Das zu neugierige Sicherheitsfrauenzimmer und andere Katastrophen vom Tage – oder besser der Nacht
Und nach langer, jahrelanger Pause endlich wieder eine neue Folge des schrecklichen, nie enden wollenden Dramas: Ich und die Flughafensicherheit.
Der Tag fing schon nicht gut an. Umgekehrt. Er war schon nicht gut, bevor er anfing.
Langjährige Leser werden sich erinner, dass ich früher mal eine anlassbezogene Kategorie „Wieder eine neue schreckliche Folge des nie endenden Dramas Ich und die Flughafensicherheit” hatte, die Pandmiebedingt und weil nichts berichtenswertes vorfiel, ruhte. Man muss dazu natürlich wissen, dass man sich den Namen der kategorie im geistigen Ohr so in dem Trash-Tonfall einer Schundserie vorstellen muss wie in der Muppets-Show die Serie über den Chirurgen, der vor die Hunde gegangen ist.
Der Tag fing ja auch schon so schrecklich an.
Ich war heute beruflich unterwegs und musste pünktlich wo sein, deshalb unbedingt in aller Herrgottsfrühe den Flieger vom BER kriegen.Und weil ich so ein notorischer zu-früh-am-Flughafen-Seier bin, weil einem so oft irgendwas dazwischenkommt, und es eine Weile dauert, zum BER zu kommen, bin ich mitten in der Nacht los.
Wie ich also so zur Wohnungstür raus gehe, fällt mir sofort ein Geruch auf. Es brennt. Eindeutig. Da brennt was. Dieser einschlägig bekannte, scharfe, beißende Geruch, aber nicht Kerze oder Zigarette, sondern so, wie es riecht, wenn Müll oder ein Haus brennt. Kein Irrtum möglich, der Geruch ist eindeutig. Im Treppenhaus deutlich zu riechen. Alarmmodus. Seltsam: Ich sehe keinen Rauch. Und ich höre nichts. Völlige Stille. Größere Feuer hört man ja. Wo kommt das her? Aus meiner Wohnung jedenfalls nicht, da riecht man nichts. Ich also sofort raus, der Fluchtweg ist frei, um zu prüfen, ob das von draußen kommt, ob draußen irgendwas brennt. Negativ. Draußen ist nicht nur alles ruhig und friedlch, auch die Luft ist klar und frisch ohne jede brenzlige Note. Das ist schlecht, denn es heißt, dass der Geruch nicht von außen, sondern von innen kommt. Ich also wieder rein, um zu orten, wo der Geruch herkommt. Im baugleichen Nachbarhaus hatten mal Drogenabhängige unten am Eingang zur Tiefgarage übernachtet und dort ihre Drogen gekocht. Oder überhaupt, Tiefgarage. Brennen dort Autos? Nein, kann ich ausschließen, denn ich war ja gerade draußen und dort sind die Lüftungsgitter. Würde es in der Tiefgarage brennen, müsste dort dichter Rauch rauskommen.
Deutlicher, eindeutiger frischer Brandgeruch und richtigem Hausbrand, aber ich finde keine Ursache, keine Quelle, keinen Rauch, keine Richtung, aus der der kommt. Nicht mal, in welcher Richtung er stärker wird, nur dass er im Treppenhaus vorkommt und sonst nirgends.
Ein „Entstehungsbrand“? Brutzelt da vielleicht irgendwo ein Kurzschluss in der Wand?
Ich stehe vor dem Haus, Notfallsituation, und weiß nicht, was ich tun soll. Also Handlungsoptionen finden, prüfen, bewerten:
- Alarm schlagen und das ganze Haus wecken? Und was sage ich denen? Es riecht nach Feuer, aber ich finde keines? Und wie lange dauert das?
- Weiterschauen, wie sich die Sache entwickelt und ob ich eine Quelle finde? Würde ich an normalen Tagen machen, aber so verpasse ich meinen Flieger. Geht nicht, ist wichtig.
- Die Sache auf sich beruhen lassen, zum Flughafen fahren, und dann in der Zeitung lesen, ob was passiert ist? Geht gar nicht. Was, wenn die Sache ernst ist? Ein Feuer bemerkt haben und dann einfach so weitergehen, während die Nachbarn alle im Bett liegen und schlafen? Und meine Wohnung ja auch abbrennen würde? Geht gar nicht.
Mir fällt keine brauchbare Handlungsweise ein. Problemsituation, und ich finde keine Lösung. Keine, die ich alleine durchführen kann. Was tun?
Notruf 112.
Feuerwehr Berlin
Adresse angegeben, Situation beschrieben, Dilemma erläutert. Ich kann weder bleiben noch gehen, ich finde kein Feuer, kann die Situation auch nicht auf sich beruhen lassen. Was muss ich tun?
Anwort der Feuerwehr: Korrekt. Sie haben gerade einen neuen Großbrand in Wedding. Das ist zwar ein Stück weg, aber der Rauch zieht exakt auf meine Adresse zu. Er zieht aber über die Häuser hinweg. Ist oben im Treppenhaus ein Fenster offen, drückt es den Rauch in das ganze Treppenhaus. Deshalb kann ich ihn im ganzen Treppenhaus riechen. Geh ich aber raus, ins Freie, rieche ich nur die Luft am Boden, und da kommt der Rauch nicht vorbei. Aha. Das Treppenhaus wirkt also wie so eine Art Geruchsperiskop oder Schnorchel. Als ob ich meine Nase in 20 Metern Höhe hätte. Die Feuerwehr sagt, es bestehe Geruchsbeeinträchtigung, aber keine Gefahr.
Auch mein Handy, das bevor ich die Tür aufmachte, noch völlig ruhig und friedlich war, da hatte ich nämlich noch den Fahrschein für die Fahrt zum Flughafen bestellt, wird nun nervös, weil die NINA-Warnapp einen Großbrand in Berlin meldet.
Dachstuhlbrand in #Gesundbrunnen in einem leerstehendem Schulgebäude in der #Schulstrasse. Wir sind mit knapp 100 Einsatzkräften vor Ort. Glücklicherweise bislang keine Verletzten. Update folgt… pic.twitter.com/CPRiwMPpFj
— Berliner Feuerwehr (@Berliner_Fw) September 10, 2022
Unser Haus steht nur 30m neben dem brennenden Gebäude. Die Löscharbeiten dauern nun schon über 10 Stunden an. Es war sehr erschreckend, wie das Feuer in den ersten Stunden immer wieder an den verschiedensten Stellen, größer wurde. Vielen Dank an die #berlinerfeuerwehr pic.twitter.com/AB0oEl6tB2
— lisa zora b. (@lisazora_b) September 11, 2022
Large fire last night in wedding Berlin #Berlin #Feuerwehr @Berliner_Fw pic.twitter.com/rTlNEsVbLX
— mathilde moree (@M_Moree) September 11, 2022
Wie gut, dass ich notorisch immer zu früh zum Flughafen losfahre. Durch die Aktion kommme ich fast eine Stunde später an als geplant. Aber ich bin froh, es geklärt zu haben.
Ich komme am BER an und sehe, wie bei früheren Flügen schon, jede Menge Leute auf dem Steinboden sitzen und liegen. Weil es auf diesem Flughafen nicht genug Sitzbänke gibt. Es hat sich niemand überlegt, wo die Leute, die auf ihren Flug warten, eigentlich hinsollen. Dazu kommt, dass die, die Sitzplätze ergattern, oft gleich vier davon brauchen, weil sie sich da gerne zum Schlafen hinlegen.
Ich komme zufällig dran vorbei, wie gerade automatische Selbstbedienungsgepäckbänder, bei denen man sein Checkin-Gepäck, das man vorher auch selbst wiegen und den Gepäck-Aufkleber selbst anbringen muss, selbst abgeben muss, damit man da kein Personal mehr braucht. An sich ja nicht verkehrt. Aber mich haut es fast aus den Latschen, als ich sehe, was ich sehe: Die Dinger hatten des nachts nur ein Logo auf dem Bildschirm, da ging noch nichts. Und dann muss da morgens einer kommen und über den Touchscreen jedes einzelne Gerät freischalten und für den Tag konfigurieren oder irgendwas einstellen. Unglaublich. Automatisierung in Deutschland. Nicht etwa so, dass die Dinger remote zu konfigurieren wären, oder automatisiert, oder so gebaut, dass sie einfach durchlaufen, da muss einer kommen und auf jedem einzelnen der Geräte (und da stehen sehr viele) rumtippen, bis es geht. Anscheinend jeden Morgen.
Wer baut so einen Scheiß?
Eine Frau spricht mich an. Ob ich Englisch könnte. Ja. Sie wolle nach Barcelona. Und schaut mich erwartungsvoll an. Ich rätsele, was die jetzt von mir will. Will die ein Ticket betteln oder hat die irgendein Problem und fragt nach Hilfe. Ich frage, was ihre Frage wäre, Nach viel hin und her bekomme ich endlich aus ihr heraus, dass sie ein Ticket hat, und einfach nur wissen will, wo sie jetzt hin muss, was man an einem Flughafen denn so mache, wenn man erst mal dort ist. Irgendwann finden wir sogar heraus, bei welcher Fluglinie sie gebucht ist, was dann die Möglichkeit eröffnet, ihr den Weg zu weisen. Dass jemand am Flughafen nicht weiß, was er tun soll, kann ich noch verstehen, wenn jemand vielleicht zum ersten Mal fliegt. Ist ja auch alles nicht so einfach und oft unlogisch. Aber dass jemand nicht in der Lage ist, seine Frage zu artikulieren und zu identifizieren (ein einfaches wo muss ich hin, oder was muss ich jetzt machen) findet meine Geringschätzung.
Ich komme zumm Sicherheitsbereich. Gepäck auspacken. Natürlich rappelvoll. BER als praktisches Beispiel von gut gemeint ist nicht gut gmeacht. Um den Durchsatz hoch zu halten, haben sie das nämlich so gebaut, dass da drei oder vier Reisende nebeneinander ihren Krempel in diese Wannen auspacken können oder sollen, und die dann durch das Röntgengerät gehen, während man selbst durch diesen Body-Scanner muss.
Jetzt habe ich ein Problem. Ich habe nämlich einen Rucksack und einen Trolley dabei, die man einfach drauflegen könnte und fertig, wenn sie es nicht so in sich hätten. Ich bin geschäftlich unerwegs und habe drei Notebooks dabei, plus Tablet. Die muss ich alle auspacken. Und weil es denen nicht reicht, die Dinger in der Schutzhülle hinzulegen, sondern die nackig sein müssen, mehr Aufwand. Zudem sind die Notebooks so breit, dass sie nicht alle zusammen reinpassen, und ich meinen Kram damit über vier dieser Wannen verteilen muss. Ganz korrekt hätte ich sogar fünf gebraucht.
Weil die Damen aber ungeduldig sind, packen sie Wannen noch bevor ich fertig bin und schicken sie auf die Reise. Das passt mir überhaupt nicht, weil ich meinen Kram gerne a) beisammen und b) im Blick behalte. Ich sagte, ich würde gerne erst meinen Kram fertig auspacken, damit die Sachen beisammen bleiben. Wieso, fragen sie, ich hätte meinen Notebook doch schon ausgepackt. Ich habe aber drei dabei. Und die Flughafensicherheit verlangt doch so gerne von Passagieren, dass sie ihr Gepäck nicht unbeaufsichtigt lassen sollten. Wenn sie das jetzt aber kreuz und quer mit dem von anderen mischen, ist mein Zeugs nicht nur auf 20 Meter verteilt, sondern auch außerhalb meiner Sichtweite. Was ist, wenn mir jemand was klaut? Oder schlimmer, was dazupackt? Alle haben Angst, dass ihnen am Flughafen was geklaut wird. Viel gefährlicher ist aber, dass jemand anderes was reinpackt. Drogen, Waffen, weiß der Kuckuck. Gut, die Gefahr ist jetzt hier nicht so groß, weil andere Leute ja erst nach dem Röntgen und der Freigabe drankämen, aber ich wäre chancenlos, wenn sich da nun einfach einer was schnappt, Notebook, Geldbeutel, Handy (weshalb ich Geldbeutel und Handy usw. deshalb grundsätzlich nicht einzelen drauflege, sondern alles immer in so einen zusammenfaltbaren Einkaufsbeutel stecke.
Sie merken, dass ich da einen Punkt habe, wollen es aber nicht zugeben. Ja, dafür könnten sie ja nichts, das passiere ja automatisch. So’n Quatsch. Ich habe genau gesehen, wie sie die Wannen vom Tisch auf die Transportrollen gezogen haben.
Ich also durch den Body-Scanner und kommen hinten an das Ende des Bandes, und es kam, wie es kommen musste, von meinen vier Wannen sind nur drei da. Rucksack und Notebooks sind angekommen, aber der Trolley fehlt. Ich sehe mich um, weil ich vermute, dass er wegen dem vielen Elektronikzeugs darin (Netzteile, Netzwerkkabel und so einen Kram, der nicht automatisch erkannt wird. Vor vielen Jahren bin ich zweimal gefilzt worden, weil ich etwas Verdächtiges in der Tasche hatte, was nicht automatisch erkannt werden konnte. Einmal war es ein damals ganz neumodischer E-Book-Reader. Das andere Mal waren es ein paar Polfilter in der Fototasche, von denen man auf dem Röntgenbild nur komische Kreise sah, die man sich nicht erklären konnte. Im Parlament von Neuseeland sprach mich mal der Sicherheitsbeamte nach Blick auf das Röntgenbild meiner Tasche an, genau dieses Objektiv wolle er sich auch kaufen, ob ich denn damit zufrieden wäre. Könnte aber sein, das der die Schrift gesehen hat, weil bei Nikon die Beschriftung so einen Goldeffekt hat, der sich vielleicht abbildet.)
Tatsächlich entdecke ich nach einigen Verrenkungen hinter einer Glaswand, die undurchsichtig ist, weil mit einem großen Aufkleber abgeklebt, zunächst die charakteristischen Rollen meines Trolleys und dann eine Sicherheismitarbeiterin, die mit spitzen Fungern meinen Kapuzenpulli für kühle Flüge hochhebt. Ich gehe um die Ecke und sehe, wie die da so richig in die Tiefe geht. Ich spreche sie an. Ich hätte so in dumpfer Erinnerung, dass ich das Recht hätte, bei der Durchsuchung meines Gepäcks dabei zu sein. Ja, meint sie, gut gelaunt, ich sei doch dabei. Nein, sage ich, das bin ich nicht, weil sie die Glasscheibe abgeklebt haben, und ich weder wusste, noch sehen konnte, was sie da macht. So geht’s nicht. Nachher fehlt was oder ist kaputt, denn ich habe da auch empfindliche Sachen drin. Bildschirme, Zeugs, das verkratzen kann und so weier.
Und erwische sie damit genau in dem Augenblick, als sie in meinem Trolley einen Gegenstand gefunden hat, den sie offenbar nach dem Röntgenbild gesucht hatte, und den sie schon in der Hand hielt, als wollte sie mich etwas fragen.
Und es erstaunte mich überaus, welchen Gegenstand sie da in der Hand hielt. Denn ich hatte da ja einige Dinge im Trolley, die Fragen hätten aufwerfen können. Sie aber hielt einen Apple Airtag in der Hand.
Ich hatte mir vor ein paar Tagen diese Air Tags gekauft.
Ich hatte ja im Blog berichtet (und noch mehr Hinweise bekommen), wieviele Flughafen der Welt gerade das Gepäck nicht abfertigen können und es dann ewig liegenbleibt. Leser hatten mir da diese Airtags empfohlen, denn mit denen wüsste man dan immerhin, an welchem Flughafen die Dinger sind. Viel nutzen mir die Dinger zwar auch nicht, weil ich kein iPhone habe, nur in iPad, das nich genau oren kann, und das ich auch zuhause gelassen habe (denn im Trolley nützt es mir ja auch nichts, wenn der weg ist), aber zumindst von zuhause aus könnte ich dann sehen, wo mein Gepäck ist, und notfalls kaufe oder leihe ich mir dann ein iPhone, wenn ich das Zeug wirklich orten müsste. Also habe ich so ein Ding in den Trolley gepackt, obwohl Bordgepäck. Denn wenn zuwenig Platz ist, nehmen sie einem die Trolleys ja weg und checken sie ein auf vielleicht Nimmerwiedersehen.
Deshalb also hatte ich einen Apple Airtag im Trolley, und das war beim Röntgen aufgefallen. Und sie hatte den im Gepäck gesucht und gefunden (was nicht schwer war, weil gleich im Krawattenfach im Deckel des Trolleys) und hielt den in der Hand. Ich dachte mir noch, dass sie vielleicht irgendwas gegen die Dinger hätten und ich jetzt irgendeinen Ärger am Hals hätte. Man merkte ihr an, wie ihre eben noch so gute Laune in Enttäuschung abstürzte. Sie sagte, sie habe mich etwas fragen wollen, aber wenn ich so verärgert sei, verzichte sie auf die Frage. Steckt den Air Tag wieder in das Krawwattenfach und macht den Koffer zu.
Da ging bei mir eine Warnlampe an. Das Sicherheitspersonal hat eine Fage, gut. Es verzichtet aber auf die Klärung, weil ich grimmig gucke und die Durchsuchung rüge, und meint, ich sei fertig und könne weiter? Gerade dann müssten sie doch auf einer Klärung bestehen. Da ist doch was faul.
Ich so: „Was wollten Sie mmich denn fragen?“
So richig treuherzig und im einem Tonfall, der beim ersten Date gepasst hätte, sagte sie, sie wollte mich fragen, ob ich ihr erklären könnte, wie die Dinger funktionieren. Aber nicht, wenn ich schlecht gelaunt bin.
Ich stehe da, als hätte mich der Blitz getroffen. Als hätte mir im Stehen jemand von hinten die Sohlen aus den Schuhen gezogen.
Die öffnen ohne mein Besein meinen Koffer, durchwühlen den, weil sie bei Röntgen etwas gefunden haben, was sie persönlich so interessiert und was sie sich mal angucken wollten.
Boah, dachte ich, was bin ich froh, dass ich nur einen Apple Air Tag und keinen Vibrator im Gepäck hatte. Ob die den dann auch rausholen und fragen, ob der gut ist und wie der sich so anfühlt?
Und das alles noch bevor es überhaupt hell wurde.
Der Rest des Tages verlief dann aber unauffällig.