Über Kunst und Startups, Leerstand und Lückenfüller
Irgendwie alles – nein, nicht alles, nur vieles, fast alles – faul.
In Berlin findet gerade noch der Europäische Monat der Fotografie statt. Hört auf den Namen EMOP.
Vor ungefähr 12 Jahren, bevor ich nach Berlin gezogen bin, habe ich mal zwei Wochen Urlaub in Berlin verbracht und mir damals gnadenlos alles angesehen, was es an Ausstellungen gab. Naja, nicht alles, weil nicht immer alles den ganzen Monat über durchgehend geöffnet hat, aber es war ein interessanter Blick in Galerien, sogar viele Botschaften, denn nicht wenige Botschafter setzen sich entweder dafür ein, Künstler aus ihrem Land zu fördern und bekannt zu machen und veranstalten dann Ausstellungen in ihren Botschaften, und andere machen es aus schierer Langeweile, damit überhaupt mal jemand zu Besuch kommt. Sogar Gaststätten machten da mit. Und es hat mir gut gefallen.
Über die Jahre in Berlin war ich immer wieder mal bei Ausstellungen, aber es ist schwer, wenn man berufstätig ist, weil viele Ausstellungen – wie so vieles in Berlin – nur für Leute gemacht sind, die nicht arbeiten. Ich war nie wieder in der Intensität wie damals unterwegs. Ein oder zwei sind komplett an mir vorbei gegangen, und ich muss auch sagen, dass mir das immer weniger gefallen hat, weil natürlich Zeitgeist, political correctness und so weiter auch auf die Fotos durchdrücken. Und die Qualität einfach nachlässt.
Eigentlich genau derselbe Effekt wie bei der Berlinale. Da war ich auch mal vor 12 oder 13 Jahren, das hat mir Spaß gemacht, und dann eigentlich fast nicht mehr, weil auch das nur für Leute gemacht ist, die nicht arbeiten: Viele Vorführungen sind während der normalen Arbeitszeiten, und viele Kartenverkäufe starten morgens um 10 Uhr, teils im Internet, teils an Kassen, zu denen man hinfahren muss. Wenn man tagsüber arbeitet und gerade in irgendeinem Meeting, Vortrag, Schulung ist (und man nicht einfach raus kann, weil man der ist, der die Schulung hält) hat man praktisch keine Chance, da mal einen Film zu sehen. Eben typisch Berlin: Wer arbeitet ist der Dumme und zahlt, Berlin ist für die gemacht, die nicht arbeiten.
Nun war ich die meiste Zeit auch noch im Ausland, hatte vor, die letzte Woche des EMPO bis Ende März noch mitzunehmen (mir sind noch andere Sachen dazwischengekommen), und so war ich heute erstmals auf dem Weg in drei Ausstellungen.
Unterwegs ist mir etwas aufgefallen.
Zwei Straßen von hier war bis vorletztes Jahr eine Mercedes-Werkstatt mit Verkaufsräumen von Daimler, bei der irgendwelche Linken mal alle Scheiben eingeworfen hatten, obwohl die sich vor allem um Taxis kümmerten, die hatten fertig ausgestattete Taxis im Verkaufsraum stehen, und die ganzen türkischen und arabischen Angeberschleuderfahrer ja auch eine Werkstatt brauchen. Jedenfalls haben die dann dicht und stattdessen eine neue Filiale irgendwo draußen am BER aufgemacht, wohl auch weil es da weniger gefährlich ist.
Seither stehen die Werkstatt und die Verkaufsräume leer. Daimler hat alles entfernt, was nach Mercedes aussieht, weshalb die jetzt neutral aussehen, aber eben leer. Tot. Verlassen. Mitten in der Mitte zwischen Berlin Mitte und Kreuzberg. Anscheinend hat man da keine Käufer oder Nachmieter gefunden. Überall gehen die Preise hoch, aber da ist alles leer. Vielleicht waren die Preise zu hoch. Ich kam da also vorhin dran vorbei, und: Kunst. Ein paar Malereien an der Wand, keine Graffiti oder Vandalismus, sondern Künstlerin und so, dazu ein Plakat
Leerstand heisst nicht Stillstand – Mit Pandion gewinnt Berlin ein neues Leuchtturmprojekt für kulturelle Zwischennutzung.
[…]
Ob Kunst, Musik, Tanz oder Performance: Wir haben den Raum, Ihr habt die Ideen.
Von transitraeume.org „Die Berliner Leerstandsallianz“
So sieht das jetzt aus in Berlin. Obwohl Berlin aus allen Nähten platzt haben wir soviel Leerstand, dass man ihn Brotlosenden anbietet, damit die ihn bemalen, damit es nicht ganz so leer und verlassen aussieht. Also, schon leer, aber „gehört so, ist Kunst“.
Direkt nebendran ist ein ganz neues Haus, oder sogar mehrere hinterheinander, die ich noch nicht kannte. Da war bis vor einiger Zeit eine Baustelle, man hat die da neu gebaut, Firmenräumlichkeiten. Sieht schick aus. Und tot. Nichtssagende Firmen. Sieht nach Ansammlung von Startups aus. Eine Firma, deren Zielsetzung ist, endlich mal gutes Internet zu machen. Näheres nicht ersichtlich, wie sie das machen wollen. Als ob die Welt darauf gewartet habe, dass eine Berliner Hinterhoffirma ihnen erklärt, wie man Internet macht.
Mir ging die Frage durch den Kopf, ob es in Berlin eigenentlich Fake-Startups gibt. Firmen, die nur da sind, um Leerstand zu übertünchen (und die Preise hochzuhalten), oder als Alibi für Geldwäsche, man auf dem Umweg der Startup-Förderung Geld umpumpt, wie bei den Corona-Beihilfen. Ob Startups eine Methode sein könnten, dass man – wie so oft im links-rot-grünen Umfeld – irgendwelche parteinahen Spezis mit Steuergeldern begießt und die in Wirklichkeit etwas anderes machen, so wie bei der Gender-Professorin. Ich war mal vor Jahren hier in Berlin bei einer Veranstaltung im Wirtschaftsministerium mit Peter Thiel (Milliardär), es ging um Investitionen und Startups, und der da so etwas sagte, dass er in Berlin kein Startup gesehen habe, bei dem er eine Überlebenschance sehe. Was jetzt nicht so ganz stimmt, weil es ein paar ja geschafft haben. Aber der hatte wohl auch nicht alle angesehen. Jedenfalls scheint es in Berlin eine ganze Menge Startups zu geben, die zu nichts anderem da sind als eben Startups zu sein. Könnte es also sein, dass viele der Startups in Berlin gar nicht den angegebenen Firmenzweck, sondern irgendeinen anderen haben? Geschäftsräume knapp und den Markt flach halten? Parteinahe Leute über Startup-Zuschüsse finanzieren? Immerhin kam ja heraus, dass eine Menge Dinge auf internationaler politischer Ebene aus Berlin gesteuert werden. Lesbos zum Beispiel. Wer weiß schon, ob nicht irgendwo irgendeine Firma nur zur Tarnung und Geldwäsche besteht? War es nicht so, dass der BND Tarnfirmen unter Namen wie „Bundesstelle für Fernmeldestatistik“ und ähnlichen betrieb?
Ich war zuerst in zwei Fotoausstellungen.
Gruselig schlecht. Keinerlei Fertigkeit zu erkennen, Bilder, die einem nicht gefallen, einem nichts sagen. Die Sorte Bilder, die man höchstens erträgt. Leute, die nicht mehr Fotografieren, sondern Kamera oder Handy einfach irgendwo hinhalten, draufdrücken und sich zu dem, was dabei herauskommt, was die Elektronik automatisch daraus macht, einfach irgendwas ausdenken oder dem Betrachter zumuten, sich einen Sinn dazu zu denken. Einfach irgendwelchen Bildschrott an die Wand gehängt.
Einer der Künstler hat studiert, Doktor in Kunst, Karriere, aber schafft es nicht, irgendwas zu produzieren, was man sich irgendwie anschauen wollte.
Dazu bekommt man noch einen Zettel, der es erklären soll, was man sieht. Der Künstler will uns irgendwas über GEsichtserkennungalgorithmen sagen, und die Erklärung (die wohl von einem Dritten stamt) macht dabei Anleihen aus der Algebra, die sie nicht verstanden haben, die sie sprachlich irgendwie interpretieren.
Beide Ausstellungen waren peinlich, aber kostenlos. Oder umgekehrt, kostenlos, aber peinlich.
Es wirkt auf mich einfach hilflos. Stell Dir vor, es ist Kunst, und keiner kriegt’s hin. Was wohl auch nur auf dem Zeitgeist fußt, dass man nichts mehr kritisieren darf und die eigene Hirnlosigkeit dabei hilft, alles irgendwie für gut zu halten oder es zumindest als gut zu tolerieren, der Kunst dieselbe selbsternennende Willkürlichkeit zuzugestehen wie dem Geschlecht. Bilder, die genausoviel Fotografie sind, wie manche, die draußen rumläuft Frau ist: Wie gewollt und nicht gekonnt, aber sie hält sich dafür. So eine Art Transkunst: I identify as photography. Und wenn Du es nicht akzeptierst, bekommst Du aufs Maul.
Ich habe Mitleid mit den Galerien. Es mag manchen gehen wie der aufgegebenen Mercedes-Werkstatt: Lieber irgendwas, egal was, als leer und verlassen auszusehen. Kunst ist, was die Galerien akzeptieren, um ihren Laden irgendwie mit wenigstens etwas zu befüllen. Und wenn es nicht einmal ein Dutzend Bilder sind.
Thomas Höpker
Und dann etwas völlig anderes. f3, freiraum für fotografie (wenn es klein geschrieben ist, ist es in Berlin links oder Kunst) zeigt Fotos von Thomas Höpker. Sagt mir zunächst nichts, aber er war (oder ist, lebt noch, aber in hohem Alter) Pressefotograf und hat in den 60er und frühen 70er Jahren in verschiedenen Ländern, darunter vor allem den USA, aber eben auch in der DDR fotografiert. Ich habe es nicht genau verstanden, da gab es wohl um 1972 oder 1973 einen Erlass, wonach ausgewählte Journalisten sich in der DDR frei bewegen konnten, und der war anscheinend einer davon. Er hat eine marode sozialistische DDR fotografiert, ebenso, wie USA, die so sehr nach 60er Jahre aussah, wie man nur kann. Meist schwarzweiß.
Eintritt 5 Euro.
Ich stehe darin und denke mir „So war Fotografie.“
Es sind Bilder, die eine Aussage haben. Die etwas zeigen. Die eine Gestaltung haben. Bilder, vor denen man freiwillig, gewollt, gefangen stehen bleibt, um sie zu betrachten. Sie zeigen Plattenbauten. Plumpsklos. Aufgetaktelte Teilnehmer an Luxussilvesterfeiern. Es sind Bilder mit Aussage. Bilder die etwas sagen. Oder etwas zeigen. Oder beides. Plastische Bilder. Bilder, für die man keine zwei Seiten Erklärung braucht, sondern unter denen nur ein kleiner Aufkleber mit der Jahreszahl und einer kurzen Angabe, was und wo, was man so die Meta-Angaben nennt und keine Erklärung, Rechtfertigung, was es zeigen soll. Ich weiß nicht mehr, wer es war, aber irgendwer sagte mal, ein Foto, das man erst noch erklären muss, ist nichts. Diese Bilder muss man nicht erklären. Man bleibt stehen und betrachtet sie. Schaut sie im Ganzen und im Detail an. Bilder und keine Kunstunfälle.
Mir fällt noch etwas auf.
Die Bilder wirken völlig anders als heutige Bilder.
Man merkt, dass die Kameratechnik damals eine ganz andere war. Nicht nur mit chemischem Film, sondern anders gerechnete Objektive, Festbrennweiten, lichtstärker, manuelle Scharfstellung.
Sie sehen nicht aus wie die Handy-Fotos, in denen entweder alles gleich scharf ist oder der Rechner aussucht, was scharf sein soll. Sie sehen aus wie Bilder, bei denen sich der Fotograf überlegt hat, was scharf sein soll. Es sind deshalb Fotos. Fotos, vor denen man stehen bleibt, um sie zu betrachten, um sie sich anzuschauen, um sie wirken zu lassen, um zu sehen, was es zu sehen gibt. 50 oder mehr Jahre, nachdem sie gemacht wurden.
Bilder, bei denen der Bildausschnitt, der Blickwinkel, der Zeitpunkt, die Schärfe, die Bildidee einfach stimmen. Nicht der belanglose Müll wie in den Zeitgeistausstellungchen, sondern Fotos, die man an eine einfache graue Wand hängt, und die daraus eine Wand mit einem Foto machen, vor dem man stehen bleibt, das man sich anschaut, das etwas aussagt, das man nicht übersehen kann.
Es war die Zeit, als die Fotografie noch die Königin der Berichterstattung war, und nicht ein Abfallprodukt der Elektronik, die jedem Honk dreingegeben wurde. Als es noch keine Videoberichterstattung gab, als das Bild noch die Information und nicht die Psychose und intellektuelle Hoffnungslosigkeit des Künstlers transportierte. Als man noch eine Zeitschrift kauft, um den Text zu lesen, die Bilder anzuschauen und dann über etwas informiert zu sein, woran man sonst kaum gekommen wäre. Als die Presse ihre Kundschaft noch informierte und nicht beschuldigte und beschimpfte. Aus einem Informationsblatt
1976 zieht er nach New York und wird 1989 als erster deutscher Fotograf Vollmitglied der Agentur MAGNUM-Photos, deren Präsident er von 2003 bis 2006 ist.
Das war die große Zeit der Fotografie. Oder sagen wir mal, eine der großen Zeiten.
Es zeigt, dass ich mir das nicht einbilde, nicht so dieses „Früher war alles besser“. Sondern der Beweis, dass es wirklich besser war.
Es gab auch einen Seitenraum, in dem ein großer Fernseher stand, auf dem als Endlosschleife eine Dokumentation lief. Ich habe mich auf einen der Sessel gesetzt, um sie anzusehen, war aber nicht alleine. Zwei alte Schachtel saßen schon auf dem Sofa und quatschten unentwegt über irgendetwas, was sie auf dem Handy sahen. Eine Unhöflichkeit, geradezu eine Rüpelhaftigkeit, wenn man in einem Raum, der erkennbar und explizit für die Darbietung eines Filmes mit Ton gedacht ist, unentwegt quasselt und andere davon abhält dem Film zu folgen.
Nachdem die nicht aufhörten und ihnen das völlig egal zu sein schien, wie sie andere störten, überlegte ich irgendwann, ob ich sie ansprechen und ihnen sagen sollte, dass das, was sie da machten, nicht nur sehr unhöflich sei, sondern sie so alt, wie sie aussähen, doch ganz sicher aus der Zeit stammten, in der das noch Teil der Erziehung war, dass man sich so nicht benimmt. Als aber eine gerade aufstand, merkten sie dann doch an meinem finsteren Blick, dass sie störten, noch bevor ich etwas gesagt hatte, und gingen raus. Offenbar alt genug, um noch die Erziehung bekommen zu haben.
Im Video wird er gefragt, ob er lieber mit Film oder digital fotografiert. Er sagt, dass er lieber digital arbeitet und zu dem fummeligen Film-Zeugs nicht mehr zurück will. Alles viel einfacher und man könne einfach so mal 500 Fotos machen. Aber dann müsse man sich eben auch hinsetzen und aussortieren. Delete. Delete. Delete.
Und das ist das, was mancher Galerie fehlt. Der Delete-Button.