Die Medienökologien der Luft – Bild- und Geschichtstheorien der Unsichtbarkeiten
Aktuelles aus den Kultur- und Sozialwissenschaften von der Universität Bielefeld.
Die Ankündigung eines Disziplinenübergreifenden Workshops bietet uns eine überzeugene Leistungsschau des Spektrums deutscher akademischer Leistungsfähigkeit.
Luft ist als ein „elementares Medium“ (Durham Peters 2015) in Zeiten von Klimadiskussionen und Fragen nach wissenschaftlicher Evidenz verstärkt in die Aufmerksamkeit von (bild-)historischen und medienwissenschaftlichen Auseinandersetzungen gerückt. Dabei ist Luft gerade jenes Medium, das zwar zum einen ubiquitär vorhanden, zum anderen aber auch immer unsichtbar ist. Dass Mediendiskurse immer mit der Frage nach Sichtbarkeit(en) – und damit im Kern bildhistorischen Diskursen – verbunden sind, spiegelt sich in Medium Luft exemplarisch.
Aus meinem über Jahrzehnte erworbenen Fachwissen der Fotografie und als Blogger kann ich bestätigen, dass die Medien und mithin ihre Diskurse unablässig um die Sichtbarkeiten und in manchen Fällen auch um die Hörbarkeiten kreisen. Obschon die Luft als vermittelndes Medium bei nahezu jeder Fotografie, jeder Videoaufnahme ist und dem Schaffenden seine Existenz, sein Dasein, seine Schaffenskraft überhaupt erst ermöglicht, bleibt sie fast immer unsichtbar, wird marginalisiert, übergangen, delegitimiert, worin sich der diskriminierende Charakter visueller Medienproduktionen manifestiert und unendlich oft reproduziert.
Klima und Klimawandel werden nicht nur durch Medien erst sicht- und vermittelbar, sondern durch diese auch produziert, indem Daten gesammelt, aufgearbeitet und dargestellt werden (Schneider 2018).
Erfreut nehme ich die überfällige Bestätigung meiner Thesen auf, wonach der Klimawandel – wie alles – ein Produkt von Sprechakten, ein Konstrukt sozialer Dynamiken ist, und der Klimawandel nicht etwa durch das – unsichtbare! – CO2, sondern durch den Sprechakt, die Wahrnehmung vermeintlich objektiver, aber durch die soziale Entwicklung der Wissenschaften durch weiße Männer geschaffen wurde, und damit kulturhistorisch die Schaffung von Geschlecht in dramatischer und die Gesamtheit des Seienden bedrohender Weise wiederholt. Die Wirkmächtigkeit der Protagonisten des Klimadiskurses wie Greta haben das Konzept einer Vorstellung einer sich stetig verändernden Wirklichkeit von Klima erschaffen und zum zentralen Gegenstand einer eskalierenden gesellschaftlichen Debatte werden lassen, die unweigerlich zur Überzeugung einer Wahrnehmung der dem Diskurs dicht folgenden Wirklichkeit führte. Damit ist das Verschulden für den als schwere Krise antizipierten und mit multiplen Ängsten befrachteten soziodynamischen Prozess einer zunehmend als bedrohlich empfundenen Klimaveränderung als Loslösung und Entfernung vom gewohnten und daher als sicher vermuteten, doch dabei stets unhinterfragten Urzustand aller unter den den in neuzeitlichen Gesellschaften erlernten Interpretationen von Begrifflichkeiten wie Wetter und Klima in seiner Ausschließlichkeit bei jenen – und in unausweichlicher Konsequenz damit allen – Medien zu verorten, die jenen Diskurs in Wort, ob nun in seiner tradierten Form als Schrift, oder in der medial fortgeschrittenen Weise als Ton, besonders aber in den weit dominanteren medialen Repräsentanzen in Darreichungsformen als Bild oder Video durch Wiederholung verfestigt haben. Denn erst durch die Produktion von Darreichungen von Informationen in bildnisartigen Kategorien konnte die Gesellschaft in Widerspruch zu ihrem tradierten Wissen gesetzt und ein alle Gesellschaftschichten erfassendes Gefühl einer unmittelbar bevorstehenden Bedrohung in einem sich als existenzielle Krise darstellenden Ausmaß synthetisch im Sinne einer medial dargestellten Alarmierung geschaffen und als ein außerhalb jeder Bestreitbarkeit stehender übergesellschaftlicher, und in seiner wissenschaft-kulturell übergreifenden Einmaligkeit überragend gewichtiger Konsens dargestellt, und mit dieser und durch diese Darstellung entgegen seiner ursprünglichen Unsichtbarkeit nicht nur sichtbar, sondern in geradezu prominenter Weise gesellschaflich verankert werden.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Klimawandel kein reales Phänomen ist, sondern dass das Wissen um ihn technisch und visuell generiert und dadurch geformt ist.
So, wie jede Wirklichkeit Ergebnis von Sprechakten und Diskursen ist, was hier nicht wiederholt zu werden braucht, weil bereits Geschlecht hinreichend belegt hat, dass die rein männlich und im Sinne überkommender Männlichkeitsrituale geformten und der Ausgrenzung dienenden Wissenschaftsprozesse Geschlecht erst geformt, es damit aber doch zu einem realen Phänomen gemacht haben, so wurde auch der Klimawandel von männlich geprägten Wissenschaftsprozessen in solcher Intensität produziert, dass er im Ergebnis den Eintritt in die Realität vollziehen konnte. Darin findet die Feststellung ihre Bestätigung, dass der Klimawandel männlich, weil von männlich dominierten Prozessen erschaffen ist. Eine versuchsweise und zum Zweck fortführender Erkenntnis vorgenommen Fortführung einer weiblichen Gesellschaft wie sie vor dem Aufkommen männlich dominierter Wissenschaftsformen bestand, führt eindeutig zu einer Gesellschaft, in der eine Behauptung und Darstellung einer Klimaerwärmung, die mit der Strategie erhoben und produziert werden, Zahlen als Messwerte zu benennen und als Wahrnehmungen auszugeben, unter keinen Umständen möglich gewesen wäre.
Klimaerwärmung kann daher auch als das finale Obsiegen rein männlicher und nur oberflächlich als Wissenschaft getarnter Machtdiskurse über eine in ihrer Kritikfähigkeit historisch unterlegene Weiblichkeit verstanden werden.
Medien leisten dabei grundsätzlich eine Übersetzungsarbeit. So dienen z.B. Tabellen, Grafiken und Bilder, aber auch Apparate wie Mikroskope und Sensoren zum einen der Messung und zum anderen der Sichtbarmachung von Phänomenen wie z.B. Feinstaub – der selbst wiederum die Luft als dessen Trägerin sichtbar macht. Luftverschmutzung kann zunächst unsichtbar sein und muss oft selbst erst durch Sensortechniken und im weitesten Sinne durch eine Datafizierung sichtbargemacht werden (z.B. Under the Dome, R: Chai Jing, China 2015).
Diese Zusammenarbeit der Medien unter Ausnutzung ihrer Mittel der suggestiven Bildsprachen mit den als ausgrenzend und machtorientiert erkannten männlichen, gegenüber der Gesellschaft als Wissenschaft ausgegebenen Machtprozesse in einer nie zuvor dagewesen semantischen Einigkeit entlarvt die Gesamtheit der Medien in ihren vorherrschenden Existenzformen als Mittel des Machterhalts weißer Männlichkeitsgesellschaften und stellt sie vor einer kritischen Öffentlichkeit als Knecht und Erfüllungsgehilfe kapitalistisch orientierter Machterhaltsstrukturen bloß.
Die Medien laden dabei Schuld auf sich, indem sie eben jene Übersetzungsarbeit verrichten, ohne die der als unverständlich konstruierte Wissenschaftsdiskurs überhaupt erst nach Schaffung der Voraussetzung der Verständlichkeit gegenüber in anderer Weise sozialisierten Bevölkerungsschichten seine Wirkmacht gegenüber der Gesellschaft entfalten kann. Bis in die Unabtragbarkeit erschwert wird die Schuld der Medien durch den hinzukommenden Schuldvorwurf der Datafizierung.
Ferner lässt sich mit der Luft Anschluss an einen weiteren aktuellen Diskurs nehmen, der in verschiedenen Ausprägungen vom Umweltlichwerden der Medien (u.a. Hörl/Burton 2017), einem „mediocene“ (Engell/Siegert 2018) oder von „medianatures“ (Parikka 2012) spricht. Die Idee, dass Medien Umwelten bilden, wird hier umgekehrt: Umwelten selbst können Medien darstellen (Durham Peters 2015). Angestoßen von der Auseinandersetzung mit dem Anthropozän liegt somit die unhintergehbare Verwobenheit vermeintlicher „Natur“ und Technik auf der Hand.
Der These des Anschlusses an den darsgestellten Diskurs ist vorbehaltlos zuzustimmen, nicht jedoch der Zuschreibung, es handele sich hierbei um einen aktuellen Diskurs, denn die Identität von Natur und Medien wurde bereits in der Antike zunutze gemacht, als von der Natur bereitgestellte Felsen zum Medium steingemeißelter Schrift genutzt wurden. Auch die Nutzung von Holz zur kulturhistorisch wichtigen Herstellung von Papier bis in die Gegenwart belegt die Identität von Natur und Medien.
Insbesondere die Luft kann hierbei einen Ansatzpunkt bieten: Ist sie doch spätestens seit dem sogenannten Anthropozän längst nicht mehr eine „reine“ Natur. Während die „Arbeit der Reinigung“ der Moderne(n) von Bruno Latour kritisiert wird, so scheint diese jedoch im Bereich der Naturmedien dringend geboten. Die „Arbeit der Hybridisierung“, die innerhalb der Kunst/Geschichte auch unter Verflechtungsgeschichte oder Entangled History betrieben wird, sieht sich im Kontext der Naturmedien wie Wasser und Luft mit einem Reinheitsdiskurs konfrontiert, mit dem sie sich schwerlich vereinbaren lässt. Die Luft und der Luftraum sind zum einen technisch(-militärisch) durchdrungen (z.B. durch WLAN, Radiowellen, Sensortechniken, Drohnen) und zum anderen durch Smog, Feinstaub und Radioaktivität zu einem „verunreinigten“ Medium geworden. Daran schließt die Frage an, auf welche Weise die Luft und ihre Verschmutzung politischen und historischen Wandlungen unterliegen (Mirzoeff 2014).
Erst die Neuzeit und die durch Eingehen unaufkündbarer Vereinbarungen in ihrer Kollaboration mit männlichen Strukturen gefangenen Medien ermöglichten es, Luft gleichzeitig als von der Druchdringung mit Drohnen, Raketen, WLAN und Radioaktivität verschmutzt wahrzunehmen, und daraus einen von der Natur nicht mehr zu erfüllenden Reinheitsanspruch abzuleiten, der in seiner Erwartungshaltung zwingend unerfüllt bleiben muss.
Als dasjenige Element, das medientheoretische Annahmen exemplifiziert, die von einer Ubiquität bei gleichzeitiger Unsichtbarkeit ausgehen, soll die Luft den Ausgangspunkt für einen Workshop darstellen, der sich den Fragen der visuellen und historischen Fixierung eines genuin ephemeren Gegenstandes widmet. Im Workshop sollen die lebensspendenden und produktiven Eigenschaften der Luft, als Trägerin von Sauerstoff, Samen, aber auch des Schalls ebenso behandelt werden, wie diejenigen Phänomene, in denen Luft als destruktives Trägermedium von potentiellen Gefahren oder gar Katastrophen auftritt, sei es in Form von Stürmen, Smog, Tränengas (Feigenbaum 2017) oder im Rahmen der COVID-19-Pandemie als Ort viraler Ansteckung.
…und auf diese Weise die visuelle und historische Fixierung auf Luft als Gegenstand wirksam auflösen und im Sinne eines Klassenkampfs ein für alle Mal beseitigen zu können. Doch kann die Kritik an Luft nicht legitimiert sein, ohne auch ihre die Klimakrise bestimmende Eigenschaft der Temperatur nicht nur zu berücksichtigen, sondern zum Mittelpunkt einer analysierenden und im Wert verwerfenden, gleichwohl nur bedingt verwerflichen Kritik zu machen, um mit dem Ziel eines wenigstens teilweisen gruppenbezeogenen Konsenes gerade jene Eigenschaft von Luft, die uns nach Darstellung von Medien als Temperatur dargestellt den Untergang verheißen soll, erheblich zu steigern und damit zum Medium von Erkenntnis zu machen.
Der Workshop soll die Diskussion um die Geschichtlichkeit der Medien einerseits und die Medialität der Geschichte andererseits verbinden. Dabei sollen bildwissenschaftliche Fragen nach Un/Sichtbarkeiten um die historischen Fragen danach, welchen zeitlichen und epistemischen Konjunkturen sie unterliegen, erweitert werden.
Ja.
Wie können genuin ephemere und unsichtbare Phänomene historisiert und visualisiert werden?
Hier nun zeigt sich die Unausgegorenheit des auf Zirkelschlüssen beruhenden Diskussionsansatzes, der zur gesellschaftlichen Kritik führen soll, seine Aufgaben aber nicht erfüllen konnte. Denn die Visualisierung der bis dahin unsichtbaren und unter dem Begriff der „Luft“ subsumierten Gesamtheit von Phänomenen wurde ja gerade von den dafür gescholtenen Medien durch den Diskurs der Temperatur und Klimaerwärmung erfolgreich begangen.
Welche Medien und Akteure sind an diesen Prozessen beteiligt? Welche Brüche ergeben sich durch Medienwechsel?
Da wäre ich dann auf das Ergebnis gespannt.
Wenn die Sichtbarkeit des Mediums nicht gegeben ist, muss gefragt werden, wie Luft sonst erfahrbar gemacht wird und welche anderen Sinne an diesen Erfahrungen beteiligt sind.
Die Erfahrbarkeit der Luft ist entgegen der häufig geäußerten Erwartungshaltung keineswegs auf visuelle Aspekte beschränkt. Luft ist allen Sinnesorgen gegenüber zugänglich. Man kann stinken, man kann heiße Luft produzieren, oder man kann sich bei Strum rausstellen und umwehen lassen.
Für die Beiträge ist eine Länge von 20 Minuten vorgesehen. Im Anschluss ist je eine 40-minütige Diskussion geplant. Wir bitten bis zum 30.8. um Abstracts mit einer Länge von max. 350 Wörtern und einer kurzen biografischen Notiz an eva-maria.gillich@uni-bielefeld.de und maja-lisa.mueller@uni-bielefeld.de.
Jeder präsentiert 20 Minuten heiße Luft und dann diskutieren sie 40 Minuten darüber. Und der Steuerzahler zahlt es.
Eva-Maria Gillich ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Historischen Bildwissenschaft und Kunstgeschichte der Universität Bielelfeld und promoviert im Sonderforschungsbereich »Praktiken des Vergleichens« (SFB 1288) im Teilprojekt »Mediale Dispositive des Vergleichens. Das operative Bild nach Harun Farocki«. Zuvor war sie Projektleiterin des Neuen Berliner Kunstvereins (n.b.k.) sowie Projektleiterin der Harun-Farocki-Retrospektive (Berlin, 2017). Eva-Maria Gillich studierte an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, der Università degli Studi di Firenze und der Freien Universität Berlin.
Doktorandin im Teilprojekt „Einbetten, Aufklappen Anhängen. Mimesis des Hybridobjekts“
Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Bielefeld
Arbeitsbereich Historische Bildwissenschaft/Kunstgeschichte