Vom „Stillen Kündigen“ junger Leute
wie eine Gesellschaft den Bach runter geht.
Es gibt ja gerade riesige Diskussionen darüber, ob das Bürgergeld nun die Leute vom Arbeiten abhält oder nicht, gestern abend erst habe ich irgendeine Talkshow gesehen (war das Will im Ersten nach dem Tatort?), in der man das dämliche Grinsen einer Katja Kipping so auf den Wecker ging, das sie sofort aufsetzte, sobald jemand was sagte, was ihr nicht in den Kram passte. Ich kann Talkshows generell nicht leiden.
Da kam dann auh wieder das dumme Geblubber, dass die Ansicht der CDU, dass wer arbeitet der Dumme ist, „im Faktencheck durchgefallen“ sei, Deppenrhetorik, Dummes von Dummen für Dumme. Und der Kühnert war auch noch dabei.
ich hatte neulich schon erläutert, dass das die falsche Frage wäre, ob einer, der nicht arbeitet, tatsächlich netto mehr rausbekommt. Denn die Frage ist ja nicht, ob der, der arbeitet, netto dann ein paar Euro mehr hat, sondern ob es sich lohnt, für die paar Euro mehr 40 Stunden arbeiten zu gehen, die Gesundheit zu demolieren und sich krumm zu machen, und dazu vielleicht noch eine Stunde Fahrzeit, also noch 2 Stunden pro Tag, 10 pro Woche obendrauf zu tun, also 50 Stunden pro Woche zu arbeiten, zumal Arbeite zu gehen ja immer noch versteckte Kosten mit sich bringt, wie auch einige Leser dazu schrieben, beispielsweise das Auto, das sie nicht bräuchten, wenn sie nicht arbeiteten. Fortbildung, Bücher usw., ordentliche Klamotten.
Ich persönlich habe jede Menge Businessklamotten, Anzug, Krawatte, Hosen, Schuhe, Hemden, Bügeleisen, Bügelbrett, den ganzen Businessfaschingskram eben, den ich ausschließlich für den Beruf gebraucht und privat praktisch nie angezogen habe, der abeer nicht nur einen Haufen Geld und Kleiderschränke, sondern auch messbar Platz in der Wohnung gebraucht hat. Würde ich alles weglassen können, was ich ohne Erwerbstätigkeit nicht bräuchte, würde ich jede Menge Ausgaben sparen, die ich nicht mal von der Steuer absetzen kann. Anzug und Krawatte kann ich nicht absetzen (und selbst wenn, würde immer noch etwas mehr als die Hälfte der Kosten anfallen), und ohne Bürotätigkeit würde ich in der warmen Jahreszeit nur noch in Sandalen und kurzen Hosen rumlaufen. (Was ich, seit ich aus dem Büro raus bin, auch tatsächlich so getan habe). Selbst wenn man es locker modern angeht und nicht in Anzug und Krawatte, sondern in Jeans und Polo rumläuft – es muss trotzdem halbwegs nach was aussehen und sauber sein. Privat dagegen habe ich mitunter T-Shirts an, die über 20 Jahre alt und seither in regelmäßigem Gebrauch sind, damals halt sehr gute Qualität gekauft, die es hier nicht gibt, und die noch völlig intakt sind, aber halt nicht mehr so aussehen, dass ich damit noch ins Büro gehen würde. Schuhe und Jacke ähnlich.
Dann noch so Sachen wie Friseur, und was halt so anfällt. Oder eben die Fahrtkosten. Ich habe bislang ca. 700 Euro, etwas drüber, im Jahr für das Jahresabo BVG gezahlt. Das kann man zwar als Ausgabe von der Steuer absetzen, aber das heißt ja nicht, dass man das Geld erstattet bekommt, sondern nur, dass man das bei der Steuerberechnung abziehen kann, damit man auf diesen Teil des Gehaltes keine Steuern zahlt. Und im unteren Lohnbereich zahlt man halt deutlich weniger Steuern, kann da also auch weniger einsparen. Oder dass man den Kindern Geld für das Essen mitgibt, wo man ihnen auch selbst was machen könnte, wenn man zuhause wäre.
Auch die Wahl der Wohnung und damit die Miete hängen damit zusammen. Ich bin damals an einen verkehrsgünstigen, zwar nicht so schönen, aber vergleichsweise teuren Platz in Mitte gezogen, um schnell zur Arbeit zu kommen. Hätte ich aber nicht arbeiten müssen, hätte ich mir eine (damals) viel günstigere Wohnung draußen am Wasser genommen, wo ich zu Fuß und damit völlig kostenlos in den Berliner Gewässern baden, schwimmen, paddeln, segeln kann, und das bei (damals) deutlich niedrigerer Miete. Ohne Arbeit käme ich mit einem kleineren Schlafzimmer und einem Zimmer weniger in der Wohnung aus.
Und so läppern sich die versteckten Kosten. Selbst wenn man als Arbeitnehmer im unteren Gehaltsbereich ein paar Kröten mehr netto rauskommt, sind diese ganzen versteckten Nebenkosten und Aufwände dabei nicht berücksichtigt. Das ist also einfach Müll, wenn die da vom „Faktencheck“ faseln. Es gibt übrigens Länder, die genau aus dem Grund deutlich großzügiger bei dem sind, was man absetzen kann. Das wird in dieser Diskussion aber alles überhaupt nicht berücksichtigt. Die SPD erzählt dann, es wäre falsch, den Leuten zu unterstellen, dass sie ja nicht arbeiten wollten. Die wollten doch alle arbeiten.
Auf Vice.com gibt es einen schönen Artikel dazu: Warum Quiet Quitting so viele junge Leute anspricht
Quiet Quitting, das stille Kündigen, ist so eine Art innere Kündigung, bei der man sich im Job keinerlei Mühe mehr gibt und nur noch das tut, was unvermeidlich ist. Kategorie Dienst nach Vorschrift.
Ein Lehrer, eine Sexarbeiterin und ein Angestellter in einer Kreativagentur erzählen von der Ausbeutung im Job.
Ein Arbeitsleben ohne Stress. Das ist das Versprechen hinter Quiet Quitting, auf Deutsch: stilles Kündigen. Es meint, dass Arbeitnehmende nur noch das tun, was sie tun müssen. Keine Überstunden, keine unbezahlte Arbeit, nichts, was nicht explizit in ihren Aufgabenbereich fällt. Sie mögen ihre Jobs, sehen aber nicht mehr ein, dafür ihr Privatleben zu opfern.
Also klar, das klingt jetzt nicht neu, aufregend oder innovativ. Der “Dienst nach Vorschrift” meint etwas ähnliches und ist in Deutschland schon lange die kokette Bezeichnung dafür, dass man keinen Bock auf Arbeit hat. Und in manchen Branchen auch schon fast Teil der Jobbeschreibung, wie wohl jeder bestätigen kann, der einmal einen neuen Personalausweis beantragt hat. Warum geht Quiet Quitting also gerade jetzt so durch die Decke?
Das ist natürlich wieder ein neuer Standortnachteil für Deutschland.
Das Umfrageinstitut Yougov hat herausgefunden, dass 56 Prozent aller Menschen in Deutschland kündigen würden, wenn sie es sich finanziell erlauben könnten. 48 Prozent würden in Teilzeit wechseln, wenn sie dürften und 76 Prozent sind für eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. All diese Werte sind in den letzten zwei Jahren gestiegen. Kurz: Leute haben immer weniger Bock zu arbeiten.
Und genau in diese Situation kommen die mit dem Bürgergeld. (Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass das so stimmt, denn 56 Prozent aller Menschen würde ja auch Babies, Schüler, Rentner, Hausfrauen umfassen; die meinen vermutlich 56 Prozent der Arbeitnehmer.)
Dass Quiet Quitting jede Menge Leute anspricht, haben wir selbst erfahren. Unser TikTok-Video, das erklärt, was Quiet Quitting bedeutet, wurde über 150.000 mal geschaut. Über Tausend Leute haben den Post kommentiert oder ein Lesezeichen gesetzt.
@vice_de Was ist Quiet Quitting? die Arbeitswelt verändert sich und gerade junge Menschen wollen nicht mehr alles mit sich machen lassen #vice_de #arbeit #arbeiten #homeoffice #quietquitting #quietquittingmyjob ♬ Originalton – VICE auf Deutsch
Und diese drei betrachten sie dann.
Lehrer
“Lehrer werden in jungen Jahren schon verheizt”, sagt er. “Anfangs sind sie engagiert, haben dann aber irgendwann einmal zu oft auf die Fresse gekriegt.” Und wenn sie dann einmal verbeamtet seien, hätten sie ohnehin nichts mehr zu verlieren – “Die sagen dann: Was wollen die machen?”
Aber was heißt das, auf die Fresse kriegen? “Die haben einmal zu oft ‘Nein’ gehört, ihre Ideen nicht umsetzen können, blöde Vorgesetzte gehabt oder zu viel von oben draufgedrückt bekommen.” Er selbst habe viele seiner Pläne scheitern sehen und sei einmal kurz davor gewesen, zum Quiet Quitter zu werden.
Er sei Sportlehrer und habe eine Kletterwand der Nachbarschule nutzen wollen, was aber abgeblockt worden sei. “Man wird immer gebremst in seiner Euphorie und seinem Enthusiasmus. Ständig kriegt man Steine in den Weg gelegt”, sagt er. Wenn eine Arbeitsumgebung also destruktiv sei, würden Lehrer irgendwann aufgeben. Sein bester Freund etwa mache nichts mehr, was er nicht machen muss. Und trotzdem Karriere. “Das geht auch nur als Lehrer”, sagt er.
Die Sexarbeiterin
Aus dem fernen Griechenland meldet sich Lisa per Instagram-DM bei uns. Sie war Mitarbeiterin im sozialen Bereich im Ruhrpott, bevor sie alles hingeworfen hat und ins Sex-Business eingestiegen ist. Sie kommt gerade aus dem Meer, als wir telefonieren. Der Wind rauscht im Hintergrund – und unser kaltes Büro im grauen Berlin wirkt plötzlich noch trauriger.
Sie erzählt, dass während Corona viele Leute aus ihrem Betrieb in Kurzarbeit waren oder aus anderen Gründen zu Hause bleiben mussten. Es seien dann Lisa und zwei Kolleginnen gewesen, die als Notbesetzung die Arbeit der anderen etwa 35 Leute machen mussten – auch und vor allem Dinge, von denen Lisa vorher keine Ahnung hatte. […]
Bald habe sie also begonnen, doch nur noch das zu tun, was sie als ihre wahre Aufgabe ansah. Die Sozialarbeit. Wenn ihr Telefon fortan nach Dienstschluss klingelte, sei sie nicht mehr rangegangen, selbst wenn sie noch im Büro war. “Plötzlich hatte ich wieder ein Sozialleben. Zuerst habe ich mit meinem besten Freund einen Ausflug in so ein Wellness-Ding gemacht”, sagt Lisa.
Schließlich habe sie komplett gekündigt und sei nach Griechenland gezogen.
Vor Kurzem nun habe sie einen neuen Geschäftszweig für sich entdeckt. Sie verkauft Fußbilder auf OnlyFans, nimmt Männer auf dubiosen Dating-Websites mit kostenpflichtigen Chats aus und überlegt, sich beim Sex mit ihrem Mitbewohner zu filmen. “Wir schlafen ja eh schon miteinander”. Sie weiß: “Ich werde nicht ewig hier auf Rhodos leben, aber 40 Stunden werde ich auch nie wieder arbeiten”.
Der Kreative
“Ich war noch nie ein großer Fan davon, mehr zu tun als das, was ich vergütet kriege”, sagt er. Der geborene Quiet Quitter sozusagen. Peter erzählt aber auch, dass es seinen Kolleginnen da anders gehe. Die seien früher immer länger geblieben. Doch auch das ändere sich gerade. “Der Chef wundert sich schon, dass alle rechtzeitig nach Hause gehen”, sagt Peter. […]
Die regulären Arbeitsbedingungen reichen jungen Menschen offenbar nicht mehr. Auch nicht, wenn sie von Leuten verkörpert werden, die coole T-Shirts tragen und geduzt werden dürfen. “Es gibt sogenannte Hygienefaktoren in jedem Job. Die versteht man als Grundvoraussetzungen, die sich mit der Zeit auch ändern. Niemand freut sich heute mehr über einen Bürostuhl, der keine Rückenschmerzen verursacht. Das setzen Arbeitnehmerinnen voraus”, sagt Nicole Clemens.
Werden diese Bedürfnisse nicht erfüllt, werden Arbeitnehmerinnen also unzufrieden. Aber sie werden nicht zufrieden, wenn sie erfüllt werden. […]
Womöglich ist es das, was Clemens meint, wenn sie von Kulturwandel spricht. Womöglich befinden wir uns in einer Übergangsphase, in der Unternehmen anerkennen müssen, dass das, was sie bislang als Großzügigkeit verstanden haben, nicht mehr wirkt. Sie müssen den Menschen, die für sie arbeiten, stattdessen weitere Angebote machen, damit die das gern tun – oder überhaupt bleiben.
„Was Clemens meint, wenn sie vom Kulturwandel spricht“.
Gut, kann man alles machen. Bis man den Bogen überspannt hat.
Der Punkt ist nämlich, dass Deutschland ohnehin schon ein miserabler Standort geworden ist mit all den hohen Kosten wie Steuern, Sozialabgaben, Energie, Bürokratie, immer schlechterer Infrastruktur, und sich immer mehr Firmen überlegen, ob sie besser abwandern – oder es sogar müssen, um überleben zu können. Dieser Generation ist gerade nicht klar, dass wir auch da eine Globalisierung haben und sie zunehmend im Wettbewerb etwa mit Polen, Rumänen, Indern, Chinesen stehen, und das irgendwann der Punkt erreicht ist, an dem sie im Vergleich schlecht aussehen. Oder auch schon absolut. Wenn nämlich die erbrachte Arbeitsleistung in keinem Verhältnis mehr zum Aufwand steht, wenn die Leute mehr verlangen, als sie selbst noch zu leisten bereit sind.
Das nämlich führt zur Scheidungswilligkeit auf beiden Seiten: Beim Arbeitgeber, wenn ihm das zu blöd oder zu teuer wird, und auf Arbeitnehmerseite, wenn er nicht bekommt, was er will, oder ihn das weiter langweilt. Und dann ist die Schwelle zum Bürgergeld eben sehr niedrig.
Ich glaube, dass da vielen, vor allem solchen ohne eigene Erwerbsvergangenheit oder erwerbstaugliche Ausbildung wie eben Kevin Kühnert oder Katja Kipping (Herrje, gleich 4 K), sondern Berufsnutzlosen, überhaupt nicht klar ist, was da auf uns zukommt. Denn die zerbrechen gerade zusammen mit dieser Generation das ganze Erwerbsgefügte, und das in einer Zeit mit Globalisierung, in der sowieso viele Betriebe unter Druck stehen, abzuwandern.
Mir fällt immer wieder auf, dass in letzter Zeit viele Firmen – wie etwa Car Glass, heute morgen auch ein mir bis dahin unbekanntes Energieunternehmen, dessen Namen ich schon wieder vergessen habe – in ihrer Radiowerbung nicht mehr (nur) ihre Produkte und Dienstleistungen anpreisen, sondern eher und mehr nach Mitarbeitern suchen. Das Energieunternehmen hatte heute morgen sogar gesagt, dass es kein Bewerbungsgespräch gebe, man sich nicht bewerben müsse, sondern direkt bei ihnen anfangen könne.
Schon vor etwa vier Jahren dagegen hatte mir jemand aus der Logistikbranche gesagt, dass sie keine Fahrer mehr finden – ein Problem, dass sie noch kurz zuvor nicht kannten. Die Leute kämen meist, um sich nur noch pro Forma als Nachweis beim Arbeitsamt zu bewerben, ohne den Job haben zu wollen. Dann gäbe es einige, die tatsächlich anfingen und nach ein oder zwei Tagen hinschmissen und sich nicht mehr blicken ließen, wiel sie zum ersten Mal im Leben Kontakt mit Arbeit hätten und ihnen das nicht zusagte. Und es gäbe Migranten, die sogar sehr fleißig und gut wären, die man gerne behalten würde, weil man mit ihnen zufrieden sei, die aber nicht bleiben, weil sie es für inakzeptabel hielten, unter Frauen als Vorgesetzten zu arbeiten. Vielleicht wird man sich dann auch irgendwann die Frage stellen müssen, wer von beiden einem eigentlich wichtiger und wer schwerer zu ersetzen ist.
Das Zentralproblem ist nun, dass beide, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sich eigentlich gegenseitig nicht mehr mögen und sich gegenseitig schikanieren und auf die Nerven gehen, und beide jeweils bessere Alternativen haben. Und vielleicht geht es sogar beiden dann mit einem Wechsel zu den Alternativen auch besser. Die Trennung voneinander als Win-Win-Situation. Nur der Staat Deutschland bleibt dann eben nicht mehr übrig, der ist dann weg.