Ansichten eines Informatikers

Die Pilotenuniform an den Nagel hängen

Hadmut
18.7.2022 13:25

Ein Pilot schreibt mir.

Erstaunlich, wieviele Zuschriften ich zu dem Thema bekomme – und alle zustimmend. Die Leute erzählen mir, dass auch ihre Bekannten – im Verein oder beim Gassi-Gehen – das eigentlich alle genauso sehen. Immer mehr – übrigens auch jüngere und junge Leser – haben keine Lust mehr, in diesem Land noch zu arbeiten. Alle fühlen sich nur noch gegängelt und ausgeplündert, sehen die Masse an Leute, die selbst nicht produktiv arbeitet, sondern nur von anderen durchgefüttert wird. Dazu die immer absurderen Arbeitsbedingungen.

Ein Pilot schreibt mir:

Jahrgang [anonymisiert] danach Flugschule (LH) 2 Jahre ein weiteres halbes Jahr Linienausbildung und seit […] Jahren Pilot, seit […] Jahren Kapitän. Das war immer mein Traumberuf und ich habe es keinen Tag bereut, nichtmal in diesen opperationell beschissenen CoronaIrrsinnszeiten. [persönliche Angaben zu Kontakten weggelassen]……. Ich weiss also einigermassen gut was ausserhalb meines eigenen Dunstkreises sonst noch abgeht.

Bei LH gehen Ende Juli – Ende November 2022 insgesamt 385 Kapitäne ( von etwa 2000 Kapitänen geschätzt, bei etwa 5000 Gesamtpiloten) im Rahmen eines sogenannten “Freiwilligenprogramms” in die Übergangsversorgung, das ist ein anderes Wort für Vorruhestand.

Das sind die teuersten und höchstqualifizierten Mitarbeiter bei LH im Cockpit. Also die teuersten Investitionen ( Schulungen, Trainings, Erfahrungen, universelle Einsetzbarkeit, selbstständig, führungsverantwortlich etc.) der Firma, was das Personal betrifft. Und bis mal jemand als Kapitän eingesetzt wird vergehen in der Regel zwischen 10 und 15 Jahren Erfahrungsaufbau.

Gedacht war das “Ausstiegsprogramm” für min. 100 – max. 250 der Kollegen ab 55 Jahren. Gerechnet hatte man intern die 100 Abgänger nicht zu erreichen.

Die Firmenführung wurde von 385 Anträgen auf vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses schwer überrascht.

Das Programm wurde letzten Herbst gestartet, bereits da war schon ein Personalmangel absehbar. Jetzt ist es so akut, das jeder Kollege nochmal persönlich angerufen wird, ob er nicht doch verlängern könnte. Die allermeisten sagen ab und das sagt schon alles zum Thema : wie schätze ich die Zukunftsaussichten ein.

Zum gesellschaftlichen Aspekt:
Alles Leute ,zumeist die bekannten “alten, weissen Männer und Frauen der “Boomer” -was für ein Scheiẞwort!- Generation”, die Steuern zwischen 50-80tsd. Euro pro Jahr zahlen. Die Meisten, so wie ich, hätten das auch noch weitere […] Jahre tun können. Alles Leute, die Ihren Beruf lieben und trotz Anstrengungen und Schwierigkeiten nie sagen würden, dass Sie arbeiten müssen sondern es wirklich gern machen -gemacht haben-.

In meinem (Piloten)Freundeskreis ist die gesamtpolitische Beurteilung und die Erwartung was hier für ein Tsunami im Anmarsch ist sehr ähnlich zu Deiner Beurteilung der Lage aus Berlin. Einer ist schon nach […] ausgewandert, einen anderen zieht’s nach […] usw.

Wir haben alle keine Lust mehr auf diesen täglichen Berliner Schwachsinn auf ALLEN relevanten Politik Ebenen, vor allem wollen wir für diesen sozialistischen Gesellschaftsumbau nicht auch noch unsere Arbeitskraft verschwenden.

Ich bin zwar sicher, dass Du genug Beispiele hast, aber ich möchte noch eine tröstlichen Aspekt hinzufügen :

Ich kann nicht verhindern -außer durch Auswanderung- in diesem zunehmend verkommenen Land Steuern zu zahlen…..(es werden jetzt aber deutlich weniger)
ABER ich kann verhindern, für die Schwachköpfe in unserem Politzirkus arbeiten zu gehen. Das lässt mich den täglichen Irrsinn dann sicher etwas besser ertragen.

Mein persönliches Rezept :
Ein gut mit mindestens vier verschiedenen Sorten Bier gefüllter Kühlschrank, immer mindesten eine Ersatzgasflasche für den Grill in der Garage, ein einsatzbereites Notstromaggregat und die Fahrzeuge nicht mehr weiter als halbleer fahren sowie fluchtbereit einparken

Das wird hier noch sehr (un)lustig werden, wie Du ja auch schon festgestellt hast.

Ja. Klappt wohl nicht so mit der Prosperisierung aller Unternehmen durch Gender, Woke und so weiter.

Aber es ist frappierend, wenn man sich – wie ich – eher für einen Außenseiter mit Spezialeinzelmeinung hält, einen Aussätzigen, Einzelgänger und einsamen Wolf, und dann (wieder einmal) so viele Zuschriften bekommt, in denen immer steht „Meine Freunde und ich sehen das genau so wie Du und wir haben auch keine Lust mehr“.

Es könnte das sein, was ich vorhin schon zitiert hatte: Boomer verstehen sich blind untereinander. Das ist ein Aspekt, der sich durch mein ganzes Arbeitsleben zog. dass das mit Leuten meiner Generation einfach „passt“, dass ich mit den Leuten sofort zusammenarbeiten könnte, weil wir irgendwie gleich ticken. Und da kaum Abstimmungsprozesse oder Meinungskriege stattfänden, sondern eine gewisse Kompatibilität besteht. Wir waren hochgradig kooperations- und synergiefähig.

Kompatibilitätsprobleme zu Jüngeren hatte ich mehr oder weniger immer, was an sich aber erst einmal nicht unerwartet und schlecht ist, denn natürlich sollen sich die Generation auch ändern und modernisieren, und gerade als Security-Heini hatte das manchmal auch seinen Vorteil und stärkt die Autorität, wenn man „Der Alte“ ist, und von Vorgängen berichten kann, zu deren Zeiten die Zuhörer noch im Kindergarten oder nicht einmal geboren waren.

Wenn ich dann aber, wie der Leser, den ich im letzten Post zitiert hatte, feststelle, dass man den Leuten 30 Minuten etwas erzählen kann, ohne dass sie nachfragen, und man dann merkt, dass sie eigentlich gar nichts verstanden haben, es sie aber überhaupt nicht stört, sie nicht rückfragen, sie nicht einmal selbst merken, dass sie es nicht verstanden haben, dann ist etwas nicht in Ordnung. Ich hatte ja schon erzählt, dass ich über Jahre Schulungen gehalten habe, immer dieselbe für neue Mitarbeiter, und als Kontrolle eine Folie drin hatte, auf der etwas stand, was technisch so nicht möglich ist, um zu sehen, ob irgendwer widerspricht und sagt, das könne doch nicht stimmen. Testen, ob die Leute überhaupt zuhören und mitdenken. Die letzten Jahre kam da nicht nur kein Widerspruch mehr, sondern die Leute haben es auch immer weniger verstanden, wenn ich dann selbst gesagt habe „Eigentlich hättet Ihr hier widersprechen müssen, weil das technisch nicht geht. Warum nicht?“ oder es sogar erklärt habe. Ein Trauerspiel.

Besonders negativ ist mir aber aufgefallen, dass diese „Jahrgangskompatibilität“, wie ich sie mal nennen will, auch innerhalb dieser Generation nicht mehr besteht. Die können auch untereinander nicht miteinander. Die wollen es nicht einmal. Und das hatte ja einer der zitierten Leser auch schon bemerkt.

Wir sind im Sozialismus angekommen. Was aber nur die merken, die a) ohne Sozialismus oder b) im anderen Sozialismus aufgewachsen sind. Die einen merken „Oh, das war früher aber ganz anders“. Und die anderen merken „Verdammt, das hatten wir früher schon einmal“. Aber die, die kein „früher“ hatten, die merken nichts.

Und so sitzen wir nun da, die einen mit einem gekühlten Bier, die anderen mit Kartoffelchips, manche auch mit beidem, und schauen zu, wie sich dieses Land zerstört, so wie bisher noch jeder Sozialismus eingestürzt ist.

Irgendwie ist mir gerade so danach, mich mit allen Boomern irgendwo auf der Insel am Strand zu treffen, kurze Hosen, schönes Meer, was zu grillen, und nur noch ab und zu auf dem Handy noch ein paar Nachrichten aus Deutschland zu lesen. Und dann ein bisschen auf der Luftmatratze im Wasser zu treiben.