Ansichten eines Informatikers

Vom Bürgersein

Hadmut
28.10.2022 13:28

Eine Anmerkung.

Ich finde es und empfinde es als zunehmend schwierig, anstrengend, auszehrend, belastend, schädigend, krankmachend, unangenehm, störend, zerstörend, ermüdend, ineffizient, überteuert, nutzlos, benachteiligend, unsinnig, ungesund, vergeudend, lebensqualitätsbeeinträchtigend, Bürger dieses Landes zu sein, hier zu leben, hier zu wohnen, diesem Staat anzugehören.

Ich habe immer stärker den Eindruck, dass dieses Land in Streitsucht und Dummheit versinkt, dass wir immer mehr damit beschäftigt sind, uns mit irgendwelchen Auseinandersetzungen und Streitereien abzugeben. Das wäre nicht so schlimm, wenn sie produktiv wären, es auf Fortschritt und Verbesserung abzielte. Aber ich habe den Eindruck, dass der Streit zum Selbstzweck verkommen ist, dass es nur noch darum geht, zu streiten und anderen auf die Nerven zu gehen und ihnen Schaden zuzufügen, weil sich immer mehr Menschen dadurch definieren, darin ihren Anwesenheitszweck sehen, anderen das Leben schwer zu machen.

Das Produktive, das Konstruktive, das Kreative, das sehe ich hier nicht mehr. Wir sind nicht mehr die Adler der Lüfte, wir sind längst die Ratten unserer eigenen Kanalisation.

Es funktioniert auch nichts mehr. Es gibt keinen Fortschritt mehr, bestenfalls schaffen wir noch einen Erhaltungsbetrieb.

Oh, es ist nicht so, dass wir nur dumme Leute hätten. Wir haben auch Schlaue. Aber überall, wo etwas zu entscheiden, zu dirigieren, zu sagen ist, sitzen nur noch die korrupten, fachlich Dummen. (Es gibt Leser die das andersherum sehen und meinen, wer noch lernt und arbeitet ist doch der Dumme, und so wie die ohne Arbeit und Können an viel Geld zu kommen, doch das Gegenteil von dumm. Ich meine aber nicht die Gaunerdummheit oder -schläue, ich meine die intellektuelle Dummheit. Ich setze Erfindertum nicht mit Erfindungsreichtum der Betrüger gleich.)

Wir scheitern an immer einfacheren Aufgaben.

Wir können nicht einmal mehr elementare Problemstellungen bewältigen.

Wir wollen es nicht einmal.

Wir finden uns gut, modern, gereicht, zeitgeistkonform, wenn die dümmsten und unfähigsten Leute, die wir finden können, auf die Posten kommen, weil wir uns damit selbst beweisen, wie tolerant, fair und gerecht wir sind, als ginge es dabei nur darum, die Segnung des Jobs zu verteilen. Wir begreifen nicht, dass ein Posten, ein Job, eine Sache auf Gegenseitigkeit, ein klassischer Vertrag ist, und der Empfänger der Gegenleistung, auf die wir da verzichten, wir alle, die Öffentlichkeit sind.

Wir schikanieren, beschuldigen, beschimpfen, sabotieren, diffamieren, boykotieren, drangsalieren, feuern, brandmarken, ausgrenzen uns immer mehr, weil wir Egomanen sind, die Egoismus und Egozentrik für progressive, moderne Arbeit und das Leben auf Kosten anderer für moralisch gerechtfertigt und politisch geboten halten.

Wir gehen uns nur noch gegenseitig auf die Nerven, und glauben auch noch, das müsse so sein. Weil wir so übermoralisiert und degeneriert, so dekadent sind, dass wir glauben, dass das Moralisieren an sich eine produktive und zu entlohnende Tätigkeit sei.

Und als ob das nicht alles schon schlimm genug wäre, auch noch diese Flut, diese Lawine an permanenter Beschallung mit dummem, ideologischem, immer gleichem Geschwätz. Gerade so, als ob die selbstgewählte Dummheit der Schmierstoff wäre, mit dem alles so viel leichter geht, weil er uns nicht nur die Mühe des Nachdenkens, sondern auch noch alle Hemmungen nimmt, Widerstände ignorieren lässt und uns von der Last befreit, die Fehlerhaftigkeit des eigenen Tuns und Meinens zu erkennen und anzuerkennen. Erst die kultivierte und kollektiv begangene und betriebene Dummheit ist es, die Begriffe wie die des Fehlers und der Unsinnigkeit mit einer so angenehmen Leichte davonwäscht und uns die Beliebigkeit des Handelns eröffnet, ohne die Bilanz zu ziehen und die Verfehlung zu erkennen.

Wären wir ein Pferd, würde man uns eschießen. Ein Auto, würden wir verschrottet. Wären wir ein Zahn, würde man uns ziehen, und wären wir ein Fuß, uns erst einmal gegen Fußpilz behandeln, um überhaupt eine Diagnose treffen zu können. Wären wir ein Sender, würde man umschalten, und wären wir zu essen, würde man uns ausspucken. Wir sind marode und kommen uns gut darin vor. Wir erheben es zur Kunstform, uns in einen unnötigen Bankrott zu manövrieren und denselben gleichzeitig zu feiern und als Insolvenz zu verschleppen.

Wir sind so dumm geworden, dass wir es inzwischen für gut, für richtig, für wichtig und geboten, geradezu für überlegen halten, dumm zu sein, und Dummheit schon aus Solidarität von anderen verlangen.

Es ist inzwischen gegenüber zivilisierten Gesellschaften ein enormer Standortnachteil, Bürger dieses Landes zu sein, zu werden oder auch nur längere Zeit gewesen zu sein.