Ansichten eines Informatikers

Zeitschriftensterben

Hadmut
7.2.2023 15:12

Die wohlverdiente Schrumpfung des „Journalismus“.

DWDL schreibt: Nur Kernmarken bleiben, Abbau von 500 Stellen – RTL Deutschland schrumpft sein Zeitschriften-Portfolio massiv

Jetzt herrscht Klarheit: Die Mehrheit der Titel und Marken von Gruner+Jahr wird eingestellt oder verkauft. Die wichtigsten Kernmarken schlüpfen unter das Dach von RTL News, einige weitere Titel operieren weiterhin unter Gruner+Jahr. […]

Eine Strategie, zwei Perspektiven: Folgt man dem Narrativ von RTL Deutschland, dann fokussiert sich das Medienhaus künftig auf jene Kernmarken, die zuletzt 70 Prozent der Publishing-Umsätze generierten. Das bedeutet: “Stern”, “Geo”, “Capital” und “stern Crime” werde man aufgrund der “großen Synergien” künftig direkt unter dem Dach von RTL News angedockten.

Darüber hinaus bleibt in Hamburg sogar die eigentlich abgeschaffte Verlagsmarke Gruner+Jahr Deutschland erhalten. Ohnehin findet sich in der gehaltenen Präsentation interessanterweise die Formulierung “RTL und G+J bleiben zusammen”. Dort bei Gruner+Jahr sowie in verschiedenen Tochtergesellschaften erscheinen weiterhin “Brigitte”, “Gala”, “Schöner Wohnen”, “Häuser”, “Couch” sowie “Geolino” und “Geolino Mini” sowie künftig nur noch digital und nicht länger gedruckt: “Eltern” und “Chefkoch”.

Das ist beachtlich, weil ich mich neulich noch mit einem Verwaltungsgericht um die Frage geprügelt habe, ob man nur dann Presse sein kann, wenn man körperlich, also auf Papier druckt. Die deutschen Juristen sind nämlich – ohne erkennbare gesetzliche Grundlage oder demokratische Legitimation – der Auffassung, dass nur der Presse sein kann, der auf Papier druckt (oder anderes, CDROMs verteilen lassen sie auch zu, vermutlich sogar Fax). Und jetzt machen die da nicht nur viele Zeitschriften zu, sondern reduzieren einige auf digitale Verbreitung, was ich da ja schon lange prophezeit und vorgetragen habe.

Juristisch gesehen dürften die dann nicht mehr unter „Presse“ fallen. Das ist jetzt bei Zeitschriften wie „Eltern“ und „Chefkoch“ noch nicht so relevant, aber dabei wird es ja nicht bleiben.

Und da wird – in einer Graphik – aufgelistet, was sie behalten, was sie einstellen, und wo sie prüfen, es zu verkaufen. Heißt: Wenn sie noch einen Dummen finden, der das würde kaufen wollen.

Eingestellt wird beispielsweise „Brigitte Woman“. Keine Ahnung, was das ist, aber es klingt wie die Frauenvariante der Frauenzeitschrift. Hat sich wohl nicht so verkauft.

Warum die wichtigsten Kernmarken künftig direkt RTL News und damit Geschäftsführer Stephan Schmitter unterstellt sind, erklärt RTL Deutschland-CEO Rabe mit den möglichen Synergien. “Der Verbund von TV-, Streaming- und Publishing-Geschäften von RTL Deutschland macht Sinn. Er schafft einen erheblichen Mehrwert von etwa 75 Millionen Euro jährlich in so wichtigen Bereichen wie Inhalte, Vermarktung, Tech & Data sowie bei den Corporate-Funktionen.” […]

Während einerseits die Kosten gesenkt werden sollen, kündigt RTL Deutschland ein Investment von 80 Mio. Euro in die verbliebenen Kernmarken an. Dabei geht es in erster Linie um eine Verbesserung von Stern+, wo man mit der Performance des Bezahlangebots im Wettbewerbsvergleich alles andere als zufrieden ist. Unter Stern+ sollen sich auch „Geo“ und „Capital“ wiederfinden, eine intensivere Zusammenarbeit mit rtl.de und n-tv.de wird angestrebt ebenso wie eine Erweiterung um Bewegtbild.

Wenn schon einer, der „macht Sinn“ dummschwätzt, Chef von Zeitschriften wird.

Beachtlich finde ich aber, dass sie nun ausgerechnet den Stern als ihr Zugpferd hinstellen. Denn der Stern sinkt ja schon seit Jahren, und ich wundere mich schon lange, dass es den überhaupt noch gibt. Früher lag der noch in den Wartezimmern der Ärzte als Lesezirkelexemplar, aber seit die Ärzte sparen müssen und jeder auf seinem Handy liest, haben die das auch nicht mehr.

Mir ist übrigens neulich etwas aufgefallen.

Weil ich ja nun nach der Corona-Krise wieder mehr unterwegs bin und in Verkehrsmitteln und an Flughäfen rumsitze, habe ich mir – zum Ausprobieren – mal ein readly-Abo eingerichtet und die App auf mein Tablet geladen. So richtig gleichwertig mit einem Digitalabo ist das nicht, weil man nur Graphiken der Seiten sieht, also keine Suchfunktion, kein copy, kein paste, hat und auch kein Download. Also nur so ganz rudimentär. Ich bin aber verblüfft, wieviele Zeitschriften sich da selbst verramschen. Ich hatte ja früher gerne mal Fotozeitschriften, und da auch bis zu vieren abonniert, die aber irgendwann gekündigt, weil mir das zu teuer wurde und sich der Kosten-Nutzen-Effekt nicht mehr darstellte. Und die finde ich da nun fast alle auf readly wieder. Den Playboy gibt es auch noch, hätte ich nicht gedacht, dass der noch existiert. Und Computerzeitschriften, Fernsehzeitschriften, Fliegerzeitschriften. Das sieht alles so aus, als seien die redaktionell geschrumpft und nun auf solche Alternativeinkünfte angewiesen.

Sagen wir es so: Früher war das üblich, dass am Gate im Flughafen ein Regal mit Zeitschriften rumstand, an dem man sich bedienen konnte, oder direkt beim Einsteigen, mitunter auch im Flugzeug. Das waren schon Ramschexemplare, die die Zeitschriften verschenkten, um ihre Auflage künstlich hoch zu halten. Bringt’s aber nicht mehr, und der Müll liegt dann auch rum. Insofern ist es etwa dann, wenn man viel reist, durchaus sinnvoll, da mal ein paar Kröten abzudrücken und dafür dann üppig Zeitschriftenregal dabeizuhaben.

Und wenn es wirklich darum geht, nur mal irgendwas durchzublättern, lohnt sich das durchaus ab zwei, drei Zeitschriften pro Monat. Tageszeitungen gibt es da auch, Frauenzeitschriften noch und noch.

Ich hatte die Richter gefragt, wie sie sich das verfassungsrechtlich eigentlich vorstellen, wenn sie den Pressebegriff an körperliche Vervielfältigung zu binden und elektronische Medien nicht gelten zu lassen, wenn es bald keine Papiermedien mehr gibt. Gerade wenn Papier, Energie und Transport immer teuer werden.

Wollten sie nicht einsehen.

Bin mal gespannt, wie lange es noch Zeitschriften auf Papier im großen Stil gibt, und wie die das dann juristisch bewerten, ob es dann aus juristischer Sicht gar keine Presse mehr gibt.

Ich habe extra deswegen an den Flughäfen mal drauf geachtet und bin auch gerne mal durch den Flieger gelaufen, vorgeblich zum Klo, um links und rechts zu schauen, was die Leute lesen. Ergebnis: An den Flughäfen sehe ich gar niemanden mehr mit Zeitung oder Zeitschrift. In den Fliegern vielleicht mal drei oder vier Leute mit Frauenzeitschriften. Der Rest liest, hört oder guckt Videos auf Handy und Tablet.