Atemtechnik: Die Frau, ihr Mut und ihr Urlaub
Von Krisensituationen. [Update]
Ein Leser schickt mir ein Foto eines Zeitungsartikels, sagt leider nicht, aus welcher Zeitung das stammt, nennt sie nur „eine Regionalzeitung“.
Artikel: „Sie hat es gewagt: Als Frau alleine im Urlaub“
Update: Auch online, aber unter anderen Titel.
Eine 59-Jährige namens Ulrike Schalow berichtet, dass sie sich von ihrem Partner getrennt und dann allen ihren Mut zusammengenommen und zum ersten Mal in ihrem Leben alleine in Urlaub gefahren ist.
Und wie schön das dann gewesen sei, sich im Hotelzimmer ausbreiten zu können, auf niemanden Rücksicht nehmen, niemandem hinterherräumen zu müssen.
Am Strand sei sie spazieren gewesen, jeden Tag. Zur Massage sei sie jeden zweiten gegangen. Das sei alles so positiv, so angenehm gewesen. Nur an einem Tag habe sie sich mal kurz „alleine“ gefühlt.
Sie sei der einzige Single im ganzen Hotel gewesen – und habe von Frauen „böse“ und von Männern „begehrliche“ Blicke bekommen. Das habe sie aber ausgehalten, weil sie sich mit einer bestimmten Atemtechnik habe beruhigen können. Und sie habe sich „gerade gemacht“, um „Präsenz ausstrahlen“ zu können.
Das hat mir geholfen, mich auch in solchen Situationen nicht als Objekt oder Opfer zu fühlen.
Was sind Frauen doch für seltsame Wesen.
Ich bin mein ganzes Erwachsenenleben weit überwiegend, fast nur allein in Urlaub gefahren. Und hatte in den allermeisten Fällen mein Zimmer für mich alleine. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass man dafür Mut braucht. Geld braucht man, weil es teuerer ist, weil man pro Zimmer und nicht pro Kopf zahlt. Aber ich brauche normalerweise auch das ganze Hotelzimmer, um mich auszubreiten, und habe die Angewohnheit, zumindest dann, wenn das Zimmer keinen ordentlichen Schrank hat, meine Klamottenvorräte (die sauberen) auf dem unbenutzten Bett übersichtlich einzustapeln, damit ich damit haushalten kann und schneller finde, was ich suche, und die nicht zusammengequetscht im Koffer müffeln, sondern luftig und frei liegen, eventuelle Restfeuchte vom Waschen usw. verdunsten kann.
Ich ich bin in meinem ganzen Leben noch nie auf die Idee gekommen, mich als Objekt oder irgendjemandes Opfer zu fühlen, weil mich irgendwer blöd anguckt. Das Maximum meiner Regung ist da für gewöhnlich, noch blöder zurückzugucken. Auf die Idee, für so eine Situation spezielle Atemübungen zu brauchen, um sie zu überstehen, wäre ich nicht gekommen.
Wenn ich sowas lese, frage ich mich, wie sehr man sich doch den eigenen Urlaub zum Problem machen kann. Man fragt sich immer, was manche Paare für Krisensituationen im Urlaub anrichten (ich hatte mal ein verheiratetes Paar als Nachbarn, beide Freiberufler, die aus diesem Grund und der Unmöglichkeit, gemeinsame Termine zu finden, grundsätzlich getrennt in Urlaub gefahren sind), aber Frauen schaffen das wohl auch ohne Mann, sich selbst eine Krise zu machen, und sind dann ganz positiv überrascht, wenn sie mal ein paar Tage ohne Selbstkrise hinbekommen.
Auch das könnte wieder mit den Sozialfunktionen im Gehirn zu tun haben und damit, dass Männchen eher auf den Einzelgängermodus vorbereitet sind als Frauen. Wenn man den Bericht so liest, und diesen Hintergrund hat, sich mit den Hirnfunktionen auseinandergesetzt zu haben, liest sich das, als seien da Frauen auf „Rudelentzug“ oder „im fremden Rudel“, und deshalb schon unter Sozialstress, unter Entzugserscheinungen.
Wenn man schon seinen Mut zusammennehmen muss, um mal zwei Wochen in irgendein Pauschalmassentourismushotel alleine zu fahren…
Allein schon diese Feststellung, als einzige im ganzen Hotel „Single“ gewesen zu sein. Ich käme gar nicht auf die Idee, mir um sowas Gedanken zu machen und auf sowas bewusst zu achten. Naja, vielleicht am Frühstückstisch, aber das geht bei mir nicht, weil ich Langschläfer (und Blogger) bin und deshalb immer erst kurz vor Ende beim Frühstück sitze. Eigentlich ist mir das in der Regel und Erfahrung sowas von „scheißegal“, wer da noch logiert. Weil ich die nicht zu meinem Rudel mache und mich nicht im Rudel der Hotelgäste sozial positioniere. Zumal ich auch nur sehr selten oder fast nie in solchen Massentourismushotels bin.
Und nein, entgegen der Dame im Artikel mache ich mich auch nicht schön, um zum Abendessen zu gehen. Ich wasche mich (bei Bedarf, aber bei meiner Art von Urlaub besteht in der Regel Bedarf) und ziehe irgendwas sauberes an, das muss reichen.
In der Konsequenz muss man sagen, dass Frauen unter Urlaub etwas völlig anders verstehen als Männer. Zumindest die meiner Sorte. Und genau das sagte auch das Nachbarehepaar, das getrennt Urlaub macht. Dass sie da völlig unterschiedliche Urlaube machen, die nicht zusammenpassen würden.