Ansichten eines Informatikers

Augen auf bei der Studienfachwahl

Hadmut
14.11.2022 23:03

Vom Bereuen.

Ein Leser schreibt:

Hi Hadmut,

als News zum Zustand des Bildungssystems will CNBC rausgefunden haben, dass ganze 44% aller Absolventen später die Wahl ihres Fachs leid tun würde https://www.cnbc.com/2022/11/12/the-top-10-most-regretted-college-majors.html. Die wegen falscher Fachwahl vorher abbrechen kämen noch dazu.

Besonders schlecht schneiden Journalismus und Soziologie ab.

Wenn du heute nochmal am Studienanfang stehen würdest, welches Fach würdest du wählen, würdest du überhaupt ein Studium beginnen?

Viele Grüße und weiter so mit dem Blog

Dass die Leute bereuen, Journalismus oder Soziologie gewählt zu haben, ist klar. Die gehören zu den Studiengängen, bei denen man hinten blöder rauskommt, als man vorne reingegangen ist, dann noch als Idiot dasteht. Mit einem Studium in Soziologie wird man doch für den Rest des Lebens nicht mehr ernst genommen, und Journalismus ist auch nur noch Geschwätz. Und in den USA hat man dann noch einen Stapel Schulden obendrauf.

Was ich heute wählen würde?

Schwere Frage. Vor allem unklare Frage.

Wenn ich wieder 20 wäre und im Jahr 1986 ein Fach wählen sollte, nur mit dem Wissen von heute?

Oder wenn ich 20, aber im Jahr 2022 wäre, mit dem Wissen des 56-Jährigen?

Sagen wir es mal so:

Die Frage, wo ich falsch abgebogen bin, habe ich mir oft gestellt. Aber eigentlich bin ich das nicht. Ich bin nicht falsch abgebogen, mir ist einer draufgefahren.

Im Jahr 1986 war es sicherlich richtig für mich, mit meiner Persönlichkeit, Informatik zu studieren. Denn das Fach hat mir ja unbändigen Spaß gemacht.

Eine Frage wäre eher, ob ich nochmal an die Uni Karlsruhe gehen würde. Die Frage habe ich mir oft gestellt. Denn die hat sich ja als durch und durch kriminell, verlogen und weitgehend inkompetent herausgestellt, obwohl sie damals einen so guten Ruf hatte. Die wären ja das organisierte Verbrechen gewesen, wenn sie irgendwas organisiert bekommen hätten. Allerdings muss ich sagen, dass die anderen Universitäten wohl auch nicht besser sind oder waren, ich die nur nicht so gut und in den Tiefen kannte, wie Karlsruhe.

Außerdem muss ich sagen, und habe das ja auch schon früher gesagt, weil Leute das für einen Widerspruch halten, dass ich einerseits mein Studium gut fand, die Professoren und die Universität aber für so dumm, inkompetent, kriminell, unfähig, hochstaplerisch, dass die Qualität meines Studiums nur zum Teil auf der Qualität der Universität beruht, einige der Professoren als Fachfremde zumindest in der Lage waren, ihren persönlichen Fachaspekt darzustellen, wenn schon keine Vollblutinformatiker. Wir waren damals aber eine richtig gute Mischung aus Studenten und Mitarbeitern, die Generation, die mit dem C64 usw. aufgewachsen und als erste so richtig Kontakt zum Internet und der modernen Informatik hatte, und die erstmals auch so richtig problemarm an die Bücher aus den USA kam und Internet hatte und nutzte, zu meiner Zeit kam ja damals gerade der Amazon Bücherdienst auf, bei dem man – unerhört! – Bücher über eine Webseite bestellen konnte und die dann 6 Wochen später bekam, billiger und viel einfacher als im Buchgeschäft. Wir waren eine richtig tolle Mischung.

Wir waren richtig gut.

Und wir hatten verdammt viel Spaß.

Und das würde ich – trotz des vielen Ärgers, den mir diese Universität gemacht und des riesigen Schadens, den sie mir zugefügt hat, und trotz ihrer Professoren – nicht missen wollen. Die Professoren waren so dreckig, aber die Mitarbeiter, die Kollegen, die Studies, die waren so eine verdammt gute Mischung. Und das ist mir auch klar geworden, als ich Jahre später mal in einer Rechtsabteilung gearbeitet und gemerkt und beobachtet habe, wie Juristen miteinander umgehen, und gehört habe, was die über ihr Studium erzählen, wie die sich da auch gegenseitig in die Hacken treten. Wie mir Bibliothekare erzählten, dass die Juristen sich gegenseitig die Bücher verstecken oder die wichtigen Seiten rausreißen, um sich Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Sowas gab es bei uns nicht. Informatiker – meines Jahrgangs, das sieht bei anderen anders aus – waren so ein richtig toller, angenehmer Haufen, und mit einigen bin ich ja heute noch befreundet und in Kontakt. Da sind Freundschaften entstanden, die seit 30 Jahren bestehen.

Deshalb fällt es mir auch schwer zu sagen, ich wäre nicht an die Uni Karlsruhe gegangen, weil ich dann ja nicht an dieses Team, diese Freunde gekommen wäre.

Was natürlich ein logischer Fehlschluss ist, weil ich damit die Sache a posteriori und im Nachhinein betrachte und nicht aus der Position dessen, der sich erst entscheiden muss und nicht weiß, was auf ihn zukommt. Wer weiß schon, wie es mir an einer anderen Universität ergangen wäre. Vielleicht wäre ich woanders niemals auf dieses Gebiet IT-Security/Kryptographie gekommen, was ja auch in Karlsruhe nur ein Zufall und nicht meine geplante Absicht war. Vielleicht hätte ich etwas völlig anderes gemacht. Man weiß es nicht.

Sicherlich hätte ich – mit dem Wissen von heute – die Sache mit der Promotion ganz anders angegangen. Hinterher ist man immer schlauer. Ich wüsste heute, dass ich den Professor so richtig hätte erpressen müssen und auch wie, was mir damals völlig wesensfremd gewesesen wäre, und hätte Leiberich direkt sagen sollen, dass wenn er mir in die Quere kommt, ich seinen BND- und DDR- und Schweizer-Drecksladen gleich öffentlich mache.

Hätte ich damals das Wissen, das Blog, die Bekanntheit von heute gehabt, hätte ich Beth stückenweise vernichten können, indem ich einfach deutsch und englisch jede Woche einen der vielen absurden Fehler und Falschbehauptungen seines Gutachtens publiziert hätte. Einen selbstverliebten Narzissten und Psychopathen wie ihn hätte das schier zerrissen. Ich war damals aber einfach noch nicht der Mann und die Internet-Person, die sich dagegen hätte wehren können. Blogs gab es noch nicht, Social Media auch nicht, nicht mal private Webseiten, auch nicht deren Leser. Deshalb ist das eigentlich nicht zu beanworten, was man heute anders machen würde, wenn man nochmal in der Situation von damals wäre.

Studiengang heute

Was aber wäre, wenn ich mit dem Wissen von heute, des 56-Jährigen, nochmal 20 wäre und mich jetzt für einen Studiengang entscheiden müsste?

Die Frage ist nicht zu beantworten, weil zu hypothetisch. Schon aus öknomischen Gründen vermutlich Informatik, auch wenn mir der Gendermist heute gar nicht mehr gefällt, denn wenn ich mein Wissen von heute hätte, könnte ich es ja schon und könnte im Eiltempo durch das Studium galoppieren.

Die Frage ist eher: Angenommen, ich würde heute anfangen zu studieren, würde ich dann erwarten, in 12 oder 14 Semestern mit diesem Studium noch etwas anfangen zu können? Eher nein. In den USA geht das schon los, dass die auf ein Studium nichts mehr geben. Hier ist es noch relativ kostenlos, dort kostet es monströs viel Geld.

Man könnte sich durchaus, wenn man das Geld hat, auf das Abenteuer einlassen, nicht an die Uni zu gehen und stattdessen für Weltkoryphäe für irgendein Spezialthema zu werden, indem man sich reinarbeitet und Bücher schreibt, workshops gibt und so weiter.

In Südamerika gibt es einen Typen, der von kleinauf nichts macht, als in Software Sicherheitslöcher zu finden, und der im Teen-Alter seine erste Million an Bug-Bountys zusammen hat.

Es gibt Leute, die sind steinreich geworden, indem sie irgendeine Pornoplattform programmiert haben, ohne jemals Informatik studiert zu haben.

Informatik ist heute so büchertauglich, dass man das außerhalb einer Universität im Selbststudium besser lernen kann, wenn man hart genug ist und den formalen Abschluss nicht braucht. Andererseits hat sich die Informatik – ich habe es oft beschrieben, dass man sich heute vorrangig mit APIs, Biblioheken, ständig wechselnden Sprachen und sowas rumärgert und keine Informatik im eigentlichen Sinne mehr treibt – so verändert, dass sie mir heute auch keinen oder nur noch bedingt Spaß macht. Die tollen Jahre sind vorbei.

Bei Medizin ist das sicherlich anders.

Auch interessiert hätte mich Luft- und Raumfahrttechnik, aber ich weiß nicht, wie da die Jobaussichten sind.

Die Frage ist heute auch nicht so sehr, was man studiert, weil sowieso nur noch wenige das machen, was sie studiert haben, sondern in welches Land man damit geht. Für den weit größeren Fehler als an der Uni Karlsruhe gelandet zu sein, halte ich es heute, überhaupt in Deutschland geblieben zu sein. Viele ausländische Professoren sagten mir auch, dass so ein Promotionsding wie meines im Ausland nicht vorkommen könnte, da würde man auf unterschiedlichen Wegen einfach vermeiden, dass so etwas passiert. Diese seltsame Mischung aus Inkompetenz, Korruption, Dummheit und Überheblichkeit finde man so nur in Deutschland. Die meisten sagten mir, dass man sowas in ihrem Land hinter verschlossenen Türen geklärt und sich die Argumente angehört hätte. Etwas völlig anderes sagte mir der Japaner. Dort hätte zwar der Doktorand überhaupt keine Chance gegen seinen Doktorvater, da ginge es nicht um Recht und Fach, sondern nur um Rang und Korruption. Allerdings wäre es dort völlig unmöglich, dass ein Professor sich die Blöße gäbe, es überhaupt zu so einer Situation kommen zu lassen. Zwar hätte man als Doktorand keine Chance, sich zu wehren, aber der Tonfall, in dem er mir das beschrieben hat, war so, dass die Fakultät dem Professor für sowas die Erlaubnis gegeben hätte, feierlich Sepuku zu begehen.

Ich würde mir also ein Land suchen, in dem es nicht so korrupt, oder zumindest nicht so einseitig korrupt wie in Deutschland zugeht, und in dem es einem nicht so erschwert wird, ein Unternehmen zu gründen, die Steuern, die Abgaben, die Bürokratie nicht so hoch sind. In dem man gefördert und nicht ausgebremst und sabotiert wird. Und dann irgendein Unternehmen gründen, ein Startup machen. Deshalb wäre vielleicht auch ein MBA von vielleicht zwei, drei Semestern kein Fehler. Und auf jeden Fall ein Land, in dem Englisch gesprochen wird, weil das der Standortvorteil schlechthin ist. Gut, flüssig, eloquent, vollständig Englisch zu sprechen und im englischen Sprachraum verankert zu sein, ist ein ganz enormer Marktfaktor.

Keine zehn Pferde würden mich heute am Berufsanfang, mit dem Wissen von heute, noch in Deutschland halten. Studieren vielleicht noch, weil kostenlos. Aber gerade im Ausland haben Studienabschlüsse oft an Bedeutung verloren, wenn man nicht gerade Arzt oder Jurist werden will und den nachweisen muss.

Man muss sich heute wirklich die Frage stellen, ob sich das Studieren noch lohnt, oder ob man in derselben Zeit nicht mehr erreichen kann, indem man im Selbststudium lernt und eine Firma hochzieht.

Ich habe neulich einen Bericht über die in der Elektronik-Bastel-Szene sehr bekannte Firma Adafruit gesehen, über die ich bisher nichts wusste, außer ihre Produkte zu kennen. Gegründet von einer Frau, die am MIT studiert hatte und ihr dort erworbenenes Wissen in Technik und Geschäftsführung einfach direkt umgesetzt hat. Die hat das genau richtig gemacht.

Beim Grübeln über die Frage, ob ich es falsch gemacht habe und was, kam ich aber zu dem Schluss, dass so eine Gründung in Deutschland schlicht nicht möglich gewesen wäre, und das sagen ja viele, dass sie erst in die USA mussten, um ihre Geschäftsidee umsetzen zu können, dass das in Deutschland einfach nicht ginge. Ähnlich Facebook. Ähnlich Google. Die haben damals auch nur mit Wasser gekocht. Die Google-Gründer waren bestimmt nicht genialer als wir, und Zuckerberg war eher skrupellos und dreckig als genial. Aber dort lief es eben, wurden die Leute vom Staat, Gesellschaft und Universitäten gefördert und unterstützt, während man hier bei uns nur Knüppel zwischen die Beine bekommt und die Professoren so korrupt und intrigant sind, dass sie alles verhindern, was nicht unmittelbar in ihre Taschen fließt.

Der Fehler ist, in Deutschland zu bleiben.

Mehr denn je.

Der Punkt ist also nicht so sehr, was ich heute studieren würde, sondern wie und wo.

Früher war das Studium die Weichenstellung für die Berufswahl für das Leben. Zur Zeit meines Vaters war das noch so, dass man sich für ein Studium entschieden hat und nach dem Studium spätestens mit dem zweiten Job in eine Firma eingetreten ist und dort bis zur Rente blieb, also aus der Studienwahl der ganze Lebenslauf folgte.

Heute dagegen muss man flexibel, wechselfähig, anpassungsfähig sein. Und ich glaube nicht, dass man das in Deutschland, zumindest als Mann, der nicht qualifikationslos überall „quereinsteigen“ und von diesem Dummenkult und dieser Inkompetenzanbetung profitieren kann, noch kann.

Bis vor 10, 15 Jahren wären die USA noch das Land der Wahl gewesen. Inzwischen ja auch nur noch eine Klapsmühle. Zu meiner Zeit galt da noch die Regel, dass man mit dem Einkommen eines Informatikers in 3 bis 4 Jahren ein schönes Haus mit Garten abbezahlt haben könnte. Was man eigentlich nicht brauchte, weil man mit den Aktienoptionen, die man damals noch bekam, sowieso bald Multimillionär werden und mit spätestens 40 in Rente gehen konnte. Heute gibt es da Leute, die 400.000 Dollar im Jahr verdienen und sich keine Wohnung leisten können, im Auto oder Wohnmobil hausen müssen.

Ich glaube, dass man heute besser in einem der Länder dran ist, die nicht in erster Reihe stehen und gerade kaputt gehen, sondern ein, zwei Reihen weiter hinten, vielleicht so in zweite Welt, wo man mit überschaubarem und erreichbarem Geld noch eine Immobilie erwerben und ein ordentliches Leben mit Energieversorgung, Lebensmitteln, Medizin und Internetanschluss führen kann, und noch vernünftig und mit erträglicher Schikane, Steuerlast und Kosten und mit Fachkräften irgendeine Firma hochziehen oder aber mit kleinem Geld als Autor oder Freiberufler leben und sich das Leben angenehm machen kann.

Will sagen: Die Frage passt irgendwie nicht mehr in die Zeit. Der ganze Ansatz passt nicht mehr.

Ich würde vor allem raus hier. Dieses Land ist dem Untergang geweiht. Und jeder, der hier noch seine Lebenszeit investiert, ist der Geprellte.