Ansichten eines Informatikers

Digitalisierung – Wie doof sind die eigentlich?

Hadmut
6.8.2022 17:49

Von seltsamen Konstruktionen und digitalen Führerscheinen.

Der Standard.de (war das nicht eigentlich eine österreichische Seite) behauptet, und der SPIEGEL auch, dass man den neuen „digitalen Führerschein“ in Deutschland ganz einfach fälschen könne.

Es gäbe da nämlich eine Verimi-App, die dafür zuständig sei, diese digitalen Identitätlichkeiten zu verwalten, und einem die Möglichkeit zu eröffnen, Führerschein, e-Perso und sowas auf dem Handy mit sich herumzutragen, und um die digitale Version zu bekommen, müsse man nur seine echten Dokumente und seine Visage in die Kamera halten, und eine KI würde das dann erkennen und die digitalen Versionen ausstellen.

Nur, dass die Software dabei wohl nicht überprüft, ob es diese Ausweis- oder Führerscheindokumente wirklich gibt. Ein Sicherheitsforscher namens Martin Tschirsich nämlich nehme für sich in Anspruch, das Ding ausgestrickst und sich falsche Dokumente ausstellen lassen, sogar eine Schweizer Staatsbürgerschaft erlangt zu haben, indem er Ausweise abfotografierte, per Photoshop Namen und Geburtsdatum veränderte, das mit dem Fotodrucker wieder ausdruckte – und das wurde von der KI als Dokument anerkannt und in digital ausgestellt. Offenbar gibt es keinerlei Prüfung, ob solche Dokumente überhaupt je ausgestellt wurden.

Was allerdings die Frage aufwirft: Wer oder was ist denn die „Verimi-App“?

Spielt das überhaupt eine Rolle, wenn man die austricksen kann, oder ist die für tatsächliche Anwendungen irrelevant?

Google Play sagt dazu nicht mehr, als dass die von einer gewissen Firma Verimi stammt. Ach.

Und auch deren Webseite verrät nicht viel darüber, wieso die eigentlich dazu berufen sein sollten, Ausweise auszustellen. Erst wenn man im „Über uns“ guckt, steht da

Wir entwickeln Lösungen für das digitale Identitätsmanagement der Zukunft. Wir sind ein Joint-Venture. Unsere Gesellschafter sind, u.a. Allianz, Axel Springer, Bundesdruckerei, Daimler, Deutsche Bahn, Deutsche Bank, Deutsche Telekom, Giesecke & Devrient, Lufthansa, Samsung und Volkswagen.

Beeindruckend. Nur dass eben kein einziger von denen dazu berufen ist, Personalausweise oder Führerscheine auszustellen. Das würde ich dann eher für Amtsanmaßung halten.

Wir bieten Verimi-Nutzern eine digitalisierte Welt ohne analoge Hürden, in der sie ihre Daten einmal bei Verimi hinterlegen und dann immer wieder einsetzen können, um sich mit nur einem Klick online einzuloggen und auszuweisen. Wir wollen, dass sich Nutzer in Zukunft auch online einfach vom Bürgeramt zur Bank bewegen können –mit ihrem digitalen ID-Wallet und ganz ohne Stress. Der Nutzer steht für uns dabei im Fokus: Bei Verimi bewahrt er seine Daten sicher auf wie in einem Datentresor. Daher entscheidet auch nur er, wann er Daten mit Unternehmen teilt.

Mmmmh.

Ich glaube momentan nicht, dass das rechtlich überhaupt geht.

Außerdem schreiben sie im Impressum

Die Verimi GmbH ist ein von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beaufsichtigtes Zahlungsinstitut mit einer Erlaubnis nach dem deutschen Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG).
Zuständige Aufsichtsbehörde

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
Graurheindorfer Straße 108
53117 Bonn

Ach. Ein Zahlungsinstitut, das Führerscheine ausstellt.

Mich irritiert da aber noch etwas ganz anderes, nämlich deren Adresse:

Verimi GmbH, Oranienstraße 91, 10969 Berlin

Moment mal. Das ist doch gleich bei mir hier um die Ecke. Die Adresse kommt mir doch irgendwie so vor, als würde ich da in der Gegend was kennen.

Stimmt. Das ist die Bundesdruckerei. Deren offizielle Adresse ist zwar die Kommandantenstraße 18, ein paar Meter weiter, aber die sind etwas größer, die haben da einen ganzen Straßenzug. Und in der Oranienstraße 91 steht deren Bürogebäude. Siehe auch Google Street View.

Und über die Bundesdruckerei hatte ich ja neulich schon was geschrieben. Spoiler: Nichts Gutes. So eine Jugend-orientierte Politsuppe, deren 100%-Gesellschafter der Bund ist, also quasi die Auslagerung von allem, was schief gehen kann, in das Privatrecht.

Dazu findet man dann in der Wikipedia, wenn man etwas namenstolerant ist, folgenden Absatz:

Im Mai 2014 unterzeichnen die Bundesdruckerei GmbH und Giesecke & Devrient (G&D) einen Vertrag zur Gründung eines gemeinsamen Joint Ventures. An dem neuen Gemeinschaftsunternehmen mit dem Namen Veridos GmbH übernimmt G&D 60 % und die Bundesdruckerei 40 % der Anteile. G&D wird fusionskontrollrechtlich die alleinige Kontrolle innehaben. G&D und die Bundesdruckerei bringen ihre jeweiligen Auslandsaktivitäten ein. Das Gemeinschaftsunternehmen wird an Ausschreibungen ausländischer staatlicher Auftraggeber für ID-Dokumente, Führerscheine und Gesundheitskarten teilnehmen.[12] Sitz des neuen Unternehmens soll Berlin werden.[13]

Ich bin wieder mal begeistert.

Schafft es unsere Bundesregierung gerade, sich selbst über den Tisch zu ziehen und sich selbst Schrott anzudrehen?

Oder läuft da wieder eine Geldwäsche, indem man für ein Pseudoprodukt bezahlt? Denn irgendwer muss Verimi ja finanzieren.