Warum es mit der Gesundheitsdigitalisierung nicht funktioniert
Jetzt fragen schon die Österreicher bei mir an, warum wir uns hier so blöd anstellen.
Anfrage aus Österreich:
Hallo Herr Danisch!
Sehr befremdlich ihr Artikel für jemanden in Österreich.
Wir haben das e-Rezept schon seit PAndemiebeginn und aus Kundensicht funktioniert es watscheneinfach: Arzt übermittelt das Rezept in die Cloud. eCard wird vom Apothker eingelesen und das Rezept wird eingelöst, das schaffen auch 80 jährige. Das wird jetzt auf neue Beine gestellt, so dass es auch mit App geht, die eCard Variante wird es aber weiterhin geben.
Bei uns musste ich auch noch nie eine Krankenstandsbestätigung an eine Kasse schicken. Das macht schon immer der Arzt. Ich muss es nur dem Arbeitgeber abgeben. Auch die Gesundmeldung. Falls die verlorenging, kann man über das Webportal der KK die Gesundmeldung durchführen (inzwischen mit Signaturkarte).
LG
Tu felix Austria. So würde man das machen, wenn man was in der Birne hat und die Füße bis zum Boden reichen.
Zwei andere Leser schreiben mir aber, warum es hier nicht funktioniert.
Der Erste
Ein Arzt schreibt mir:
Lieber Herr Danisch,
als Veteran mit [anonymisiert, aber sehr viele] Jahren “Kassenarzt” auf dem Buckel und [auch viele] Jahren Delegierter in der Selbstverwaltung möchte ich Ihnen Ihre Schlussfragen gern beantworten:
1)JA, DAS STIMMT. ALLES!
2)Die Gematik ist wie die KV eine bundesunmittelbare Behörde (was bei Letzterer kaum jemand weiß. Die halten alle für eine Art Ärztegewerkschaft. Haben halt nie das SGB V gelesen)
Daraus ergibt sich, dass dort Leute das Sagen haben, für die “das Internet ja noch Neuland ist”. Politiker. Die wenigen Fachleute stellen angesichts der öffentlich-rechtlichen Gehälter den demotivierten Bodensatz Ihrer Branche dar.
3) Digitalisierung im Gesundheitswesen ist, wenn man mit dem Smartphon beim Arzt anrufen und einen Temin vereinbaren kann, und mittels einer KK-finanzierten APP ein Abnehmprogramm mitmachen kann und wenn man mittels Computer die zahllosen Verwaltungsprobleme löst, die man ohne Computer gar nie gehabt hätte.
4) Der Einbau des Smartphones in das System beruht auf dem Wissensstand der Verantwortlichen, dass das schließlich das Kernstück jeglicher “Digitalisierung” ist.
Und warum soll man die Digitalisierung nicht mit jeder Smartphon-Mode umbauen? Hat doch mit der bisherigen KK-Karte auch schon gut geklappt, und ein ranghoher Ärztefunktionär, der an der Kartenproduktion finanziell beteiligt ist, hat SEHR gut an den paar Milliarden mitverdient! (Schon mal was von Maskenvermittlung gehört?)
5) Siehe 4) Nicht vergessen alle die Posten, die das Unternehmen bereits bislang mit den verballerten > 3 MRD(!!!) € generiert hat.
6) Die Gesundheitsministernden seit Ulla Schmidt haben alle ihren Ehrgeiz und ihr Können in das “Projekt Digitalisierung im Gesundheitswesen” investiert.
Ah, ja.
Da fehlt aber noch eine Komponente, die der zweite schreibt.
Der Zweite
Hallo Herr Danisch,
zum Thema „Was sitzen da für Leute bei einer Gematik“ hat der folgende Link wohl etwas Erhellendes.
Da hat unser alter Freund Spahn nämlich einen seiner Homies untergebracht. Offensichtlich, nachdem dieser ihm eine Wohnung zum Sonderpreis verschafft hatte.
Mit freundlichen Grüßen aus
Oh:
Wie Jens Spahn einen alten Freund in einen Top-Job holte
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat im vergangenen Jahr einen früheren Pharma-Manager und Lobbyisten zum Chef-Digitalisierer im Gesundheitswesen ernannt, mit dem ihn eine langjährige persönliche Bekanntschaft sowie ein gemeinsames Immobiliengeschäft verbindet. Beides war bisher in der Öffentlichkeit nicht bekannt.
Wie das Amtsgericht Schöneberg (Grundbuchamt) dem Tagesspiegel auf Anfrage bestätigt hat, war der heutige Alleingeschäftsführer der Gematik GmbH Markus Leyck Dieken vor Spahn Eigentümer von dessen Wohnung im Berliner Bezirk Schöneberg.
Leyck Dieken habe die Wohnung ausweislich der Unterlagen für 980.000 Euro an Spahn verkauft. Dieser sei im Grundbuch seit Anfang Januar 2018 als Eigentümer eingetragen. Das Gesundheitsministerium teilte mit, dass sich beide zwar „seit vielen Jahren persönlich kennen“. Sowohl Spahn wie Leyck Dieken wiesen jedoch zurück, dass Wohnungskauf oder persönliche Kontakte bei der Besetzung des Spitzenpostens eine Rolle gespielt hätten.
Einen Pharma-Manager zum Chef-Digitalisierer.
Was kann da schon schief gehen?
Ach, da fällt mir eine Anekdote ein. Vor vielen, vielen Jahren hatte ich mal im Rahmen meiner Tätigkeit ein Pharmaunternehmen als Kunden. Die wollten Sicherheit, viel Sicherheit, weil in der Branche monströs viel spioniert werde. Nicht nur die Kochrezepte und Forschungsergebnisse, sondern sogar das Design der Tablettenschachteln, weil es Plagiatoren darauf anlegen, dass gefälsche Packungen möglichst echt aussehen, und dann versuchen, die Druckdateien für die Pappschachteln auszuspionieren.
Also habe ich denen hübsch und teuer Firewall gebaut, und zum Außenzugang die eigentlich idiotensicheren RSA SecurID Token eingebaut:
(Gibt es heute nicht mehr, inzwischen sehen die anders aus und sind kleiner und etwas empfindlicher.)
Die sind zwar teurer als andere, aber sie haben ihre Vorteile: Man kriegt sie kaum kaputt, auch wenn man sich draufsetzt, und es gibt daran überhaupt nichts zu bedienen. Keine Taste, kein Schalter, nichts. Man schreibt einfach die Nummer vom Display als Passwort ab, fertig. Eigentlich idiotensicher.
Eingebaut, gestestet, geprüft, einige Mitarbeiter geschult, übergeben.
Irgendwann ruft’s an, am Wochenende. Herr Danisch, Herr Danisch, was haben Sie uns da für einen Mist eingebaut, kommen Sie sofort her und bringen Sie das zum Laufen! Es ist extrem dringend, kommen Sie sofort hierher.
Ich also sofort hingefahren. Was’n los?
Ganz schlimm, ganz schlimm, es brennt, es geht nicht, machen Sie sofort, dass es geht. Ganz, ganz, ganz eilig! Der Vorstandsvorsitzende ist gerade in den USA bei Investoren, es geht um Hunderte von Millionen Euro, und der kann seine Präsentation nicht vorführen, weil der Zugang nicht funktioniert.
Ich also sofort an die Maschine, getestet, geprüft, mehrere Tokens ausprobiert, alle Leute, die vor Ort oder telefonisch erreichbar waren, zur Probe einloggen lassen. Funktioniert alles. Einwandfrei. Tadellos. Nur der von diesem Vorstandsvorsitzenden, dem absoluten Oberchef, der geht nicht. Falscher Code. Ob man dem vielleicht den falschen Token mitgegeben hat, will ich wissen. Ob der einen falschen Token verwendet. Nein, nein, das sei alles geprüft. Die Seriennummer stimme genau.
Mit viel hin und her und Geschrei um die Frage, ob man es denn überhaupt wagen kann, denn Vorstandsvorsitzenden anszusprechen (ich so: Ja, wenn wir das Problem lösen wollen, dann wird er sich wohl oder übel herablassen müssen, mit mir rangniederer Person zu sprechen.), ich den also da in den USA beim Investor ans Telefon bekommen. Erst mal einen Schwall Vorwürfe aus dem Hörer in den Mülleimer geleitet.
Und dann habe ich mir von dem erklären lassen, was er da eigentlich macht.
Und genial, wie ich nun mal bin, habe ich aus dem unstrukturierten Haufen von Satzfetzen, Aufregung, Schimpfen und Vorwürfen heraushören können, wo das Problem liegt.
Ich habe ihm dann erklärt, dass er als Passwort die Nummer eingeben muss, die vorne auf dem Display angezeigt wird und sich alle Minute ändert, und nicht die eingravierte Seriennummer auf der Rückseite des Gehäuses. Das sei der Witz an dem Ding, dass sich das Passwort immer ändert, und man nicht ein Stück Plastik mit eingraviertem Passwort herumträgt, um es sich nicht merken zu müssen.
Und dann ging es auch sofort.
Herr Danisch, Sie haben uns gerettet!
Der Typ brachte es als Vorsitzender eines Pharmaunternehmens fertig, zu einer Vorstellung bei Investoren zu gehen, wo es um Hunderte Millionen Dollar/Euro und das Fortbestehen der ganzen Firma ging, ohne das, was er da vorführen will, vorher auch nur ein einziges Mal auszuprobieren. Die Außenzugänge hatte ich schon vor Monaten installiert, und der hatte das noch nicht ein einziges Mal benutzt. Der Chef habe es nicht so mit den Computern, der sei noch von der alten Garde, die alles ohne machen. Das ginge nur in den USA so nicht. Jahresgehalt natürlich exorbitant.
Das war jetzt vielleicht nur ein Einzelfall, der nicht unbedingt repräsentativ ist, aber mein Bild vom „Pharmamanager“ und dessen IT-Begabung doch sehr stark geprägt hat.
Dazu kam, dass mir der Kollege vom Vertrieb, der da immer die Vertragsverhandlungen machte und die Aufträge hereinholte, mal sagte, dass er da sogar dann „Geschenke“ und Schmiergeldangebote bekommt oder auch geben muss (falls hier jemand mitliest: längst verjährt und Person verstorben), wenn er das überhaupt nicht will, weil das in der Branche einfach so drin wäre, die können und kennen das nicht anders. Das gehört da zum Gesellschaftstanz, ohne machen die das nicht.
Und dazu passt eben auch, dass es Ärzten, denn dieses ständige Gemauschel auf die Nerven ging, mal diese Kampagne MEZIS (Acronym: Mein Essen zahl ich selbst) gegründet haben, weil ihnen das so unangenehm war, dass immer alles mit irgendwelchen Luxusesseneinladungen einherging, wenn ihnen irgendwelche Medikamente nahegelegt wurden.
Und aus der Windrichtung kommt dann die Digitalisierungslösung für das Gesundheitswesen.
Noch Fragen, Österreich?