Ansichten eines Informatikers

Waschmaschinen für Kasachstan

Hadmut
7.11.2022 21:29

Leser fragen – Danisch weiß es auch nicht.

Die Sache mit den Waschmaschinen, die angeblich ausgeschlachtet werden, um an ihre Mikroprozessoren kommen, hatte ich auch schon im Blog. Allerdings andersherum. Ich hatte im Februar berichtet, dass es wegen der Chipkrise hierzulande Firmen gäbe, die neue Waschmaschinen im Hunderterpack aufkauften und ausschlachteten um an die Steuerungschips zu kommen.

Nun habe ich keine Ahnung, was da in diesen Waschmaschinen drinsteckt, worauf die so scharf sind, und warum in so vielen Waschmaschinen derselbe Chip steckt, zumal die Steuerung einer Waschmaschine aus IT-Sicht ja nun wirklich eine sowas von langweilige und anspruchslose Angelegenheit ist, da braucht man keinen schnellen Chip. Als Kind habe ich mal eine ausrangierte Waschmaschine auseinander genommen (ich habe als Kind Geräte aller Art auseinandergenommen, um zu lernen, wie sie funktionieren und aufgebaut sind), und war sehr froh, die Steuerung verstande zu haben, denn damals bestand die noch aus einer Trommel aus Kunststoff mit Zahn- oder Reliefreihen und einer Reihe von Schaltern, die darüber gedrückt oder nicht gedrückt werden, die Trommel gedreht von einem Motor und ein paar Zeitelementen.

Kennt Ihr diese kleinen Minispieluhren oder Drehorgeln mit der Kurbel, die eine kleine Walze mit winzigen Zapfen drehen, die ihrerseits Stimmzungen anschlagen und ein Lied spielen? Gibt es im Musikgeschäft für 3,50 Euro. Spielen Für Elise und sowas. Genau so funktionierte die Steuerung der Waschmaschine, die ich auseinander genommen habe, nur statt Stimmzungen eben Schalter, die Heizung, Pumpe, Motor, Ventile schalteten.

An so einer Waschmaschine gibt es nicht viel zu steuern, und vor allem: Man muss es nicht schnell tun. Ein Arduino-Nachbau, den es im China-Shop für unter einen Euro gibt, könnte das locker. Und will man es luxuriös mit Bildschirm, WLAN, Bluetooth, Alexa-Anbindung, Waschmittelnachbestellung, Fertigmeldung auf das Handy würde ein ESP8266 für 2 Euro oder ein ESP32 für 4 Euro völlig reichen. Und dazu könnte die dann noch Musik streamen, damit sich der Prozessor nicht so langweilt.

So eine Maschine braucht wirklich nicht viel Rechenleistung.

Man wird aber nicht den schwächsten, sondern eher den billigsten Prozessor einsetzen. Und “billig” heißt, dass auch die Arbeitszeit zur Entwicklung der Software berücksichtigt wird, und man da einfach bei der Software bleiben und ein bisschen an der herumbasteln wird, die man seit 20 Jahren einsetzt. Man könnte deshalb auf den Gedanken kommen, dass da immer noch der Uralt-Controller 8051 oder dessen Ableger drin sind, und ich glaube mich erinnern zu können, dass mir zu der Waschmaschinendiskussion schon jemand schrieb, dass die 8051 immer noch neu aufgelegt und in modernen Gehäusen produziert werden.

Denkbar wäre allerdings auch, dass das FPGA- oder ähnliche programmierbare Logikbausteine drin sind. Es gibt nämlich einen seltsamen Effekt in der IT: Statt alte Prozessoren wie Z80 oder 6502 nachzubauen ist es billiger, riesige programmierbare Logikgatterchips zu produzieren, die dann nur noch per Software so geschaltet werden, dass sie die alten Prozessoren über deren Schaltpläne simulieren. Manche Nachbauten alter Computer arbeiten so. Da kann man dann einen Z80 oder 6502 samt Peripherie einfach simulieren. Obwohl diese FPGAs weitaus leistungsfähiger und komplexer als die alten Prozessoren sind, kann das billiger sein, diese überdimensionierten Dinger zu bauen und zu programmieren, als die alten Prozessoren nachzubauen, weil sie eben flexibel sind, für alles verwendbar und nicht auf Lager liegen, und man nur einen Chiptyp herstellen muss. Und genau das ist in der IT ja immer wichtig.

Ich weiß es zwar nicht, was in den Waschmaschinen ist, oder worauf die heute so scharf sind, aber ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es nicht unbedingt um Prozessoren oder Controller, sondern vielleicht einen FPGA-Baustein geht, der in Waschmaschinen alte Prozessoren simuliert. Ist aber nur eine Vermutung und Spekulation. Ich weiß nicht, worauf die tatsächlich so scharf sind, dass sie Waschmaschinen ausschlachteten.

Bekannt ist aber, dass seit dem Ukraine-Krieg Ursula von der Leyen nun auch den Russen unterstellt, Waschmaschinen Gewalt anzutun und sie ungefragt zur Organspende zu nötigen. Der Verdacht geht dahin, dass man damit das Embargo umgehe, um in Waschmaschinen zu finden, was man auf dem Weltmarkt nicht mehr bekommt. Ich glaube aber nicht, dass es die Abwasserpumpen sind, die dann als Treibstoffpumpe in Mittelstreckenraketen schuften müssen. Rakete mit Flusensieb wäre ja auch blöd. Wer sollte das auch unterwegs leeren?

Nun schreibt mir ein Leser, dass n-tv darüber spekuliert, wozu die Russen arme kleine Waschmaschinen missbrauchen.

Nachbarn liefern viele Geräte – Lösen Waschmaschinen Putins Raketenprobleme?

Armenien und Kasachstan importieren derzeit erstaunlich viele Kühlschränke und Waschmaschinen. Die meisten Geräte stammen aus Europa. Werden damit Sanktionen umgangen, damit Russland neue Panzer und Raketen für seinen Angriff auf die Ukraine bauen kann?

In Armenien stapelt sich anscheinend die schmutzige Wäsche. Allein in den ersten acht Monaten dieses Jahres hat das kleine Land im Kaukasus mehr Waschmaschinen aus der EU importiert als 2020 und 2021 zusammen. Im April und Mai waren die Wäschekörbe und die Wäschetruhe in Armenien anscheinend so voll, dass die Waschmaschinen mit dem Flugzeug aus der EU eingeflogen werden mussten.

Auch in Kasachstan gab es einen akuten Waschmaschinenmangel. Allein im April wurden dieses Jahr fast sechsmal so viele Waschmaschinen aus der EU gekauft wie vor einem Jahr. Auch Kühlschränke sind anscheinend knapp: Bis einschließlich August hat der zentralasiatische Riesenstaat Kühlschränke im Wert von mehr als 21 Millionen US-Dollar aus der EU importiert. Das ist mehr als dreimal so viel wie letztes Jahr von Januar bis August.

Das ist ja auch klar, denn was meint Ihr, wieviel dreckige Klamotten so ein Krieg produziert, wenn man da tagein, tagaus im Schlamm herumrobben muss.

Und dann haben wir ja auch die Verkürzung der Lebensdauer, Waschmaschinen halten nicht mehr so lange, wie früher. Irgendwo hieß es ja, dass Waschmaschinen nicht mehr wie früher 20 Jahre halten, sondern nur geringfügig länger als die Garantiezeit, seit die Bottiche darin aus Plastik statt aus Metall sind. Da gehen natürlich die Bestellzahlen hoch.

Und in der kasachischen Steppe will man in Zeiten von Handy und Youtube ja auch nicht mehr dreckig rumlaufen, was sollen denn die Leute denken.

Es besteht der Verdacht, dass Kühlschränke und Waschmaschinen über Armenien, Kasachstan und andere Nachbarländer nach Russland geschmuggelt werden, damit Wladimir Putin sie ausschlachten und mit Bauteilen daraus neue Panzer und Raketen bauen kann. Die scheinen dem russischen Präsidenten nämlich auszugehen.

Kühlschränke?

Also, dass in Waschmaschinen eine Steuerung drin ist, gebe ich ja zu, das ist bekannt.

Aber Kühlschränke? Die haben einen Bimetall-Schalter oder eine ganz einfache elektronische Steuerung – Kühlschränke können IT-mäßig gar nichts, außer einer 0 und 1, wenn es nicht gerade solche sind, die auf einem Bildschirm den Bestand anzeigen, Kochvorschläge machen und automatisch nachbestellen.

Was man natürlich machen kann, was auch ganz enorme psychisch traumatische Wirkung hätte, wäre, die Ukrainer mit Kühlschränken und Waschmaschinen zu bewerfen, wenn einem die Munition ausgeht. Ich weiß von einem Fall, auch schon über 40 Jahre her, in dem eine kleine, überaus hässliche, sehr einfältige, aber, was man ihr nicht ansah, unglaubliche starke Frau (die kein Problem damit hatte, vier Bierkästen auf einmal zu tragen oder auch mal einen renintenten Mann zu verprügeln) dem Irrtum unterlag, dass die Polizei, die vor dem Haus auffuhr, und von ihr eigentlich gar nichts wollte, sondern wegen etwas völlig anderem zu einer Nachbarwohnung wollte, gekommen sei, um ihren Verlobten abzuholen, gegen den, das sei zum Verständnis angemerkt, mehrere Haftbefehle vorlagen. In ihrem Ansinnen, ihren Verlobten zu verteidigen und vor Festnahme zu schützen (der, was sie in der Hektik nicht bemerkte, gerade nicht da war, die Aktion also zwecklos war), fing sie an, mit ihren Bärinnenkräften die Polizei und deren Autos, die vor dem Haus standen, aus einem der höheren Stockwerke mit allem zu bewerfen, was sie greifen, lösen und heben konnte. Und nachdem da alles raus war, was irgendwie beweglich war und offen rumlag, riss sie eine Lampe von der Decke, und warf mit einem Waschbecken und der Waschmaschine aus dem Bad. Es hieß damals, eine Waschmaschine aus dem (weiß nicht mehr genau) dritten Stock würde beim Aufschlag auf ein Polizeiauto bleibenden Eindruck hinterlassen. Selbst das herbeigerufene SEK hatte weder Taktik noch Rüstung parat und musste warten, bis ihr die Munition ausging. Es hieß, sie habe danach einige Zeit an einem Ort verbracht, an dem das Mobiliar fest angeschraubt ist und die Fenster so vergittert sind, dass keine Waschbecken durchpassen. Nicht am Stück.

Insofern hat meine Phantasie etwas Stauraum und die ein oder andere Ausstülpung, was den Einsatz von Waschmaschinen in der modernen Kriegführung angeht. Gerade mit den Induktionskanonen wären die sicherlich toll, wenn die heute nicht Bottiche aus Plastik hätten. Stellt Euch das Gesicht der Beworfenen vor, wenn da auf einmal Waschmaschinen angeflogen kommen. Vielleicht auch mit einem antiken Katapult, einem Onager.

Vor wenigen Wochen haben NATO und der britische Geheimdienst unabhängig voneinander bestätigt, dass in Russland Ausrüstung und Munition werden knapp. Teilweise soll die russische Armee im Oktober bis zu 40 Panzer pro Tag verloren haben. Um die Verluste aufzufangen, werden demnach Panzer in Belarus zugekauft.

Auch bei präzisionsgelenkter Munition soll der Bestand stark geschrumpft sein, also bei modernen Lenkwaffen wie Marschflugkörpern. Die werden beim Angriff auf die Ukraine schon seit einiger Zeit nur noch spärlich eingesetzt. Stattdessen greift die russische Armee aktuell immer wieder mit Raketen an, die eigentlich für die Luftabwehr gedacht sind.

Die Ursache ist kein großes Geheimnis: Das US-Verteidigungsministerium hatte bereits im Mai berichtet, dass die russische Armee in den ersten Kriegstagen und Wochen viele präzisionsgelenkte Raketen “verbrannt” habe. Und für den nötigen Nachschub sollen wegen der Sanktionen wie bei Panzern wichtige Bauteile fehlen. Denn auch Marschflugkörper benötigen moderne Chips, damit sie zuverlässig ihr Ziel finden. Diese stammen aber in vielen Fällen aus Europa oder den USA. Material, auf das Russland nicht länger zurückgreifen kann.

Stattdessen werden anscheinend Haushaltsgeräte ausgeschlachtet. Denn auch darin sind Chips verbaut, die man anscheinend für Drohnen, Panzer und Raketen nutzen kann. “Uns liegen Berichte vor, dass Ukrainer russische Militärausrüstung im Kampfgebiet finden, die mit Halbleitern aus Geschirrspülern und Kühlschränken gefüllt ist”, hatte US-Handelsministerin Gina Raimondo schon im Mai erklärt.

Wie sieht man einem Chip an, dass er aus einer Spülmaschine stammt?

Über das Modell? Die Charge? Die Seriennummer?

Kommt mir alles etwas seltsam vor, weil die Steuerung einer Rakete doch ein bisschen was anderes als die einer Spülmaschine ist, vor allem viel zeitkritischer und rechenkomplexer.

Oder geht es vielleicht eher um Leistungsschalter? In den Maschinen müssten ja die Controller die Heizung und die Pumpe schalten, das geht ja nicht direkt. Würde mich dann schon mal interessieren, um welche Bauteile es geht.

Allerdings stellt sich mir da eine andere Frage.

Denn auch Raspberry Pis und ähnliches Zeug waren lange Zeit gar nicht oder nur mit Schwierigkeiten zu haben. Ob wir überhaupt eine Chipkrise hatten, das war mir nämlich auch nie so völlig klar, warum wir die eigentlich haben, oder ob die von den Amerikanern künstlich erzeugt wurde, weil sie vorher wussten, was die Russen vorhaben, und dass die dafür Chips brauchen. Wäre es also denkbar, dass bei uns die Autoproduktion still stand oder Autos unvollständig ausgeliefert werden mussten, weil man den Russen die Vorbereitung und Nachschubproduktion erschweren wollte?

Um aber auf die eigentliche Frage zurückzukommen, was in der Waschine denn jetzt so raketenwichtig ist:

Weiß ich nicht.

Ich hätte nicht gedacht, dass in Waschmaschinen überhaupt noch Prozessoren stecken, die man einfach so auslöten und für etwas anderes verwenden kann. Früher waren die auch “fused”, also in einem Zustand versetzt, der eine Umprogrammierung unmöglich machte. Zugegeben, heute kann alles Firmwareupdate, ist mir bei Waschmaschinen und Kühlschränken aber noch nicht begegnet.