Die S(tink)-Bahn Berlin
*Würg*
Ich bin vorhin, früher Nachmittag, hier in Berlin mit der S-Bahn gefahren.
Ich steige so in den Zug, wollte mir einen Platz suchen, und sehe auch ganz viele frei Plätze, alle beieinander, als wäre da gerade eine Schulklasse rausgegangen, und denke „*WÜRG*“.
Es stinkt bestialisch, einfach unerträglich. Als ob ein nasser Hund in Buttersäure verwest. So, dass man sich wirklich sehr zusammenreißen muss, um die Übelkeit unter Kontrolle zu halten.
Ursache: Ein Penner hat es sich auf den längs liegenden Sitzbänken bequem gemacht und schläft da sein Schläfchen. Einer von der Sorte Berlin Spezial, der von oben bis unten so verdreckt ist, dass man die Bestandteile der Bekleidung und herauslugende Körperteile nicht mehr voneinander unterscheiden kann, und der sich aus Prinzip nie wäscht. Sowas habe ich bin Berlin schon öfters, sonst aber noch nie auf der Welt erlebt, dass Leute so massiv, so weitreichend, so gemeingefährlich, so widerlich stinken können. Ich meine damit nicht den Körperschweißgeruch, wenn jemand abends von der körperlichen Arbeit kommt. Oder jemand bei 30 bis 40° schwitzt. Oder sich mal einen Tag nicht gewaschen hat.
Ich meine die Art von Gestank, für die zu beschreiben mir die verbalen Möglichkeiten fehlen. Und wenn ich den Gestank verbal beschreiben könnte, würde ich für diese Beschreibung bereits aufgrund des verbalen Ausdrucks von den Vereinten Nationen als Kriegsverbrecher eingestuft. Und das ist auch nicht das erste Mal, ich habe das in Berlin schon öfter erlebt. Und genau das auch vom 9-Euro-Ticket erwartet, nämlich dass die S-Bahn damit zur Pension Pennerglück und das zum Allgemeinzustand der S-Bahn wird. Die freien Plätze gab es, weil auch sonst niemand den Gestank ertragen konnte.
Ich also, so schnell wie möglich und mit Luftanhalten, an dem Typ vorbei, ans hinterste Ende des Ganges durch die Wagenkette, aber selbst da: Nicht auszuhalten. Da der Zug gerade noch nicht abgefahren war, wollte ich schon raus und lieber die 20 Minuten auf die nächste Bahn warten in der Hoffnung, dass es da nicht wieder passiert, als mir auffiel, dass die S-Bahn kein durchgehender Zug war, sondern aus gekoppelten kürzeren Zügen bestand, die nicht als durchgehender Gang verbunden und deshalb atmosphärisch und olfaktorisch getrennt sind. Also schnell raus und in den nächsten Zugteil wieder rein, gerade noch geschafft. Da war es zwar auch dreckig wie Sau, so dass man sich da eigentlich nicht setzen will (und blöderweise haben die so weiche textile Polster, die nicht ernstlich gereinigt und desinfiziert werden können, neulich ging ja ein Video rum, wie einer während der Fahrt aufsteht, sich rumdreht und die Polster vollpinkelt. Nirgendwo sonst auf der Welt habe ich es so widerlich-eklig-unerträglich erlebt wie in Deutschland, speziell Berlin. Sowas gibt es wohl nur in Deutschland. Aber immerhin: Geruchsneutral.
Die Bahn fährt los, ich hole mein Handy raus, schaue, was es Neues gibt, und lande gleich als erstes auf diesem Tweet:
Was viele falsch verstehen ist, dass es bei der Mobilitätswende nicht einfach darum geht Leuten das Auto wegzunehmen, sondern vielmehr darum ein Verkehrssystem zu schaffen, in dem wirklich alle sicher, schnell und bequem auch ohne Auto mobil sein können.
— Ingwar Pero (@Perowinger94) September 18, 2022
Ein Verkehrssystem zu schaffen, in dem wirklich alle sicher, schnell und bequem auch ohne Auto mobil sein können.
Das schließt sich aus. Wenn wirklich alle darin mobil sein können, dann ist es eben nicht sicher, schnell, bequem, und dann eben auch nicht für alle. Es gibt kein Verkehrssystem für alle. Entweder für die Zivilisierten, oder für die anderen. Aber beide zusammen geht nicht.
Man hat die Bandbreite unserer Gesellschaft viel zu weit ausgedeht, als dass man die gesamte Gesellschaft noch zusammen in ein Zugabteil pferchen könnte. Und die heilige Gleichmacherei zieht immer alles auf das unterste Niveau herunter, und das ist eben ziemlich weit unten, weil man jedes Niveau tolerieren will.
*Würg!*
Nachtrag: Der Typ aus dem Tweet beschreibt sich als
Fahrradaktivist. Ich träume von einer grünen, autobefreiten, friedlichen und sauberen Stadt. Degrowth Sympathisant.
mit Standort Berlin. Und träumt von „friedlich und sauber“.