Die Juristen, die politische Rechtsprechung und das Zeitungssterben
Neulich hatte ich mich mit Verwaltungsrichterin noch gestritten,
ob man auf Papier drucken muss, um Presse zu sein, und vorgetragen, dass – besonders auch wegen der Papier- und Energiepreise, die unter Corona steil gestiegen waren – das Zeitungsdrucken tot sei, in wenigen Jahren nur noch elektronisch publiziert werde.
Ob es denn dann keine Presse mehr gebe. Oder ob man seine Rechtsauffassung einfach so anpasse, dass sie immer zu den politischen Günstlingen, nämlich der Systempresse passe.
Ich sehe das nämlich schon kommen: Solange man die Kleinen damit aussperren kann und die Großen noch von der Regierung finanziell gepampert werden, hält man daran fest, dass Presse auf „Substrat“ (Papier, CDROM,…) erscheinen muss, auch wenn das nicht nur letztes Jahrhundert ist, sondern auch in anderer Hinsicht längst veraltet, etwa in Bezug auf die Arbeitsweise, Energie, Substanzverbrauch, Logistik. Das Zeug muss man ja rumfahren. Und das wollen wir ja nicht mehr. Außerdem sind wir es ja inzwischen gewohnt, unsere Nachrichten sofort zu bekommen, innerhalb von Minuten oder höchstens ein, zwei Stunden. Wenn nachmittags einer gemurkst wird, wollen wir abends informiert sein. Wir können nicht mehr bis zum nächsten oder übernächsten Tag warten, bis uns der Austräger die Zeitung in den Briefkasten wirft.
Das interessiert die Juristen nicht.
Die halten an einer Meinung, die keinen Ursprung hat, sondern entstanden ist, weil einer vom anderen abschreibt, ohne zu verstehen, was der meint, und da hat sich diese Meinung verfestigt, obwohl die ursprünglich gar nicht gemeint war. Ursprünglich nämlich ging es nur um die Abgrenzung von Kleinstauflagen, die mit Kopiergeräten oder Spiritus-Umdruckmaschinen hergestellt und verteilt wurden, weil man sagte, dass Presse nur dann ist, wenn es einem großen, im Prinzip unbegrenzten weitflächig zugänglich ist, also etwa in Zeitschriftenläden verkauft wird. Und damals war „Drucken“ eben das Synonym für weite, unbegrenzte Verbreitung. Es hatte aber nie bedeutet, dass es auf Papier verteilt werden muss, sondern dass es einem großen Empfängerkreis zugänglich sein muss – und damit auch in hinreichender Auflage erscheint, was damals nur mit Drucktechnik zu erreichen war. Deshalb ging man immer auch von großen Redaktionen und Verlagshäusern aus, weil das anders nicht zu bewerkstelligen war. Gedanklich gemeint war damit aber immer „viele Leser“ und nicht nicht „auf Papier“. Und dann schreibt halt einer vom anderen ab, sieht dann da „Druckwerk“ und meint dann mit der Digitalisierung, da müsse wohl das Papiersubstrat gemeint sein, und so verfestigen sich dann aus dem blanken Nichts Rechtsmeinungen, die schlicht und einfach falsch sind.
Einfach weil die Arbeitstechnik der Juristen Murks ist.
Letztlich nämlich würde jeder kleine Webserver die Anforderungen sogar übererfüllen, weil weltweit lesbar und ebenfalls unbegrenzt. Es gibt keine Auflage, die ausverkauft sein kann, und es ist auch nicht so wie bei der Zeitung von gestern, die es am Kiosk schon nicht mehr gibt.
Sachlich erfüllen Webseiten diese Anforderungen ganz locker, aber es braucht schon Erdbeben, um eine festgefahrene juristische Meinung zu ändern.
Das Beben könnte nun bevor stehen:
Axel Springer kündigt Stellenabbau bei „Bild“ und „Welt“ an.
85 Prozent des Umsatzes und mehr als 95 Prozent des Gewinns kommen demnach bereits aus dem Digitalgeschäft. Der Konzern will sich perspektivisch vom gedruckten Zeitungsgeschäft verabschieden und ein reines Digitalunternehmen werden.
Das, was ich dem Verwaltungsgericht schon seit Jahren vorgetragen habe.
Und bei Springer wird es nicht bleiben, das geht den anderen ja genauso.
Jetzt bin ich mal gespannt, wie die Juristen reagieren, wie die Gerichte künftig entscheiden.
Man wird von heute auf morgen so ganz leise und unauffällig die herrschende Meinung geräuschlos ändern, wenn die alte Meinung nicht mehr zu den großen Verlagen passt. Was dann eben auch dazu passt, dass die bei Gerichten herrschende Meinung eben nicht auf Argumenten und der Sachlage beruht, sondern nur auf dem Opportunismus, dass das politisch gewünschte Ergebnis dabei herauskommt.
Und das wäre ja auch verfassungsrechtlich schwer zu halten, wenn man dann sagen würde, dass wenn keiner mehr auf Papier druckt, es dann eben auch keine Presse mehr gebe – während man die Nation „klimaneutral“ machen will und jeder Politschwätzer wie selbstverständlich den Rundfunk „Presse“ nennt, obwohl der auch nicht auf Papier sendet.
Das ganze Ding hatte bisher zum Zweck, die blanke Willkür bei der Grundrechtsgewährung zu vernebeln. Man will die große Presse und den großen Rundfunk mit den Grundrechten haben, aber die Kleinen zwischendrin ausschließen. Deshalb hat man ja auch versucht, den Medienstaatsvertrag so zu formulieren, dass die Kleinen – Blogger, Youtuber und sowas – nur die Pflichten, die Kosten, die Verantwortung haben und der Rechtsaufsicht unterliegen, aber keine Rechte haben.
Es ist so richtig dreckig, was da in Deutschland juristisch und politisch abläuft.