Als wären wir Muggles
Der Jurist, der mir Blamage diagnostiziert, hat mir nochmal geschrieben.
Nichts, was irgendwie erhellt oder einen Fehler aufzeigen würde, aber ich will da mal zwei Sätze herausgreifen:
Es geht dabei überhaupt nicht darum, ob die Rechtsmeinung aus dem von Ihnen erwähnten Artikel vertretbar, richtig oder falsch ist. Die richtige Antwort kann aber nur juristisch und damit nicht von Nichtjuristen gefunden werden. Blabla, das vom Ergebnis her gedacht ist, ist jedenfalls keine Rechtsanwendung.
Nochmal: „Die richtige Antwort kann aber nur juristisch und damit nicht von Nichtjuristen gefunden werden.“
Die richtige Antwort kann nicht von Nichtjuristen gefunden werden.
Als wären sie Zauberer und wir nur Muggles.
Er regt sich darüber auf, dass ich die Folgenabschätzung, was passierte, wenn alle sich an die Auslegung hielten, genannt habe, was er für laienhaft und hobbymäßig hält. Das habe ich mir aber nicht selbst ausgedacht. Das kommt zwar in der Liste der Rechtsauslegungesmethoden nicht vor, die man den Studenten im Studium eintrichtert, das habe ich aber vor ungefähr 20 Jahren, als ich mich damals durch die gesamte Rechtsprechung zum Prüfungsrecht gewühlt habe, in den Bibliotheken in einem Fachbuch für Richter gelesen, in dem erklärt wurde, wie sie zu einem Urteil kommen (sollen). Aber weil es im Curriculum nicht dran kommt, ist es für diesen Rechtsanwalt eine laienhafte, untaugliche Hobbyauslegung.
Aber letztlich ist es mir egal, ob es nun 5, 6 oder 7 (oder 8) verschiedene Methoden der Rechtsauslegung gibt. Wenn es einen Katalog von Methoden gibt, die alle zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können und man sich dann als Richter oder Gutachter einfach die Methode aussucht, die zum gewünschten Ergebnis führt, ist das sowieso ziemlicher Bullshit, weil dann die Willkür in der Wahl der Methode liegt.
Ich hatte vor vielen Jahren mal ein Erlebnis, bei dem man mich auf Unterlassung einer Äußerung im Blog vor Gericht zerrte (was ich dann im wesentlichen gewonnen hatte) und zur Verhandlung vor einem Landgericht einen Wäschekorb voller Fachliteratur aus Informatik und Wissenschaftsmethodik mitgebraucht um darzulegen, dass ich mir das nicht aus den Fingern sauge, sondern belegen kann Und als ich – eigentlich um die Leute einzufangen – darauf abhob, dass doch auch in den Rechtswissenschaften Methoden und Begründung und so weiter, wurde ich von der Richterin unterbrochen. Mein Anwalt, der Gegenanwalt und die Vorsitzende Richterin erklärten mir einstimmig, dass die Juristerei mit einer Wissenschaft nichts zu tun habe. Gar nichts. Das sei nur ein verbreiteter Trugschluss.
Und spätestens dann, wenn man solche Aussagen hört, dass es nicht auf den Inhalt einer Aussage ankommt, nicht einmal auf deren Richtigkeit, sondern nur darauf, wer die Aussage trifft und welchen gesellschaftlichen Stand er hat, ob er dazu überhaupt befugt ist, weiß man, dass die „Rechtswissenschaft“ eben keine Wissenschaft, sondern deren diametrales Gegenteil ist, nämlich eine Geisteswissenschaft. Das ist in den Geisteswissenschaften ziemlich weitverbreitet, dass es völlig egal ist, was man sagt und ob es stimmt oder nicht, sondern nur darauf, wer etwas sagt.
Im Prinzip sind wir da wieder beim Gehirn und seinen Rudelmechanismen. Die Rangordnung bestimmt, und die unteren haben zu gehorchen. Und wer nicht zum Rudel gehört, hat sowieso zu verschwinden.
Die Frage wäre dann aber eben, wie der Staat, wie Gerichte und Anwälte dann überhaupt von einem verlangen können, die Gesetze einzuhalten, wenn sie doch gleichzeitig sagen, dass man gar nicht in der Lage wäre, die richtige Antwort zu finden.
Wie, um alles in der Welt, kann man dann auch nur einen Führerschein machen, ohne Jurist zu sein, der doch auch voraussetzt, Gesetze wie die StVO zu kennen, zu befolgen, auszulegen?
Wie kann man Leuten vorwerfen, Hate Speech zu äußern, Volksverhetzung zu begehen und verlangen, ihnen wegen Rechtsbruchs die Äußerung zu löschen oder den Account zu sperren, sowas alles, wenn man ihnen doch gleichzeitig die Fähigkeit abspricht, zu erkennen, was falsch und was richtig ist?
Wie kann man dann überhaupt geschäftsfähig und stafmündig sein, ohne Jurist zu sein?