Ansichten eines Informatikers

Nochmal zu Juggernaut

Hadmut
13.11.2022 9:25

Leserzuschriften zur Bombenentschärfungsszene

Hallo,

Juggernaut

Den Film hab ich mit 10 oder 11 gesehen und fand ihn ziemlich interessant. Geärgert habe ich mich allerdings über die dumme Handlungsstrategie
des Entschärfers: Wenn der Bombenleger nicht gelogen hätte, hätte er mit dem falschen Draht die Bombe gezündet und hätte nichts mehr sagen
können. Dann hätten die anderen Entschärfer geschlußfolgert, daß der angegebene Draht des Bombenlegers der falsche gewesen wäre und hätten
ebenfalls den anderen durchtrennt. Hätte der Bombenleger dies nun als Strategie berücksichtigt, hätte er das gesamte Schiff sprengen können und
dann sagen: “Wieso, ich hab doch den richtigen angegeben” – gut, er hätte es auch nicht mehr beweisen können, aber das Schiff wäre durch.

Mit freundlichem Gruß,

Ja, das hat mich auch als Kind schon gestört. Vorher sprechen sie in einer Szene über die Sprechverbindung jedes Detail, jede Vierteldrehung einer Schraube ab, damit die anderen im Falle einer Explosion wissen, warum es Bumm gemacht hat, und dann schneidet der einfach einen Draht mit einer 50%-Chance durch ohne zu sagen, was er tut, und weicht auch noch von der Anweisung des Bombenlegers ab, ohne das den anderen zu sagen.

Das hat mich auch damals schon gestört. Das Problem ist: Hätte er es professionell angesagt, wäre die Spannung weg gewesen. Das waren halt damals so die Filmelemente der Dramatik, dass am Ende einer schreit „Den roten Draht, schneidet den roten Draht durch!“, „Soylent Green ist Menschenfleisch“ oder an der umgefallenen Freiheitsstatue ankommt.

Schon an sich diese Konstruktion typischer Filmbomben, die immer zwei – verschiedenfarbige – Drähte haben, die auch noch schön exponiert in der Luft herumstehen und einer entschärft, einer löst sofort aus, ist so grunddämlich. Kein vernünftiger Mensch würde eine Bombe so bauen, mir wäre nicht bekannt, dass das in der Realität jemals so gebaut worden wäre.

  • Warum eigentlich alle Bomben gleich? Wenn der doch die Entschärfung verhindern wollte, warum hat er dann nicht mal so und mal so gebaut? In der nächsten Bombe andersherum oder einen grünen und einen gelben Draht?
  • Man könnte ja auch den ganzen Film ruinieren, indem man zwei Drähte derselben Farbe einbaut.
  • Warum immer zwei? Warum nicht 20?
  • Waurm sind die Bomben überhaupt alle exakt gleich? Warum keine Variationen? Man würde das doch so bauen, dass wenn einer etwas erfolgreich entschärft und der andere es exakt nachmacht, bei dem dann die Bombe hochgeht. Gerade den unten beschriebenen Relaiskontakt hätte ich mal so und mal so gebaut.

Das Ding hat ja noch mehr Unlogiken. Warum sollte jemand, der sich vorher soviel Mühe gibt, vorne die Höllenmaschine zu bauen, hinten dann einfach zwei Drähte in die Luft hängen, von denen einer schreit „Schneid mich durch, denn der Film ist gleich zu Ende!“

Unlogisch ist auch die Sache mit der Klingel. Erst geht durch einen Zufall, das Schiff wackelt und er fällt, nicht der Held, sondern sein handlungsunwichtiger Kollege drauf und in die Luft, weil er einen Fehler macht, indem er die Kontakte eines Relais mit einem Plastikstreifen voneinander isolieren will, und nicht merkt, dass es eine Falle ist, weil die Kontakte mit einem hauchdünnen Drähtchen verbunden sind, das er damit durchtrennt, und man zur Entschärfung die Kontakte zusammenklemmen statt isolieren muss. Die Idee fand ich als Kind schon toll, aber auch das ist technisch falsch: Denn der Held klemmt erst die Kontakte mit einer Krokodilklemme zusammen (ich so als Kind begeistert, weil ich genau die gleiche auch hatte), und schneidet dann das ganze Relais als entschärft mit dem Seitenschneider raus. Wenn aber die Unterbrechung die Bombe auslöst, hätte dann die Bombe hochgehen müssen.

Dann kommt der Held an eine andere Falle und löst sie aus, aber statt dass die Bombe explodiert, geht nur – Kinosaalschocker – eine laute Klingel in der Bombe an und der Held meint lakonisch, der Bombenleger sei ein Scherzbold.

Warum aber sollte jemand, der eine solche Bombe baut, erst mit einer so pfiffigen Idee wie dem Relaiskontakt als Falle den Kollegen des Helden in die ewigen Jagdgründe schicken, dann aber eine andere Falle einbauen, bei der nur eine Klingel angeht und nicht die Bombe explodiert? Das ist doch von vornherein eine Kinosaalspannungsbombe und ergibt ansonsten keinen Sinn.

Es hat mich als Kind aber so beeindruckt, dass ich versucht habe, den „Klöppelzünder“ nachzubauen. Heute glaube ich nicht, dass es sowas überhaupt gibt, dass das nur eine Konstruktion für diesen Film war. Aber damals habe ich versucht, mit Haushaltsmitteln sowas nachzubauen, und habe ein Tablettenröhrchen (früher gab es Tabletten noch in Aluminiumröhrchen mit Schraubverschluss, die wir im Werkunterricht in der Schule verwendet haben, um mit Backpulver kleine Boote mit Raketenantrieb zu bauen) auf eine Feder montiert und innen verschiedene Sachen als Klöppel ausprobiert, Schrauben, Kugeln aus Alufolie auf einem Draht, hat aber alles nicht so funktioniert, wie ich mir das vorgestellt hatte. Zumal es den im Film bei dem Schiff sowieso durchgeschüttelt hätte, auch wenn sie dazu sagen, dass er nur grob eingestellt sei, damit er von den Schiffsbewegungen nicht auslöst, und dann zappelt da dieses nervöse Ding herum.

Was mir beim erneuten Sehen gestern auch penetrant auffiel: Nur ganz wenige Szenen sind tatsächlich auf oder an einem Schiff gedreht. Die meisten Szenen sind Studioaufnahmen, bei denen sich gar nichts bewegt, aber der Kameramann die Kamera komisch schaukelt, damit es aussieht, als würde sich das Schiff bewegen, und hinter den Fenstern ein Film vom Meer projiziert wird. Die Bewegungen sind aber ziemlich unnatürlich für ein Schiff, eher als würde mit dem Geländewagen durch schweres Gelände fahren.

Ein anderer Leser weist aber auf etwas hin, worüber ich noch nicht nachgedacht hatte – aber es stimmt:

Hallo Hadmut,

der Grund weshalb der Spezialist vom Kampfmittelräumdienst nicht den durchgesagten Draht durchtrennte, lag in meiner Erinnerung nicht daran, dass er dem Ex-Kollegen schlicht nicht traute. Juggernaut hatte aber die Anweisung in einer verdächtigen zeitlichen Abfolge wiederholt und dass hatte Misstrauen erzeugt. Der Kampfmittelräumer schloß daraus, dass für Juggernaut der Knall noch nicht erfolgte, mit dem er fest rechnete.

Viele Grüße

Da muss ich mir die Szene nochmal anschauen, ob der festgenommene Bombenleger, der da an der Sprechverbindung steht, und nach einiger Zeit wiederholt „Schneiden Sie den blauen Draht durch!“ wissen konnte, dass der Held noch gar nichts durchgeschnitten hatte. Denn hätte er die Wahrheit gesagt, und der blaue Draht würde die Bombe entschärfen, wüsste er ja gar nicht, ob der Held ihn schon durchgeschnitten hat oder noch zögert. Nur wenn der blaue Draht zur Explosion führt, konnte der Bombenleger an der Sprechverbindung wissen, dass der Held den blauen Draht noch nicht durchgeschnitten hat.

War das aber die Intention des Drehbuchs?

Und was ich auch nie verstanden habe: Warum rätseln die in so vielen Filmen immer, ob sie den blauen oder den roten Draht durchschneiden müssen, und ziehen nicht einfach die Zündkapsel aus den Dynamitstangen?

Und wie hieß nochmal der Film mit der Bombe mit neurotischer Persönlichkeit, mit der man diskutieren musste, ob sie explodieren will, und die sich dann für den Suizid durch Zündung entschied?