Patent für klimaschonende IT erhalten
Hipp, Hipp, Hurra! Endlich hat mal was Großes geklappt.
Oh, Leute, ich bin gerade in Riesen-Feierlaune. Endlich ein Durchbruch geschafft und der Ruhestand XXL gesichert. Eben kam gerade die Mail von den Patentanwälten rein: Ich habe – zusammen mit zwei großen Investoren, die das finanzierten – in mehreren Ländern, darunter EU-weit und den USA, das Patent für eine Reihe klimaschonender IT-Techniken erhalten. Sie schreiben „ab morgen“, aber das ist Westküstenzeit, hier ist es ja schon morgen. Ich könnte endlos springen vor Freude.
Die Anwälte sagen, ich soll das noch nicht so im Detail offenlegen, bevor die Patentschrift veröffentlicht und die Lizenzklagen anhängig sind, aber das ist der Durchbruch.
Ich deute es mal so an: Aus meinem Hintergrund der Kryptographie sind mir ja sogenannte side-channel-attacks bekannt, mit denen man kryptographische Geheimnisse (private/geheime Schlüssel) auch Chips und Prozessoren herauslesen kann, indem man den Stromverbrauch der Prozessoren misst und darauf auf die Rechenoperationen und damit darauf schließt, ob Nullen oder Einsen verarbeitet wurden. Solche Angriffe sind seit rund 20 Jahren praktisch bekannt, theoretisch schon länger, und schon zu meiner Zeit als Doktorand am E.I.S.S. habe ich mich mit Algorithmen beschäftigt, die gegen solche Angriffe resistent sind, etwa indem sie immer beide Varianten rechnen und deshalb keinen Schluss auf die verarbeiteten Daten zulassen.
Was aber, wenn man die Geheimnisse und die Kryptographie einfach weglässt und das Wissen aus diesen Angriffen, nämlich wie sich Rechenprozesse auf den Stromverbrauch auswirken, allgemein, auch auf nicht-geheime Daten anwendet? Also Kryptographie ohne Krypto? Wenn man sich also ganz allgemein überlegt, wie sich welche Daten und Rechenoperationen auf den Stromverbrauch auswirken? Denn ob die verarbeiteten Daten geheim oder öffentlich bekannt sind, das spielt für den Stromverbrauch ja keine Rolle, das ist egal. Deshalb sind die Erkenntnisse aus diesen Angriffen dann, wenn es nicht um die Geheimhaltung, sondern umgekehrt nur um den Stromverbrauch geht, auf alle Daten anwendbar, auch wenn sie eben keine geheimen kryptographischen Schlüssel, sondern beliebige Daten sind. Anwendung von Kryptographie auch auf Nicht-Geheimnisse. Anders gesagt: In der technischen praktischen Kryptographie geht es darum, geheime Daten so zu verarbeiten, dass es sich nicht so auf den Stromverbrauch von Speicher, Prozessor, Peripherie und so weiter auswirkt, dass man auf die geheimen Daten schließen kann. Ich habe das einfach umgedreht und – im Prinzip dasselbe Wissen, aber andersherum angewandt – überlegt, wie die Daten und ihre Verarbeitung aussehen müssen, um den Stromverbrauch zu beeinflussen, etwa um ihn zu minimieren (was gerade sehr gewünscht ist) oder ihn zu maximieren (was natürlich keiner will und hauptsächlich eine akademische Überlegung ist, aber durchaus auch als Angriff missbraucht werden könnte, um höhere Stromkosten zu verursachen, und damit, analog zur Ransomware, Schutzgeld zu erpressen).
Und: Keine Interessenkollisionen mit den Geheimdiensten, weil es ja nicht mehr um Geheimnisse oder Verschlüsselungen geht.
Ich habe deshalb über die Zeit, schon seit einigen Jahren, viele IT-Geräte wie Prozessoren, Speicherriegel, Festplatten und natürlich auch SSDs angesehen und aufwendige Messungen durchgeführt. (Vielen Dank an die Investoren, die mir das ermöglicht haben, denn die erforderlichen Messgeräte sind nicht nur sehr, sehr teuer, sondern waren wegen der Embargos und Beschränkungen durch den Ukraine-Krieg außerhalb der USA auch noch sehr schwer zu bekommen.) Die Ergebnisse sind, dass es eben nicht so ist, wie sich der Laie das vorstellt, dass Einsen Strom verbrauchen und Nullen nicht. Oder besser gesagt, so war es in der Anfangszeit der Computertechnik mal, als das noch alles in TTL-Logik gebaut war und Einsen durch Strom dargestellt wurden und Nullen durch Fehlen von Strom, aber diese Zeiten sind lange vorbei, das galt eigentlich nur noch in der Generation C64. Seit es die CMOS-Technik gibt, werden Nullen und Einsen durch Ladungen dargestellt, und die verbrauchen, solange man sie hält, wenig oder sogar gar keinen Strom, während die Ladungswechsel teuer sind. Strom zu sparen heißt also, diese Wechsel zwischen Nullen und Einsen möglichst zu vermeiden. Und das heißt beim Neudesign von Algorithmen und Prozessoren, aber auch schon in gewissem Umfang bei der Nutzung bestehender Prozessoren, mit Wahrscheinlichkeiten und Look-ahead-Algorithmen zu arbeiten. Und das mag jetzt überraschen, mathematisch betrachtet hat diese Vorhersage, ob Nullen oder Einsen kommen, was man ja vorher nicht vorhersagen kann, und welche man davon nimmt, welche den niedrigsten Stromverbrauch verursachen, eben nicht intuitiv, aber mathematisch mit dem Hochzeitsproblem zu tun, das ich im Blog schon so oft erwähnt habe: Der Prinz soll heiraten und ihm werden eine Zahl von Prinzessinnen eine nach der anderen vorgeführt. Er kann bei jeder sagen, ob er sie heiratet oder nicht, aber die Entscheidung ist sofort bindend: Ja heißt heiraten, Nein heißt abgelehnt, sie ist beleidigt. Spätestens die n.te (=letzte) Prinzessin muss er nehmen. Sagt er zu früh „ja“, heiratet er vielleicht eine zu hässliche. Wartet er zu lang, kommen vielleicht nur noch hässliche. Und die Technik, mit der ein Prozessor passende Daten, Programmsegmente im Datenstrom oder im Hauptspeicher auswählt, ist mathematisch sehr eng mit diesem Problem verwandt. Denn der Prozessor muss auch innerhalb der Daten, die vorbei kommen, die bezüglich des Stromverbrauchs optimal passenden finden, ohne zu wissen, was noch kommt. (Ratet mal, warum ich dieses mathematische Problem so oft im Blog erwähnt habe. Ich habe mich intensiv mit diesem Prinzessinnenproblem beschäftigt.) Die beiden Probleme sind mathematisch so eng verwandt, dass sie mathematisch praktisch identisch sind und die Lösung dieselbe ist.
Die Lösung dieses Hochzeits- oder Prinzessinnenproblems aus der Mathematik und Spieltheorie ist nun, zunächst n (=Zahl der Prinzessinnen) / e (Eulersche Zahl) Prinzessinnen abzulehnen, aber anzuschauen, um sich einen Maßstab zu bilden, und dann die erste überdurchschnittliche zu heiraten. Die Eulersche Zahl ist der Dreh- und Angelpunkt. Das lässt sich dann auf Daten übertragen, weil dieselbe Mathematik zugrunde liegt. Nur eben Nullen und Einsen statt der Prinzen und Prinzessinnen, aber dasselbe Problem, sie optimal zu paaren.
Und das funktioniert eben dann besonders gut, und darauf bezieht sich ein Teil des Patentes, wenn die Daten so strukturiert sind, dass diese Vorhersage sehr effektiv ist. Und das ist eben besonders dann der Fall, wenn der Anteil der Nullen oder der Einsen unter n/e liegt, also die Zahl der Nullen oder der Einsen unterhalb von 100%/e = 100%/2.7182818… ist, also weniger als 36,7879% (oder umgekehrt mehr als 63,21205% für die jeweils anderen) beträgt. Wenn also Nullen und Einsen stark unausgewogen sind. Auf solche Daten – genauer gesagt: Nicht auf die Daten an sich, aber auf den Spareffekt solcher Daten – habe ich das Patent erhalten, weil sie besonders energiesparend und damit klimaschonend sind.
Wie mir die Investoren und die Anwälte nun versichern, erlaubt es das, von den großen Herstellern von Hardware und Betriebssystemen Lizengebühren und das Durchsetzen von Lizenzabrechnungen für solche Dateien auf Computern einzuklagen. Natürlich werden die Lizenzgebühren dafür im Cent- oder Zehntel-Cent-Bereich liegen, aber Ihr könnt Euch vorstellen, was da über die Zahl der Dateien zusammenkommt. Am Montag sollen Klagen gegen Apple, Microsoft, Intel, Amazon, Google rausgehen, etwas später gegen Regierungen. Und dann ist für mich wohl eine eigene Insel fällig.
Das Patent umfasst natürlich noch weitere Erfindungen. Besonders praxisrelevant auch eine Programmiersprache, die auf klimaschonende Algorithmen ausgelegt ist und das besonders unterstützt. Der Compiler zeigt direkt die Energieersparnis gegenüber normalen Algorithmen an, womit man schon bei der Softwareerstellung klimaschonend entwickeln kann, was vermutlich auch sehr schnell in das Informatik-Curriculum aufgenommen werden wird. Wir haben diese Programmiersprache deshalb CO0 getauft. Der Name ist jetzt nicht so elegant, mir gefällt er nicht, ich hätte mir da lieber einen besseren gesucht, aber die PR-Experten fanden ihn gut, weil sich darunter sofort jeder etwas vorstellen kann, und das sei wichtiger als ein schön klingender Name, mit dem keiner was anfangen kann. Es geht ja schließlich darum, auch Regierungen und die öffentliche Verwaltung, die Universitäten, und letztlich die Privatwirtschaft zum – lizenzpflichtigen – Gebrauch der Sprache zu bringen, und dazu müssen die ja verstehen können, wozu die gut ist. Sie sagten, der Wurm müsse dem Fisch, nicht dem Angler schmecken. Und es soll ja auch die Generation Greta ohne größere Erklärungen verstehen können. Und ein besserer war mir auch nicht eingefallen.
Und der Zeitpunkt ist natürlich optimal, einfach perfekt, nachdem sich so viele Regierungen, besonders unsere, auf die Einhaltung von Klimazielen verpflichtet haben, das aber nicht schaffen. Da wird so eine Sache zum Selbstläufer. Die kommen daran nicht mehr vorbei.
Ich bin ja vor ein paar Tagen schier vom Stuhl gefallen vor Lachen, durfte aber vor dem heutigen Tage noch nichts sagen, als mir ein Leser – wirklich, ehrlich, und das ist jetzt kein Scherz, wirklich wahr – schrieb, dass sie in ihrer Firma eine Anweisung bekommen haben, aus Klimaschutzgründen nicht mehr benötigte Dateien zu löschen, um Strom zu sparen.
Das fällt nämlich unter mein Patent. Weil gelöschte Dateien durch Nullen ersetzt werden können und so Strom sparen. Womit für das Löschen von Dateien ab sofort Lizenzgebühren an mich (und natürlich an die Investoren, die einen großen Teil davon bekommen, es bleibt aber mehr als genug für mich übrig, und die sind ja auch groß und stark genug, um das vor allen Gerichten durchzusetzen, das sind schon große internationale Kanzleien dran) fällig werden. Und die werden dann über die Betriebssysteme automatisch abgerechnet. Besser geht’s nicht.
Leute, ich bin so happy. Mir geht’s so gut. Ich kauf’ mir jetzt eine eigene Universität, und dann schmeiß’ ich da demonstrativ und mit großem Trara alle Soziologen und Gender Studies raus. Und dann gibt es mal ein paar Gender-kritische Veröffentlichungen. Und für eine eigene Zeitung und einen eigenen Fernsehsender müsste das Geld dann auch locker reichen. Das gibt was. Dem Klima sei Dank.
Und das Schönste ist: Die Grünen werden sich grün und blau ärgern, weil sie für Klimaschutzmaßnahmen im Computerbereich Lizenzgebühren an mich zahlen müssen, ausgerechnet an mich. Das wird sicher lustig.