Kohlrabisticks und das Gehirn Draculas
Ich habe mal Geister und Gespenster befragt.
Ab und zu liest man ja, dass es unvertrebar sei, kleinen Geistern und Gepenstern, Hexen und Teufeln, zu Halloween Süßigkeiten zu geben. (Was soll das den Toten und Geistern eigentlich noch schaden?)
Man solle Mohrrüben und Kohlrabisticks reichen, also würde man ein Pony füttern.
Neulich ging auf Twitter ein Foto eines undatierten Aushanges rum, auf dem Eltern die Nachbarschaft auffordern, ihren Kindern keine Süßigkeiten zu geben, sondern gesunde Dinge wie Kohlrabisticks und – weiß nicht mehr, was es war – Sellerie oder Rhabarber zu beschaffen und ihren Kindern zu reichen. Letztes Jahr hätten sie die ganzen Süßigkeiten, die man ihren Kindern gegeben habe, beutelweise „entsorgen“ müssen.
Was ich nicht nur für eine absolute Unverschämtheit halte, sowohl inhaltlich, also auch der Wortwahl nach (solche könnten mich dann mal am A.. lecken und sich dann überlegen, ob es süß oder gesund ist) und für seelische Grausamkeit den Kindern gegenüber … ach, da ist er wieder:
Nicht vergessen: Morgen wieder die Kohlrabisticks bereithalten. pic.twitter.com/FxGR8opNee
— Niklas Korber (@NiklasKorber) October 30, 2022
Was ich, nebenbei bemerkt, für rechtswidrig halte. Denn wenn man Kindern Süßigkeiten schenkt, ist das zunächst mal eine Schenkung an das Kind, das Kind wird Eigentümer und verfügungsberechtigt.
Natürlich haben die Eltern als Sorgeberechtigte da auch noch was zu melden, denn die Einwilligung in einen Vertrag ist – soweit er typische Taschengeldbeträge überschreitet, und das ist hier nicht der Fall, das Gesetz sieht durchaus vor, dass Kinder so ganz kleine Geschäfte auch wirksam abschließen können, damit sie es lernen und weil sie durchaus eine gewisse Autonomie haben und nicht restlos Sklaven ihrer Eltern sind – genehmigungsabhängig. Ich müsste jetzt noch einmal nachsehen, ob Schenkungen ein einseitiges oder zweiseitiges Geschenk sind, aber ich glaube, ein zweiseitiges, weil das Geschenk der Annahme bedarf. Der ist dann schwebend unwirksam, und das sogar auf Jahre und Jahrzehnte, bis der Vertragspartner eine Erklärung darüber anfordert.
Die Eltern können also als Erziehungsberechtigte ab einer gewissen Grenze oberhalb des Taschengeldes, oder wo es um die Gesundheit – Interessen – des Kindes geht, die Genehmigung des Vertrages verweigern. Die Folge dessen wäre aber, dass sie die Süßigkeiten als dann rechtsgrundlose Gabe zurückzugewähren haben, weil sie im Eigentum des Gebers bleiben. Sie könnten also mitgehen und sagen, das und das und das nehmen wir nicht. Sie können die Kinder aber nicht in vollem Wissen losschicken und ihnen gestatten, das Zeug einzusammeln, und dann „entsorgen“, was ihnen nicht passt.
Im Prinzip machen sich solche Eltern nicht nur privatrechtlich gegenüber dem Süßigkeitengeber schadensersatzpflichtig und müssten den Wert der Süßigkeiten ersetzen, man könnte ihnen auch strafrechtlich Unterschlagung (§ 246 StGB) vorhalten, weil sie mit der Entsorgung eine Verfügungsgewalt ausüben, ohne Eigentümer der Sache zu sein. Denn wenn man etwas in fremdem Eigentum wegwirft, eignet man es sich zu, nämlich um darüber zu verfügen, auch wenn man sofort verfügt, es wegzuwerfen. Vor allem dann, wenn man es tut, um seiner eigenen Ideologie und Überzeugung zu genügen, damit also eigenen Zwecken dient. Außerdem Untreue sowohl gegenüber dem Kind (§ 266 StGB), weil die Eltern das Vermögen des Kindes zu wahren haben.
Etwas verzwickter wird es, wenn sie die Schenkung genehmigen (was diesem Aushang allerdings widerspräche) und gestatten, dass sie das Kind annimmt, und sie dann trotzdem wegwerfen. Das riecht nach Betrug, ist es wohl aber nicht, weil sie sich ja keinen Vermögensvorteil im Sinne des § 263 StGB verschaffen, aber zumindest vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, weil der Zweck der Gabe vereitelt wird und man das Geld ja nicht dafür ausgibt, dass die Sachen im Müll landen.
Eltern können auch nicht ohne weiteres Eigentum ihrer Kinder „entsorgen“. Den Eigentum der Kinder ist nicht Eigentum der Eltern. Sie haben die – auch wirtschaftlichen – Interessen der Kinder zu wahren. Und wenn sie entscheiden, dass die Kinder die Sachen wirksam annehmen können und dürfen, dann haben sie auch zu respektieren, dass das Eigentum ihrer Kinder ist. Dann kann man solche Entscheidungen treffen, wie erst nach dem Abendessen, oder vor dem Zähneputzen, oder nicht alles auf einmal. Oder Dinge wegwerfen, weil das Datum abgelaufen ist oder sie manipuliert oder verschmutzt aussehen. Aber man kann sie nicht wegwerfen, weil man sie aus persönlicher Überzeugung für ungesund hält. Man kann seine eigenen Dinge wegwerfen, aber nicht die anderer Leute, nicht mal der eigenen Kinder. Wären die Sachen nicht nur beschränkt haltbar, müssten sie bis zur Volljährigkeit der Kinder aufbewahrt werden, weil die Kinder mit der Volljährigkeit selbst entscheiden können, was sie in sich reinstopfen.
Vor allem dann, wenn sich das mit der Zeit im Wert aufschaukelt, könnte irgendwann der Fall vorliegen, dass die Eltern zum Entsorgen – Vermögensverfügung zum Nachteil des Kindes – eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bräuchten.
Interessant wäre allerdings, wenn die Süßigkeiten im Namen des Kindes an andere weiterverschenkt werden, um sich dort beliebt zu machen, oder irgendwo gegen Kohlrabisticks einzutauschen, weil man darin einen entsprechenden Gegenwert für das Kind sehen kann.
Ich wüsste also, was ich solchen Eltern erzählen würde. Glücklicherweise gibt es hier solche Leute nicht.
Aber es wäre durchaus mal interessant, solche fiesen Eltern mal juristisch zu zwingen, Schokoladenkram als Schadensersatz zu kaufen. Ihnen mal klarmachen, dass es nicht nur ihre Regeln gibt, an die „wir uns halten wollen“, sondern auch das Regelwerk des Bürgerlichen Gesetzbuches und das des Strafgesetzbuches,
Ich habe allerdings Hexen, Geister und Gespenster befragt, was sie von Kohlrabisticks halten würden, oder gefragt, ob ich ihnen statt der Süßigkeiten welche aus der Küche holen sollte (obwohl ich keine habe, ich habe mich mal spekulativ drauf verlassen, dass das keiner will). Schroffe Ablehnung. Nein, die würde man nicht nehmen. Nein, die würden nicht zu dem Resultat führen, dass man mich am Leben ließe.
Ein Hexenpaar erwähnte, dass man ihnen gelegentlich Manderinen anböte. Oh, die hätte ich sogar tatsächlich da. Ob sie welche haben möchten. Klare, eindeutige Ablehnung. Zwar hätten sie Manderinen gerne, aber dazu seien sie ja nicht da. Das sei nicht der Zweck ihres Besuches. Klassischer ungesunder Süßkram sei ihr einzig Begehr. Nur das könne mich vor dem sicheren Tod bewahren.
Im Radio haben sie empfohlen, Süßigkeiten mit Gruselfaktor darzureichen, zurückzugruseln. Man möge sie in ein nichteinsehbares Behältnis (ich habe es nicht ganz gehört, war unter der Dusche) unter ein Tuch oder ähnliches legen und das als „Das Gehirn Draculas“ präsentieren, aus dem man sich die Süßigkeiten holen müsse. Und dazu eine Portion Spaghetti kochen und erkalten lassen, und die Süßigkeiten dann darin einwickeln, weil sich (kalte oder lauwarme?) Spaghetti ganz gruselig anfühlten, wie Gehirn, wenn man sie nur fühle und nicht sehe, und nicht wisse, was es ist. Dazu hat mir die Zeit heute aber nicht mehr gereicht. Und wenn schon, dann muss da auch sowas wie ein Herzschlag zu spüren sein. Da muss ich mir noch was überlegen.