Fußballbeton – Hohlkörperdecke
Ich bin verblüfft. Überrascht. Erstaunt.
Oder: Wo die Sendung mit der Maus schlauer war als ich.
Zu meinem Artikel von gestern über die Betondecke, in die man vor dem Betonieren viele billige Plastikfußbälle steckte, was gruselig aussieht, gerade vor dem Hintergrund der Erdbebenkastastrophe in der Türkei, wo viele Gebäude zusammengefallen sind, weil man Müll oder leere Kanister in Fundamente betoniert hatte, um Beton zu sparen, schrieben mir viele Leser, dass das eine durchaus übliche und professionelle Technik sei, unter Beachtung der Statik Beton zu sparen, indem man in die nicht belasteten Bereiche kanisterartige Hohlkörper aus Plastik eingießt. Das mit den Fußbällen sei eine offenbar nicht sehr ingenieurmäßig durchkonstruierte, aber durchaus entsprechende Billigvariante.
Das Ding habe sogar einen Namen, der Fachbegriff laute Cobiax-Decke, das ist aber wohl eher eine Markenname (wie Tempo, Tesa, Fön), weil es eine Webseite gibt, auf der sie sich als brand bezeichnen. Mal „cobiax decke“ googeln und sich Bilder anzeigen lassen.
Hallo Hadmut,
diese Technologie gibt es durchaus auch in “professionell”. Siehe:
https://www.cobiax.com/de/de/technologie/
https://www.cobiax.com/de/de/produkte/Freundliche Grüße
Oder auch „Hohlkörperdecke“.
Sehr geehrter Herr Danisch,
die Leute verwenden da eine Hausmittelmethode zur Leichterung einer Betondecke. Wenn man es richtig macht, hat es eigentlich nur Vorteile (vom Aufwand mal abgesehen; das Einsparpotential steigt mit der Deckendicke). Nicht anwenden sollte man es an Deckenrändern und vor allem nicht im Bereich hoher Schub-/Abscherbeanspruchungen wie z.B. an Punktstützungen. Da baut man dann eben einfach keine Hohlkörper ein. Im Erdbebenfall sehe ich da keine zusätzlichen Risiken.
Eine Beschreibung (mit besser geformten Hohlkörpern) dazu lässt sich z.B. hier finden:https://www.bauingenieur24.de/artikel/bubbledeck-die-zweiachsige-hohlkoerperdecke
MfG
Gerade der letzte Link ist da interessant und aufschlussreich.
Oder auch
Das ist eine Kofferdecke, mit geschlossenen Koffern, in der “neutralen Faser” (nicht sicher wie das bei den Bauingenieuren heisst, bei uns MaschBauIngs heisst die Zone wo bei Biegebelastung Zug- und Druck-Kräfte 0 sind, neutrale Faser) https://de.wikipedia.org/wiki/Neutrale_Faser
unten offen Koffer
Wenn du dich da drüber beschwerst solltest du ein Fahrrad fahren, welches aus vollen Stahlstangen gefertigt wird. Und jetzt weisst du auch schon warum das gemacht wird: Gewicht sparen, auf legitime weise, dort wo Mindergewicht nicht stört.
Es ist sogar noch besser als die unten offenen Koffer, weil die kugelrunden Hohlräume keine Kerbwirkung beitragen, weil bei kugeligen Geometrien nirgends Spannungsspitzen auftreten.
Das einzige was dadurch evtl. negativ beeinflusst wird ist die Eigenfrequenz des Betonbauteils, das Ding wird leichter und die Frequenz dadurch höher.
Also in Erdbebengebieten würde ich so bauen, wenn ich aus Beton bauen müsste. Aber dann halt noch mit Schwingungsanalyse, weil konstruktive Interferenz dir auch massive Bauteile zerteppern kann.
Und wenn die Lastabschätzung der Erdbebengefahr falsch war, hilft richtig Rechnen auch nichts, zuviel ist einfach zu viel.
Wenn dein Fahrrad von einem Panzer zerrissen wird, und man das hohle Innere der Rohre sieht, sagst auch nicht: Ui da haben sie am Stahl gespart.
Da war die Lastenabschätzung dann einfach falsch.
Das ist so wie im Schiffbau, als sie die Konstruktionsregeln geändert haben, seit sie wissen wie hoch und oft freak waves auftreten.
Oder die vorgegebenen Sicherheiten für Schneelasten, die nach dem Winter 2005 erhöht wurden.
Ich fass’ es nicht: Sogar Die Sendung mit der Maus hat das schon erklärt:
Hallo Herr Danisch,
die Bauarbeiter mit den Fußbällen im Beton haben da öffenbar nur eine erfolgreiche westliche Baumethode kostengünstig kopiert:
Bauhohlkörper
https://www.wdrmaus.de/filme/sachgeschichten/bauhohlkoerper.php5https://www.ingenieurmagazin.com/bauen-immobilien-stadt/cobiax-hohlkoerper-leichtbau-bei-betondecken/518/
Mit freundlichen Grüßen
Auch die Frage „Wer hat’s erfunden“ wird beantwortet: Die Dänen als „Bubbledeck“.
Hallo
Diese Methode ist legitim, wird erfolgreich verwendet und hat Vorteile.
https://theconstructor.org/structural-engg/bubble-deck-slab-types-material-advantages/8341/
oder
Moin Herr Danisch,
bei diesem Thema bin ich vom Fach und kann aufklären.
Die Idee von Hohlkörpern in Deckenplatten kann sinnvoll sein. Auch in Deutschland wird soetwas im Hochbau praktiziert, siehe
https://www.bft-international.com/de/artikel/bft_BAU_2017_Technologische_Optimierungen_fuer_Betonfertigteile-2725327.htmlHintergrund ist, dass es Bereiche in der Stahlbetonplatte gibt, in denen überwiegend Biegemomente und keine Querkräfte auftreten. An solchen Stellen hat der Beton in der Mitte der Plattenhöhe keine statische Funktion und ist “tote Last”. Hier Eigengewicht / Masse zu sparen ist auch technisch sinnoll, weil diese Lasten dann nicht nach unten abgetragen werden müssen.
Insbesondere beim Lastfall Erdbeben sind leichte Deckenplatten statisch vorteilhaft.Wichtig ist natürlich, dass die Hohlkörper ordentlich in der Position gesichert sind, wenn betoniert wird, und dass die statische Berechnung korrekt aufgestellt wurde.
Habe ich noch nie vorher gesehen. Zumindest nicht so, dass ich es inhaltlich erfasst und irgendwie in Erinnerung hätte. Diese nach unten offenen Rasterdecken, Fachbegriff wohl „Kofferdecken“ kenne ich wohl, die gibt es ja gelegentlich (meist aber nicht zu sehen, weil durch weiße abgehängte Deckenplatten verdeckt), aber dass man in den Beton Hohlkörper einbetoniert und das regulär und nicht kriminell, das war mir bisher nicht bekannt.
Obwohl es so abwegig gar nicht ist. Schon als Kind habe ich gelesen und gelernt, dass man Stahlträger für Kräne und ähnliches häufig locht, weil die Belastung außen stattfindet, und die Lochung die Tragfähigkeit nicht oder kaum beeinträchtigt, dafür aber durch das geringere Eigengewicht weniger für sich selbst abgeht, die Nutztragfähigkeit also sogar steigen kann. Allerdings ist Stahl elastisch und bröselt nicht, da kann ich mir das gut vorstellen, dass sich die Kräfte entsprechend verteilen. War ja auch in Physik mal eine Praktikumsaufgabe, verschiedenes Zeug aus Plexiglas zwischen zwei Polfiltern zu betrachten und zu analysieren. Ich hätte aber nicht gedacht, dass das auf so spröde Materialien wie Beton ohne weiteres übertragbar ist.
Wieder was gelernt.