Das Paris-Geschütz
Ein Leser schreibt mir, dass wir militärisch mal besser waren.
Wusstet Ihr, dass wir vor über 100 Jahren noch so richtig erstaunliche Kanonen bauen konnten? Das „Paris-Geschütz“:
Unter dem Namen Paris-Geschütz wurde im Ersten Weltkrieg ein deutsches Fernkampfgeschütz der Firma Krupp vom Kaliber 21 cm bekannt. Es hatte eine außergewöhnliche Reichweite von etwa 130 Kilometern. […]
Das Geschütz, das bis zu einem Winkel von 55º Höhe schießen konnte, hatte eine Rohrlänge von 37 Metern, d. h. von 176 Kalibern (L/176). […]
Es verschoss Sprenggranaten von 106 Kilogramm Masse (Sprengladung etwa 7 kg) mit einer ballistischen Haube und einer Mündungsgeschwindigkeit v 0 {\displaystyle v_{0}} v_{0} von bis zu 1645 Metern pro Sekunde. […]
Die Reichweite von circa 130 km beruhte auf einer ballistischen Besonderheit. Mit einem hohen Abgangswinkel von bis zu 55°, einer sehr starken Treibladung und dem überlangen Rohr konnte die Gipfelhöhe in den oberen Teil der Stratosphäre in etwa 38 bis 40 km Höhe gelegt werden. Dadurch flog das Geschoss lange durch sehr dünne Luftschichten, so dass die Flugbahn weitgehend der eines Schusses im luftleeren Raum glich. Alle anderen im Ersten Weltkrieg verwendeten Ferngeschütze erzielten eine Reichweite von „nur“ etwa 40 km. […]
Die Geschosse erreichten eine Flughöhe von etwa 40 km und eine Flugzeit von drei Minuten. Die mehrteilige Treibladung, bestehend aus einer Hülsenkartusche aus Messing mit Treibladung und zwei Teilladungen in seidenen Treibladungsbeuteln als sog. Vorkartusche, wog bis zu 196 kg. Um eine gleichmäßige Leistung zu erreichen, wurden die hochbrisanten Treibladungen aus Rohrpulver C/12 bei konstant 15 °C temperiert nahe der Geschützstellung gelagert. Während der etwa durchschnittlich 20 Minuten zwischen den Schüssen mussten der jeweils vergrößerte Ladungsraum ausgemessen, die Gasdruck-Messungen ausgewertet und zahlreiche Berechnungen ausgeführt werden. Neben den üblichen Einflüssen beim Artillerieschießen waren weitere bedeutende, bisher unbekannte Faktoren zu berücksichtigen. Die Schussweite von etwa 130 km, gemessen auf dem Umfangskreis der Erdkugel, verkürzte sich als Sehne betrachtet um etwa 800 Meter. Aufgrund der überlangen Geschossflugzeit war sogar die Drehung der Erdkugel während dieser Zeit bei den Schusswerten zu berechnen, sodass der Beschuss eigentlich ein Schießen mit Vorhalt auf ein sich bewegendes Ziel war.
Man könnte damit fast von Berlin aus bis in die Ostsee schießen.
Das Ding hat so hoch geschossen und das Geschoss ist so lang geflogen, dass man Paris wegen der Erddrehung als bewegliches Ziel auffassen musste.
Die Technik ist der Hammer:
Durch die enorme Abschussenergie der Treibladung mit einer Temperatur von 2.000 °C und einem Gasdruck bis zu 4.800 bar wurde das Geschützrohr beim Schießen regelrecht ausgezehrt. Bei jedem Schuss vergrößerte sich das Kaliber etwas, was mittels nummerierter Granaten mit entsprechend steigendem Durchmesser und einer ständigen Steigerung der Treibladung ausgeglichen werden musste. Beim Abschuss verbrannte der größte Teil der Messingkartusche. Auch die ersten Kupferführungsbänder zur Aufnahme des Dralls hielten der Temperatur und dem Druck nicht stand. Es mussten deshalb zusätzlich Drallnuten in die Stahlhülle der Granaten eingeschnitten werden, mit dem Ergebnis, dass auch davon die Geschützrohre vorzeitig verschlissen wurden. Die Granaten waren beim Laden mit den Nuten regelrecht in die Züge und Felder des Rohres „einzuschrauben“. Die Nutzungsdauer eines Rohres aus der 1. Stellung lag bei nur etwa 65 Schuss.
Das war noch etwas, was so schnell keiner nachmachte:
Die zwei verbliebenen Geschütze wurden mit ihren Ersatzrohren von der Front zurückgezogen und verschrottet. Auch die Konstruktionspläne wurden von den Deutschen versteckt oder vernichtet. So ließ sich nach der Kapitulation trotz Suche bei Krupp für die Alliierten nicht mehr nachvollziehen, wie eine derartige Haubitze hätte gebaut werden können.
Heute bauen wir Panzer mit Sitzplätzen für Schwangere.