Der Nazi an der Spitze des ZDF
Von Öffentlich-Rechtlicher Heuchelei.
Ging heute rum und wabert gerade durch die Presse: Das ZDF hat den Lebenslauf ihres ersten und Gründungsintendanten Karl Holzamer geändert.
Der Gründungsintendant des ZDF, Prof. Dr. Karl Holzamer (1962 bis 1977 im Amt), hat falsche Angaben über seine Biografie während der NS-Zeit gemacht. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die das ZDF im Vorfeld seines 60-jährigen Jubiläums durchgeführt und anschließend dem Historiker Prof. Dr. Martin Sabrow für eine wissenschaftliche Bewertung und Einordnung zugänglich gemacht hat. Der Historiker hat dazu eine gutachterliche Stellungnahme verfasst.
Die Recherchen haben zu Tage gefördert, dass Holzamer (1906-2007) unter anderem seine zeitweilige Zugehörigkeit zur SA verschwiegen und seine von 1937 bis 1945 bestehende NSDAP-Mitgliedschaft auf eine 1937 eingegangene und 1939 angeblich selbstständig aufgelöste Anwartschaft reduziert hat.
Außerdem stellte er sich mit seiner publizistischen Tätigkeit erst als Reporter des damaligen Westdeutschen Rundfunks und später als Kriegsberichterstatter der Wehrmacht offenbar stärker in den Dienst der NS-Herrschaft, als er nach 1945 eingeräumt hat.
Wirklich überraschend ist das nicht, dass der Nazi im Dritten Reich war, denn es ist längst bekannt, dass nahezu die gesamte staatliche Infrastruktur nach dem Weltkrieg mit Nazis aufgebaut wurde, denn es war ja sonst kaum jemand mit Ausbildung da. Viele Männer tot, und man musste schon Nazifunktionär sein, um nicht in den Krieg zu müssen und während der Nazi-Zeit Verwaltungserfahrung zu sammeln, die dann beim Wiederaufbau als Qualifikation gelten konnte. Gerichte, Staatsanwaltschaften, Behörden – alles voller Nazis.
Ein Grund war, dass die drei Besatzungsmächte, besonders die Amerikaner, dem Ostblock möglichst schnell ein funktionierendes Westdeutschland entgegenstellen wollten. Ich hatte das ja im Zusammenhang mit den Kryptomachenschaften, der CDU, den Nazi-Millionen und dieser Villa Octogon beschrieben, dass Deutschland zu einer Zeit, als es eigentlich keine Waffen und keine Armee haben durfte, schon wieder bewaffnet und mit einer Bundeswehr ausgestattet wurde, weil es wehrhaft sein sollte und musste. Die Herangehensweise der Amerikaner war, ein paar leitende Köpfe zu hängen oder einzubuchten, das Land auf Entnazifizierung zu erziehen und medial zu bedonnern, aber die, die man eher als Mitläufer einstufte, wiederzuverwenden. Was hätte man auch sonst machen sollen? Die Entnazifizierung war ein Erziehungsprogramm, keine tatsächliche Maßnahme.
Überraschend ist eher, dass das dem ZDF erst nach 60 Jahren auffällt, dass sie von einem Nazi gegründet wurden. Gerade weil sie doch selbst immer so auf woke und antifaschistisch machen und Leute wie Hayali oder Welke keine Gelegenheit auslassen, auf Nazi-Jagd zu gehen oder gleich alle Ost-Bundesländer, besonders Sachsen, gleich unter General-Nazi-Verdacht stellen. Was nicht nur scheinheilig und verlogen, sondern schlichtweg ungebildet ist. Zumal man ja besonders gerne auf die AfD schimpft, obwohl die AfD die angeblich einzige Bundestagspartei ist, in der keine NSDAP-Mitglieder mitgegründet haben. Das mag zwar auch nur am Zeitpunkt liegen, dass zur Gründung der AfD kaum noch ein NSDAP-Mitglied leben konnte, aber immerhin. Die ganze Nazi-Jagd ist verlogen und ungebildet, denn die ganze Bundesrepublik wurde von und mit Nazis aufgebaut. Man sagt heute gerne, dass es die Trümmerfrauen oder die türkischen Gastarbeiter waren, faktisch aber gab es einfach viel zu wenige Nicht-Nazis, vor allem viel zu wenige mit den benötigten Berufen, als dass man ein Land anders als mit Nazis hätte aufbauen können. Man unterstellte, dass den meisten irgendwie klar geworden ist, dass das alles ein Fehler war.
Inwieweit die nach 1945 teils eingeräumte, teils beschwiegene NS-Verstrickung Medienmacher und -intellektuelle wie Holzamer in ihrem Engagement für eine demokratisch fundierte Gesellschaft behinderte oder im Gegenteil sogar bestärken konnte, bleibt eine Interpretationsfrage der Zeitgeschichte. In seinem Fall hat die NS-Belastung ihn offenbar nicht daran gehindert, in Nachkriegsdeutschland eine demokratiefördernde Rolle zu spielen.
Die übliche öffentlich-rechtliche Doppelmoral. Wenn andere einen Nazi haben, dann ist die ganze Organisation Nazi, braun, rechter Dreck. Wenn sie selbst einen haben, dann ist das eine Frage der Interpretation der Zeitgeschichte, dann ist das „In seinem Fall im Nachkriegsdeutschland eine demokratiefördernde Rolle gespielt“ – so selbstgerecht. Weil man doch selbst so gut ist, dass jeder ein Demokratieengel sein muss, der bei einem selbst mitwirkt. Alle anderen sind natürlich unwiderruflich und für alle Zeit Nazis.
Es stellt sich die Frage, warum Leute wie Hayali, Welke, und wie sie alle heißen, deren Einkommen in argem Missverhältnis zu ihrem Bildungsstand steht, auf die Idee kamen, dass sie da so eine Art Saubermänner, so eine Art moralische Putzkolonne sind, an denen es keinen Zweifel geben kann, und die Nazis immer die anderen. Warum man nie die Frage gestellt hat, wie jemand ZDF-Gründungsintendant hätte werden können ohne vorher Nazi-Funktionär gewesen zu sein, woher er sonst die Berufserfahrung gehabt haben könnte.
Man hat wenig gedacht, aber viel Spaß daran gehabt, sich ein möglichst billiges Feindbild zu suchen, mit dem auch die schlichtesten Gemüter umgehen konnten.
Das eigentliche Problem des ZDF ist nicht dieser Nazi.
Das Problem des ZDF sind alle anderen.