Ansichten eines Informatikers

Georgien

Hadmut
9.3.2023 1:08

Mmmh.

Mal drauf achten.

Als ich 2021 angefangen habe, mich umzusehen, wo man denn im Ausland an eine bezahlbare und praktikable Wohnung kommen kann, hatte mir eine britische Maklerfirma ein Angebot zugeschickt, das ich erst mal gar nicht verstanden habe. Eine nagelneue Wohnung in einem neuen Hochhausturm mit Hotel drin, alles vom Feinsten, die Versorgung sogar irgendwie an das Hotel mit anschlossen, also fast so eine Edelsuite als Eigentumswohnung, Management, Hausmeisterdienste und alles, was so dazugehört, vom Edelhotel, mit Nutzung von Pool, Gym, Restaurant und so weiter, je nach Größe ab etwa 25.000 britischen Pfund in „Georgia“. Ich dachte erst, das kann doch gar nicht sein, weil ich dachte, es geht um Georgia in den USA, das kann doch gar nicht sein, dass man dort etwas zu diesen Preisen bekommt, bis ich mal gemerkt habe, dass die von Georgien redeten, was auf Englisch auch Georgia heißt.

Aber man müsse sich beeilen, die seien so gefragt, dass sie ihnen förmlich aus den Händen gerissen würden. (Was würde ein Makler auch sonst sagen?)

Auf so einen Gedanken wäre ich noch gar nicht gekommen. Eine – dem Prospekt nach – richtig schöne Edel-Wohnung zu dem Preis, das wäre doch was. Und schlimmstenfalls hat man da jetzt auch nicht zuviel Geld versenkt, wenn das schief geht. Dachte ich. Natürlich würde ich nie etwas kaufen, was ich nicht gesehen habe, da gibt es ja zuviel Schwindel, aber alles, was ich aus der Ferne per Google Earth und Maps und im Web so finden konnte, sah eigentlich gar nicht so schlecht aus, und das Leben sei preisgünstig und eben auch außerhalb der EU. Und gleich am Meer, schöner Strand und so.

Aber was sollte man von Georgien halten?

Manche meinten, das sei recht nett, die Leute freundlich, umgänglich, gäbe alles, was man braucht, spottbillig.

Andere meinten, das sei nicht überall nett, weil das ein gespaltenes Land sei, das die Regierung nicht völlig unter Kontrolle hat und es da abtrünnige gesetzlose Regionen gibt, aber alle am anderen Ende. Das auswärtige Amt hatte Warnungen für diesen Landesteil, aber in dem Bereich am Meer sei es in Ordnung. Mehr oder weniger.

Also dachte ich mir: Anschauen kann man es sich ja mal. Ich war noch nie in Georgien, ich weiß gar nichts über Georgien, und ich wusste noch nicht einmal, wo genau Georgien eigentlich ist. Nullwissen. Und sowas ändert man am besten vor Ort. Denn: Beeindruckende Sehenswürdigkeiten gibt es da schon. Da gibt es richtig schöne Ecken, das hätte so Geheimtipp-Potential. Und das zu dem Preis. Dachte mir, machste mal eine Reise dahin, ein oder zwei Wochen, bildest Dir eine Meinung. Guckst dir das Hotel, das Haus, die Wohnung, die Umgebung an. Und wenn sie dir gefällt, kaufst du sie. Da ist man außerhalb der Reichweite böser EU. Was sie dort von Bloggern halten und mit denen umgehen, wäre aber noch zu klären. Und ob man dort mit Englisch durchkommt. Ob einem das Essen schmeckt.

Aber, ach.

Ich wollte dort unbedingt hin (2021, vor dem Krieg), mir das anschauen, und habe es nicht geschafft, dorthin zu kommen. Niemand hat Reisen dorthin angeboten. Ich habe es noch nicht einmal geschafft, einen Flug zu buchen. Nur mit viel hin und her und Umsteigen hätte ich es nach Tiflis geschafft, und hätte dann von dort irgendwie 400 km bis an die Westküste kommen müssen, irgendwo einen Mietwagen auftreiben oder eine Tagesreise im Zug, der manchmal fährt. Und der Flug nach Tiflis hätte mich auch Tausende gekostet (möglicherweise Corona-Auswirkungen), wenn man überhaupt einen bekommt, und die einzig praktikabel erscheinende Lösung wäre gewesen, in die Ost-Türkei zu fliegen und sich dann mit einem Auto irgendwie bis nach Georgien durchzuschlagen. Das war dann irgendwie nicht so mein Ding, weil ich in beiden Ländern die Sprache nicht spreche und noch nie war, die Kriminalitätslage nicht einschätzen kann. Zwar gibt es da auch am Meer ganz in der Nähe einen Flughafen, das scheinen die Fluglinien aber nicht zu wissen, denn da fliegt (oder flog jedenfalls damals) einfach keiner hin. Kein Flug zu finden.

Ich kam dann zu dem Schluss, dass das womöglich der Grund für den günstigen Preis sein könnte, obwohl das da, soweit ich Bilder finden und auf Google Street View sehen konnte, alles durchaus sehr ordentlich und angenehm aussah.

Außerdem habe ich da noch einen klitzekleinen Schönheitsfehler entdeckt, an dem sich Bleistiftzähler und Haarspalter stören könnten: Zumindest auf Google Street View mit Stand Juni 2021 konnte ich an der bestreffenden Stelle noch nichts entdecken außer einem Bauzaun und einem zwar schicken kleinen Verkaufsbüro, das aber auch nur aus ein, zwei Containern bestand. Das müsste man noch bauen, und Stand Satellitenfoto 2023 scheint da auch nicht wirklich viel zu sein, außer einem Baukran, Baumaterial und irgendwelchen Arbeiten am Fundament. Selbst im günstigsten Fall könnte und würde sich das noch ein paar Jahre ziehen.

Ich hatte beschlossen, deshalb Abstand zu halten, und mir das – ich ahnte ja 2021 nicht, dass das mit dem Krieg da so eskalieren würde – mal anzuschauen, wenn man da auf normale Weise mal hinkäme und sich vielleicht der Flugverkehr wieder stabilisiere, wenn es da einen regelmäßigen gab. Ich dachte, dass sie da ja Platz haben, und wenn die Wohnungen da so weg gehen, wie warme Semmeln, sie auch weitere schöne Häuser bauen würden.

Aber anschauen wollte ich es mir auf jeden Fall. Weil ich noch nie auf die Idee gekommen war, dahin zu fahren, und ich gerne dahin fahre, wo hinzufahren ich noch einen Tag zuvor nicht entfernt auf die Idee gekommen wäre. Wie in Australien. Da hätte mich ursprünglich auch gar nichts hingezogen und interessiert, was soll ich da, bis mir 1999 in den USA Amerikaner, Deutsche und Australier so davon vorgeschwärmt hatten und ich dann doch mal hingefahren bin und das dann sofort mein Lieblingsland geworden ist. Man muss sich immer das anschauen, was man noch nicht kennt. Und am besten gleich in dem Hotel, das zu dem Komplex gehören sollte, damit man gleich mal sieht, ob der Laden läuft und die ordentlich arbeiten, ob das alles sauber und gepflegt ist.

Vor knapp einen Jahr nahm ich dann zur Kenntnis, dass sich viele russische Journalisten wegen des Drucks auf die Presse und privaten Rundfunksender wohl nach Georgien abgesetzt hatten, und dann dort ihre Redaktionen und Fernsehstudios behelfsmäßig in allem untergebracht hatten, was sie kriegen konnten, Privatwohnungen, Geschäftsräume, was halt zu kriegen war. Da habe ich mir noch überlegt, wie das jetzt wäre, dort eine Wohnung zu haben. Ob es interessant wäre, dort zu wohnen und mit den russischen Exiljournalisten zu sprechen (die auch auf englisch berichteten, also Englisch konnten), ob es lohnend wäre, seine (nagelneue, wenn sie denn existierte) Wohnung an sie zu vermieten, oder ob die Wohnung damit schon verloren wäre, weil sich irgendwelche Leute sie einfach genommen hätten.

Keine Ahnung, wie ich das einschätzen sollte.

Letztlich ist außer dem Mailverkehr und einem Telefonat mit dem Makler (der übrigens ein sehr gut verständliches sehr britisches Englisch sprach) und einigen Stunden Rumsuchen und Lesen und Gucken im Netz nichts draus geworden. Bekanntlich bin ich dann ja woanders gelandet.

Schon komisch, wenn man dann solche Tweets wie den oben sieht. Und einem dann das Angebot, das einem recht günstig vorkam, dann doch ganz anders wirkt.

Nachtrag: Ich sehe gerade, die haben eine Live-Cam für den Baufortschritt, und einige Etagen Rohbau und anscheinend auch ein ganzes Gebäude im Rohbau stehen schon.

Nachtrag 2: