallen. Ich hatte das ja schon vor Jahren beschrieben, dass mir dabei so oft etwas auffällt: Die Leute lassen Zigarettenschachteln nicht einfach fallen, sondern drücken sie fast immer vorher zusammen, als ob man damit die Schachtel entwerte, den persönlichen Bezug dazu aufkündige. Es sind immer zusammengedrückte Schachteln, die rumliegen.
Und Besäufnisse sind auch keine Erfindung der Pandemie.
Die Berliner Zeitung: Neuer BSR-Negativrekord erreicht – Berlin verkommt immer mehr zur Müll-Metropole
Aber: „Nicht die Anzahl der Mülleimer oder der Reinigungssturnus sind das Problem, sondern das Verhalten der Parkbesucher und der sorglose Umgang mit der Natur“, so das Bezirksamt. […]
Ähnliche Töne aus Charlottenburg-Wilmersdorf: „Vielen Besuchern fehlt schlicht die Sensibilität, die Flächen nach einem Besuch wieder sauber zu hinterlassen“, erklärt das Rathaus die Ursache „der in den letzten Jahren extremen Zunahme der Vermüllung der öffentlichen Grünflächen“. […]
Das Schlimme: „Einige Parknutzende nutzen auch leere Abfallbehälter leider nicht, sondern lassen ihren Müll fallen“, so das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf.
Generation „Fridays for Future“, die, die glauben, nur sie könnten die Welt retten.
Wenn man sich dann anschaut, wer sich da so in den Parks rumtreibt, ist dann eh alles klar. „Die in den letzten Jahren extreme Zunahme der Vermüllung der öffentlichen Grünflächen“ – manchmal ist eine Korrelation eben doch eine Kausalität.
Was tun?
Es fehlt an Geld und Personal.
He, möchte man sagen, warum setzt Ihr nicht mal Frauen ein? Bei der Müllabfuhr sieht man doch immer nur Männer. Frauen wollen „teilhaben“, beanspruchen 50% der Jobs und machen obendrein alles 22% billiger bei gleicher Arbeit. Worauf wartet Ihr?
Doch das muss man nicht sagen, denn das machen sie längst. Denn wenn man dem BSR-Twitter-Account folgt, möchte man meinen, dass die Stadtreinigung Frauensache sei:
Unsere #Einsatzkräfte von #Straßenreinigung u. #Müllabfuhr sind auch bei sengender #Sonne u. starker #Hitze für sauberes #Berlin unterwegs. Zwei #BSR–#Straßenreinigerinnen haben @BILD erzählt, wie sie sich vor Sonnenstrahlung schützen: https://t.co/qTs9dRAEVp #Hitzewelle #Wetter pic.twitter.com/Pn91C0kCtK
— Berliner Stadtreinigung (BSR) (@BSR_de) June 19, 2022
Was gibt es Schöneres für eine junge Frau, als einen Job zu ergattern, bei dem man die Sonnencreme gratis bekommt und den Müll im Stadtpark zusammenfegen kann? Ist das nicht die Krönung, die Praxiserprobung eines Soziologiestudiums, oder der Tauglichkeitsnachweis für Kulturwissenschaftlerinnen? Nah dran an Kultur und Sozialem? Mittendrin statt nur dabei?
Ja. Die Berliner Stadtreinigung sieht das genauso und umwirbt junge Frauen, kam vorhin auch wieder im Radio. Man könne da zum Beispiel lernen, ein Müllauto zu fahren. Und dazu machen sie für Frauen jetzt einen „Schnuppertag“:
BSR lädt zum #Müllwerkerinnen-Schnuppertag am 25.6. auf #Betriebshof Forckenbeckstr., um #Frauenanteil unter #Müllwerkenden weiter zu steigern. #Frauen haben von 9-16 h die Möglichkeit, sich über das Berufsbild der #Müllwerkerin zu informieren.
Mehr Infos: https://t.co/5W8QczIiHo pic.twitter.com/HDKvySYqUn— Berliner Stadtreinigung (BSR) (@BSR_de) June 16, 2022
Schnupertag. Oh, das ist toll. So in der Innenstadt bei 35°C am Müll zu schnuppern. Das findet bestimmt viele Interessentinnen, die darauf gewartet haben. Gerade in Berlin, wo wir doch gleich drei geisteswissenschaftlich starke Universitäten haben.
Und digitale Transformation bieten sie auch:
Internationale Führungskräfte der @giz_gmbh zu Gast bei der #BSR, Motto: „Leadership and #DigitalTransformation“. Besonders interessierte die Umsetzung von innovativen Projekten in kommunalen Unternehmen u. unser Beitrag für #Nachhaltigkeit, #Zerowaste in #Berlin #Digitalisierung pic.twitter.com/x6ffc6Mhal
— Berliner Stadtreinigung (BSR) (@BSR_de) May 18, 2022
Apropos Digitalisierung: Wenn das mit den Frauen nicht funktioniert, wollen sie die Parks mit autonom fahrenden Robotern reinigen.
Wenn wir dann noch genug Strom dafür haben.