Rolltreppen und E-Autos
Eine Beobachtung zur gesellschaftlichen Dysfunktionalität.
Ich war vorhin am Alexanderplatz und auf dem Weg dorthin fiel mir ein, dass ich noch in einem Elektronikmarkt mal was auf Ausstellungsstücken anschauen wollte, und hatte so in Erinnerung, dass die dort den Mediamarkt total umgebaut und gestern neu eröffnet hätten, dachte mir, jehste ma kieken. Pustekuchen, die machen erst morgen auf, noch alles zu und verrrammelt. Weil der Rolladen aber kleine Löcher hat, kann man da mal durchlinsen, und das gibt genug Anlass für einen Blogartikel, aber erst, wenn ich es richtig gesehen habe und nicht durch die Rolladenperforation.
Also bin ich ein paar Meter weiter zu Saturn.
Zu meiner Verblüffung – ich war da ja seit vor Corona auch nicht mehr oder vielleicht einmal – haben die dort jetzt auch alles umgebaut. Und es ist sehr aufschlussreich und sagt was über die Gesellschaft. Ganz egal, was man von Mediamarkt und Saturn halten mag – die sind gewinnorientiert und optimieren danach, was sich wie am besten verkauft, und das ist interessant zu beobachten.
Früher gab es da rechts einen kleinen Eingang zum Reingehen, und die Öffnung nach außen wurde von einer langen Kassenreihe belegt. Obwohl der Laden riesig groß ist, war der Hauptteil der Eingangsöffnung damit für das Rausgehen reserviert. Das haben sie jetzt, wie auch früher schon bei Mediamarkt, geändert und die Kassen ganz an den Rand, damit der Eingang viel größer und einladender ist, man einfach leichter in den Laden kommt.
Früher war das eher so, dass das Regalreihen waren, in denen die Waren lagen und standen und Preisschilder dran. Davon will man offenbar weg. Präsentationstische, Sitzbereiche und sowas, man baut das vom Warenhaus zu einer Art Erlebnisort um.
Früher hatten die (Erdgeschoss gibt es nicht, die fangen im 1. OG an und dann über drei Stockwerke nach oben) im untersten Geschoss eine riesige Fotoabteilung. Weg. Die ist jetzt im 1. OG und viel, viel kleiner, nur noch so eine Alibi-Ecke, in die sonst nichts passte, und die man suchen muss. Das Fotogeschäft scheint weitgehend tot zu sein. Kaum jemand kauft noch Kameras (im Laden), und das Angebot ist dort deutlich geschrumpft. Ich muss nochmal gucken, ich habe nicht so drauf geachtet, aber Kühlschränke und Spülmaschinen oder überhaupt Küchengeräte, die sie früher da auch sehr ausführlich hatten, sind mir da auch nicht mehr aufgefallen, kann sein, dass es die nur noch Online gibt. Muss ich das nächste Mal drauf achten.
Dafür aber:
Im Erdgeschoss alles voller Handys, Bluetooth-Lautsprecher und solches Zeug. Zu meiner Verblüffung: DVDs und Bluerays. Hätte nicht gedacht, dass die noch jemand kauft, und dann gleich so prominent, aber vielleicht wussten sie auch nicht, wohin damit, oder wollen die da einfach abverkaufen. Aber vielleicht hat Corona den Markt auch wieder angekurbelt?
Im 1. OG: Fernseher, Fernseher, Fernseher, und dann noch Fernseher.
In allen Größen, nein, immer größer, knalle Farben, jede Menge Beratungspersonal, das einen sofort anspricht. Wer nicht bei Drei auf dem Baum ist, wird über die Vorzüge der neuesten OLED-Technik beraten. Tolle Fernseher für 1.800 Euro. Das blöde daran ist, dass man auch gute Fernseher für 400 Euro bekommt, wenn man sie sucht. Die sind zwar dann nur gut und nicht toll, aber der Tolle ist nicht viermal so gut, wie er viermal so teuer ist. Und ein scheiß Fernsehprogramm wird durch tolle Farben, tiefe Schwarztöne und strahlendes Weiß auch nicht besser.
Man merkt aber sehr deutlich, dass sich das alles verändert. Früher hat man den Laden mit möglichst vielen Artikeln – und damit meine ich nicht Modelle, sondern Produktarten – vollgestopft und das alles funktional einfach gehalten. Eingang, Regale, Kassenreihe.
Heute soll das auf Wohlfühlen und Erlebnis hinauslaufen, und das wird sehr stark auf typische Lifestyle-Produkte zugespitzt, an denen es was zu sehen und zu fühlen gibt. Smartphones, Smartwatches, Lautsprecher, Fernseher, und wirklich erstaunliche viele Powerbanks und USB-Netzteile. Letztlich also geht es darum, dass die Leute nur noch wenige Geräte haben, davon aber immer die neuesten, tollsten, schönsten, besten. Generation iPhone: Nur noch eins, aber das teuer und immer neu.
Wie ich da so überlege, ob es denen nun gut geht, oder ob das mehr so eine Verzweiflungstaktik ist, unter den gegenwärtigen Gesellschaftsveränderungen noch das Geschäft aufrechtzuerhalten, fällt mir etwas auf: Die Rolltreppen.
Beim Saturn am Alex gibt es zwischen den Etagen vier Rolltreppen: An zwei Stellen im Laden je eine rauf und eine runter.
An der einen Stelle ging aber nur noch die Rolltreppe rauf, während die runter nicht nur abgeschaltet war, sondern mit Warentischen zugestellt. An der anderen Stelle umgekehrt, da kam man nur noch runter.
Ich hatte gefragt, warum die das machen, ob da was kaputt sei oder die ausgebaut würden. Nein, war die Antwort, sie würden Strom sparen.
Wenn die – unterstellt, das stimmt, und war nicht nur eine Story, könnte ja auch sein, dass man die Leute gezielt durch den Laden leiten und zwingen will – also als Kaufhaus schon die Rolltreppen abschalten, um Strom zu sparen, können Umsatz und Gewinn dann wohl auch nicht mehr so üppig sein.
Und während die Kaufhäuser Rolltreppen abschalten, um Strom zu sparen, sollen wir alle auf e-Autos umsteigen.
Ein teuflischer Plan.