Darf man die Vagina als Scheide bezeichnen?
Leser fragen – Danisch ergreift die Flucht.
Immer, wenn man denkt, es müsste eigentlich langsam mal der Punkt erreicht sein, an dem es nicht mehr viel blöder geht, setzen sie noch einen drauf.
Ein Leser macht mich darauf aufmerksam, dass ein gewisser Ulrich Seidler, Kulturjournalist und Theaterkritiker, also so aus der Gattung Berufsschwätzer, bei der Berliner Zeitung die Frage erörtert, ob man die Vagina als Scheide bezeichnen dürfe.
Ach, Du liebe Zeit.
Ich will vorausschicken, dass ich die sonstigen Artikel dieses Autors nicht kenne und mich nicht nur nicht in der Lage sehe, noch darüber zu rätseln, ob der das Ernst meint oder das Satire sein soll, sondern ich mich – wie schon so oft dargelegt – auch nicht mehr mit der Unterscheidung zwischen Ernst und Satire aufhalte, weil sie das erfahrungsgemäß sowieso immer erst hinterher festlegen. Sie reden irgendeinen Mist, und wenn es Punkte bringt, war es ernst, und wenn es dumm läuft, sagen sie „war Satire, hast Du das nicht gemerkt?“.
Eine kleine Analyse der unbewussten Verrenkungen, die eingefleischte Mansplainer anstellen, um ihre Besessenheit vom weiblichen Geschlechtsorgan zu bemänteln. […]
Das Wort Scheide ist, um es gleich zu sagen, irreführend und ungeeignet bis abwertend, wenn man über die Vagina sprechen möchte. Eine kleine Analyse offenbart die interessanten unbewussten Verrenkungen jener, die das Wort benutzen. Wer nur ein wenig länger darüber nachdenkt, wird merken, dass er das Wort Scheide in dem hier behandelten Zusammenhang nicht mehr sagen kann, ohne ein Mansplainer zu sein, also jemand, der Frauen erklärt, was er besser als sie zu wissen glaubt.
Ich will’s mal so sagen: Nur weil man eine Frau ist, hat man nicht automatisch und qua – feminitisch sowieso bestrittener – Geburt das besser und ausschließliche Wissen, denn sonst gäbe es keine Gynäkologen und wäre die Pille nicht von einem Mann erfunden worden. Ich bin auch kein Pferd, und weiß einige Dinge über Pferde, die Pferde selbst nicht wissen. Und über Männer wollen Frauen ja auch immer alles besser wissen. Ständig belehren uns Feministinnen über Männlichkeiten. Und nicht nur kennt normalerweise bei einem Paar der Mann ihre Scheide, zumindest optisch, besser, als sie selbst, aus naheliegenden Gründen, es sind auch oft die Männer, die ihre Frau zum Arzt schicken, weil sie merken, dass irgendwas nicht in Ordnung ist. Davon ganz abgesehen gibt es ja auch reichlich alleinerziehende Väter pubertierender oder unterpubertärer Töchter, die da in Sache Erklärung und Aufklärung eindeutig in Zugzwang sind. Und schließlich kann jeder Mansplainer sich vorrübergehend zur Frau erklären. Was soll also der Blödsinn?
Gemeint ist mit Scheide das innere weibliche Geschlechtsorgan, und damit fängt es schon an. Denn ausgeblendet wird die Vulva, also alles, was man von außen sehen kann: die inneren und äußeren Vulvalippen (wir schreiben hier aus naheliegenden Gründen nicht von Schamlippen), die Klitoris, der Venushügel, der Eingang zur Harnröhre sowie der zur Vagina. Der Begriff Scheide reduziert das weibliche Geschlechtsorgan auf sein Inneres. Da wird sprachlich und gedanklich schnell das Licht ausgeknipst, bevor man zur traditionellen heterosexuellen Vereinigung schreitet, die, fürchte Gott, in nichts anderem als der Penetration zu bestehen hat, schließlich lässt man die sexuell viel empfindsameren Körperteile der Frau begrifflich völlig außer Acht.
Sogar als Satire wäre das noch Schwachsinn. Warum soll man keine Begriffe für die inneren und äußeren Teile haben? Man kann ja auch „Eierstöcke“ sagen, ohne die Ohren mit zu meinen. Oder „Dieselmotor“, ohne den Warnblinker zu meinen. Ich rede ja auch von meinem Magen, ohnen damit die Zähne zu meinen. Wenn man so anfängt, ist man schnell an dem Punkt, an dem es für den Mensch nur noch einen einzigen Begriff ohne jegliche Unterscheidung oder Differenzierung geben darf. Wodurch wird solcher Schwachsinn verursacht? Sprechtheorie der Geisteswissenschaftler, die jedem Böses unterstellen, der Begriffe schafft, die Unterschiede in die Welt schaffen. So war es in der Konsequenz von deren Sektenideologie schon bitterböse, Namen für Farben zu erfinden, weil wir erst dadurch in der Lage sind, das eine Auto rot und das andere blau zu nennen und uns plötzlich die Unterschiede erkennen, es uns wie Schuppen von den Augen fällt, dass die unterschiedlich aussehen, und dadurch erst die Möglichkeit geschaffen wird, dass das rote Auto das blaue diskriminieren oder wir eines vorziehen könnten. In einer gerechten sozialistischen Welt gäbe es solche Unterscheidungen nicht, und sie wäre für Autos gerecht. Deshalb gab es keine roten Trabbis. Und so ist jeder ein mansplainerischer frauenverachtender Schuft, der mit Begriffen daherkommt, die am weiblichen Genital innen und außen unterscheiden, damit die Vulva gegen die Vagina ausspielen.
Fast noch schlimmer und geradezu pervers ist die zweckbestimmende Semantik des Wortes Scheide. Es handelt sich um eine Metapher aus der Waffenkunde vor der Erfindung des Schießpulvers. Eine Scheide ist dazu da, die Klinge eines Schwerts oder eines Degens aufzunehmen. Hier lauert die Abwertung, denn damit ist insinuiert, dass es eine Scheide nur deshalb zu geben braucht, weil es Schwerter gibt.
Mal so rein biologisch gefragt: Wozu sonst sollte es sie geben? Welchen Zweck sollte es biologisch oder evolutionär haben, Scheide, Gebärmutter, Eierstöcke zu entwickeln, wenn es keinen Penis gäbe?
Tut mir leid, wenn Ihr es von mir erfahrt, aber das Ding hat wirklich keinen anderen Zweck, nur den einen. Penis rein. Kind raus. Letzteres nicht ohne ersteres, Kausalzusammenhang. Zu nichts sonst ist das Ding gut. form follows function.
Wieso, was dachtet Ihr denn, wofür das Ding da ist? Welchen evolutionären Zweck es hat, all den Aufwand zu treiben und die massiven Nachteile und Belastungen einzugehen, die mit der Menstruation verbunden sind, wenn nicht dafür?
Dachtet Ihr, das Ding ist zur Verzierung da?
Wenn man nun im Bild bleibt und das Schwert als Phallus versteht, stellt sich allerdings die Frage, wo bei dem Ganzen auch die männliche Sexualität bleibt? Denn das Schwert wird eigentlich nur weggesteckt, wenn es nicht gebraucht wird und ruhen soll. Seine Erfüllung findet es gezückt und entblößt außerhalb der Scheide, indem es seine Klinge mit anderen kreuzt. Der Schwertkampf kann innerhalb unserer Metapher also nicht anders denn als eine homoerotische, hoffentlich spielerische Konfrontation verstanden werden. Ist diese Sache erledigt – und hier zeigt sich eine weitere Schwäche der Metapher –, verliert im Gegensatz zu einer stählernen Klinge der Phallus an Härte. Versuchen Sie mal, eine tote Schlange in eine Schwertscheide zu bugsieren.
Ah, Theaterkritiker. Theaterkritiken wirken auf mich genauso dämlich.
Jetzt ist es doch wieder so anschaulich geworden. Pardon! Was sagt man also, wenn man seinen kleinen Kindern das Waschen des Intimbereichs beibringt? Hier empfiehlt es sich, die Dinge beim korrekten Namen zu bezeichnen und keine falsche Scham walten zu lassen. Ein Sohn wasche seinen Penis, eine Tochter ihre Vulva. So wie man seine Hände wäscht und nicht die Greiferchen oder Patschepfötchen.
Und welche Begriffe wären geeignet, um die Sehnsucht und das Wonneversprechen von Geschlechtsorganen zu besingen? Hier zieht sich der Ratgeber zurück und überlässt die Leserinnen und Leser ihrer Fantasie, Vorstellungskraft und Wortfindungsfreude beim Liebesspiel. Freiheit für die Zunge!
Was wäre das Wort der Wahl? „Tochter, wasch Dir das Loch!“ vielleicht?
Oder „Erst nach außen stülpen und dann gründlich abspülen“?
Was für ein Schwachsinn.
Vor allem ist die Frage, ob man die Vagina Scheide nennen darf, mal wieder so völlig ungebildet. Vagina ist nämlich lateinisch und heißt auf deutsch – Überraschung – Mantel, Hülle, (Schwert-)Scheide. Beruhend auf demselben Gedankengang nach Funktion, Form und Aussehen. Da gilt nicht nur form follows function, sondern name follows form and function. Und die haben das Ding nach seiner Form und Funktion benannt, weil es eben der Schwertscheide gleicht: Lang, dünn, flach, und das Schwert passt rein.
Wer also meint, Vagina sei richtig und Scheide sei falsch, weil Scheide ja das Schwertfuteral meine, dem fehlt es so sehr an Bildung, dass er eben Theaterkritiker oder Kulturjournalist oder sowas werden muss.
Solche Unkenntnis ist im Feminismus aber verbreitet. So behaupten sie ja überall, dass „Gender“ eben nicht das angeborene, sondern das soziale Geschlecht meine, übersehen dabei aber, dass das Wort Gender von lateinisch Genus kommt, und das Wort Geburt, Rasse, Art bedeutet, aus dem Griechischen übernommen, heißt gebären. Deshalb ja auch genetisch, Genesis und so. Wenn Feministen also sagen, Gender bezeichne das soziale Geschlecht, es gäbe kein genetisch bedingtes Geschlecht, dann reden sie diametral Blödsinn, denn Gender und genetisch haben denselben Wortstamm.
Alles nur noch willkürliches, ungebildetes, dummes Geschwätz. Die Leute blubbern nur noch, ohne zu wissen, was sie reden.
Ist aber nicht nur da so. Ich bin mal mit meinem Professor damals aneinandergeraten, weil ich auf einer Vortragsfolie geschrieben hatte, dass Kryptographie die Kunst und Wissenschaft von der … sei. Da wurde der stinksauer und fuhr mich an, dass die Kryptographie eine Technik und keine Kunst sei. Meine Antwort war, dass Technik griechisch ist und auf deutsch Kunst heißt.
Bildung, das Wissen über Begriffe, deren Herkunft und Bedeutung, ist heute Mangelware.
Und ausgerechnet die Leute, die am wenigsten Ahnung von Sprache und ihren Begriffen haben, ausgerechnet die maßen sich an, uns darin umerziehen und belehren zu wollen.
Alles so unfassbar blöd, so maßlos traurig. Zeitung kann weg.