Alltagsterror
Ein Student schreibt mir zum Studienartikel von vorhin über das Studieren in Ruhe:
Hallo Hadmut,
die im Artikel „Von der einstmaligen Seligkeit des Studierens in der Ereignislosigkeit” beschriebene Intelligenzdämpfung habe ich als Informatikstudent auch erleben dürfen:
Die ersten beiden Semester im Lockdown habe ich meine Leistung im Studium noch verbessern können, da ohne den Campus das Sozialleben komplett wegfiel und ich meine ganze Aufmerksamkeit auf die Vorlesungen richten konnte. In den Hörsaal bin ich sowieso nur zum mitschreiben gegangen (zumindest in den Mathe- und einigen Physikvorlesungen), das fiel dann auch weg.
Dies änderte sich dann im letzten Sommer, als bei uns G für Klausuren eingeführt wurde. Vorher habe ich mich nie testen lassen müssen und als Stubenhocker halte ich vom „regelmäßigen Auffrischungspieckser” auch nichts. Während ich vorher nie nennenswert mit der Außenwelt zu tun hatte, brach diese nun in meinen Alltag ein.
Seitdem konnte ich im Studien keine großen Erfolge mehr erzielen, auch weil mein Kopf überladen ist: Früher konnte ich beispielsweise noch über Problemstellungen grübeln, beim Kochen oder Duschen kamen dann plötzlich die Geistesblitze und andere fruchtbare Gedanken. Inzwischen nimmt der „Alltagsterror” diesen Platz ein und die Gedanken kreisen sich um Vorräte für den Winter, während draußen die Sonne brütet. Aber auch gezielt über mathematische Fragestellungen nachzudenken ist nahzu unmöglich geworden, da sich der Faden im Kopf zu schnell verliert.
Viele Grüße von einem Ereignisgeplagten.
Ja, die Geistesblitze beim Duschen kenne ich auch gut.
Aber ich habe das noch gut in Erinnerung, dass ich mich die ersten etwa sieben bis acht Semester im Studium, vor allem in den ersten vier Semstern für das Vordiplom, wirklich um nichts anderes als mein Studium und die Informatik gekümmert und überhaupt keine Ablenkung davon hatte. Keinerlei Ablenkung, nur pure Informatik.
Das war die Zeit, in der ich mich dabei ertappte, dass ich vor dem Kühlschrank stehe, etwas zum Essen herausnehmen will, und überlege, wie ich das Öffnen der Tür und herausnehmen der Flasche aus dem Kühlschrank algorithmisch darstellen und als Maschinenprogramm in Assembler schreiben kann. Man sich das Hirn wirklich hydraulisch in das Fach reinpresst.
Nachtrag: Einer der Gründe, warum nichts mehr dabei rumkommt, wenn man an einer gegenderten Uni studiert.