Pfusch oder unvermeidbar?
Schwierige Frage. Ganz schwierige Frage zum Erdbeben in der Türkei.
Wenn man jetzt die Bilder sieht, wir es klar, dass es da richtig böse gerumpelt hat. Ich habe irgendwo gelesen, dass das ein sehr atypisches Erdbeben gewesen sei, weil da drei Platten zusammenstießen und die beiden äußeren soviel Druck aufgebaut hätten, dass die mittlere keilförmig zur Seite quasi weggeflutscht ist, und gerade damit mehr Bewegung hatte, als die reine Plattenbewegung erklären würde.
Ich kann mich erinnern, nur nicht mehr wo (war es der misslungen Hart-aber-Fair-Versuch vom Montag?), dass in irgendeiner Talkshow irgendeine türkische oder türkischstämmige Frau ziemlich auf den Pfusch am Bau dort schimpfte, dessentwegen dort so viel eingestürzt sei.
Aber was ist es nun?
Spielte Pfusch, minderwertige Bauweise, dort eine Rolle, oder war das Beben so stark, dass es darauf gar nicht ankam und auch gute Bauten eingestürzt wären oder sind, weil die normale Belastungsgrenze einfach überschritten war?
Es gibt natürlich Bauweisen, die als „erdbebensicher“ gelten, aber selbst diese haben ihre Grenzen, und Beton kann eben nicht so wirklich erdbebensicher sein, weil er bricht. In Neuseeland hat man herausgefunden, dass die traditionellen Maori-Häuser aus Holz ziemlich erdbebensicher sind, weil sie elastisch und damit eben genau das Gegenteil dessen sind, was man bei uns als Architekt unter Statik lernt. Bei uns lernt man, dass Häuser so gebaut sein müssen, dass sich nichts bewegt und das Haus nicht durch Scherenbewegung zusammenfallen kann. Ein Quadrat alleine ist nicht stabil, weil es parallelogramm-artig verschoben werden kann. Baut man Diagonalen ein, wird es stabil und unbeweglich, hält auch viel mehr, bricht aber dann, wenn die Belastungsgrenze überschritten ist. Traditionelle Maori-Häuser wackeln sehr leicht, aber brechen kaum, weil sie nachgeben können. Die sind nicht starr. Das alte Parlaments- und Regierungsgebäude in Wellington, ziemlich groß, hat man komplett vom Fundament abgesägt, hydraulisch angehoben, und auf riesige Gummipuffer gesetzt, die man sogar besichtigen kann, damit das ganze Gebäude schwingen kann.
Die Frage wäre aber, ob die dort überhaupt Grund und Anlass hatten, erdbebensicher zu bauen. Denn angeblich seien schwere Erdbeben dort ja eher selten, das letzte zig Jahre her. Man weiß allerdings, dass da eine plattentektonische Kante verläuft. Waren Erdbeben dort absehbar? Besteht ein Zusammenhang mit den Beben von neulich in Zypern und zwischen Griechenland und der Türkei? Gab es Mikrobeben im Vorfeld?
Was weiß man also über die Häuser?
- erdbebensicher/-resistent gebaut, aber eben trotzdem überlastet?
- normal gebaut, gut gebaut, aber eben nicht erdbebensicher?
- oder Pfusch am Bau oder Billigbauten?