Ansichten eines Informatikers

Nochmal Picard

Hadmut
23.4.2023 14:18

Da gibt es auch Verrisse.

Bei Heise gibt es einen, der fast kein gutes Haar an Star Trek Picard lässt. Kann man auch lesen.

Man kann es mit der Kritik aber auch übertreiben. Es gibt eine Menge Leute, die bei solchen Serien damit beschäftigt sind, jeden Handlungs- oder Detailfehler zu finden, eng verwandt mit der Gattung der Leute, in in Kinofilmen jeden Fehler finden. In Szene 97 hat Siegfried, der Drachentöter, eine Armbanduhr an. Oder die alten Griechen hatten am Arm die Impfnarben von der Pockenimpfung. Der Filmheld sitzt auf einem Motorrad, das erst drei Jahre nach der Filmhandlung gebaut wurde.

Ja, kann man machen.

Mache ich aber nicht.

Weil ich sowas schon den ganzen Tag von Berufs wegen mache, und ich Star Trek nicht als berufliche Tätigkeit gucke (ja, doch, natürlich um auch dazu zu bloggen…), sondern als Freizeitvergnügen, um mich unterhalten zu lassen. Und da verrate ich Euch ein Geheimnis: Das ganze Ding ist nicht wahr. Nichts an Star Trek stimmt. (Und für die Harten: Star Wars auch nicht.) Die gibt es nicht wirklich. Das ganze Ding ist unlogisch und verstößt oft gegen die Physik oder die Astronomie. Scheiß’ drauf, es ist ein Unterhaltungsfilm, eine Soap Opera für Männer. Auch Blues Brothers, Leben des Brian und Indiana Jones waren weder real noch logisch. Ich gehe nicht ins Kino, um jedes Detail zu prüfen. Irgendwo gibt es einen Physik-Professor, der – allerdings augenzwinkernd und nur zum Spaß – physikalische Vorlesungen darüber hält, was an den James-Bond-Filmen alles unmöglich ist. Und ob Bruce Willis in die hard den Sprung im Fahrstuhlschacht hätte überleben können, wird beantwortet durch die Erkenntnis, dass nur seine Arme oben geblieben aber abgerissen wären und der Rest von ihm abgestürzt wäre.

Deshalb interessieren mich solche Fragen, wie was mit Picards Bruder passiert ist, der irgendwann mal erwähnt wurde, oder sonstige Unstimmigkeiten eher wenig. Vor allem deshalb nicht, weil man ja selbst deutliche Handlungsänderungen einfach so hinnimmt, wenn irgendwer dazu „Paralleluniversum“ sagt. Geschenkt. Mich interessiert eher die Frage, ob ich mich im Kino (wo ich längst nicht mehr hingehe) oder auf der Couch vor dem Fernseher wohlfühle und den Film gerne sehe oder mich eher so zwischen „reicht jetzt“ und „gähn, wie lange dauert es denn noch“ bewege.

Und wie ich schon sagte und früher schrieb, war die Story der ersten Staffel ziemlich schräg und die Charaktere misslungen, weil ich vor allen mit dieser Agnes Jurati und dem an sich völlig überflüssigen Elnor einfach gar nichts anfangen konnte, und Raffi zwar an sich nicht schlecht gewesen wäre, aber als drogenabhängiges Emotionalwrack völlig fehlkonstruiert wurde. Die Figur Raffi hat man aber in der dritten Staffel gründlich repariert.

Was mir richtig auf die Nerven ging, war die völlig bekloppte und total danebenliegende Story der zweiten Staffel, der ganze Emotional und Zeitgeistscheiß und vor allem, dass Leute, die eigentlich tot sind (Data, Q, NCC-1701-D) plötzlich wieder auftauchen.

Nun bin ich aber auch bereit, den Leuten etwas Experimentalraum zu gewähren. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die sagen, dass sie genau wissen, wie die Serie vor 30 Jahren aussah, und sie deshalb immer so sein muss. Und ich erwarte überhaupt nicht, dass ein Käpt’n Picard 30 Jahre später noch genau derselbe ist, weil ich auch nicht mehr derselbe bin, der ich vor 30 Jahren mal war. Was übrigens ein Grund ist, warum ich mir mit alten Klassenkameraden sehr schwer tue, die man nach 30 Jahren wieder trifft. Die Leute sind mir in gewisser Weise fremd. Deshalb fand ich es recht plausibel und gut, dass Leonard Nimoy den alten Spock anders angelegt hatte als den jungen. Und im Prinzip hat auch Brent Spiner den alten Data anders angelegt als den jungen, was aber bei einem Androiden von der Story her schwierig ist. Auf irgendeiner Convention sagten sie ja mal, dass es immer schwierig ist, wenn man Rollen spielt, deren Charaktere nicht genauso altern wie deren Schauspieler.

Ich weiß aber auch, dass es in Hollywood derzeit schwer ist, überhaupt einen Film zu produzieren, ihn zu finanzieren, ihn zu senden, wenn man sich da nicht in gewisser Weise dem Zeitgeist beugt. Das ist übel, aber ich würde es nicht unbedingt immer den Machern anlasten. Im Gegenteil, ich bin auch in gewisser Weise froh darüber, dass es solche Filme gibt und dass sie floppen oder abgelehnt werden. Ich find die Ghostbusterinnen richtig übel, aber es war unglaublich wichtig, dass sie gescheitert sind, damit man sieht, dass sie gescheitert sind.

Und deshalb bin ich durchaus froh darüber, dass das mit Picard nicht so durchgehend toll gelaufen ist, weil auf diese Weise auch mal ein gesellschaftliches Feedback enstanden ist. Denn letztlich hat hier das klassische konservative Gesellschaftsbild über Wokeness gewonnen. Nur über den Fehler gibt es auch das Fehlerfeedback. Es ist eine Ausdrucksform, dass man den Woke- und Emotionalscheiß und solche zeitgeistig Fehlkonstruktion wie Agnes Jurati und Elnor nicht mag, und den konservativen Plot bevorzugt. Das ist doch gut, dass es dieses Feedback gab.

Und als ich als alter TOS-Trekkie die ersten Folgen von TNG gesehen habe, dachte ich mir noch, was ist denn das für ein Scheiß’, das ist ja völlig daneben und misslungen. Das kann ja nie funktionieren. Es hat aber funktioniert. Sehr gut sogar. Es musste sich halt erst etwas einspielen. Und besonders gern habe ich Deep Space 9 gesehen, obwohl viele das nicht mochten. Der Schauspieler des Garag hat mal in irgendeinem Interview gesagt, dass sie das alles absichtlich so gebaut hatten, dass es da eben nicht diese klare Trennung in gut und böse gibt, und man bei vielen nicht so genau weiß, wie man sie einschätzen soll, weil man von diesem alten Schwarz-Weiß-Denken weg wollte. Und das kam nicht so gut an, weil die Leute ganz klar wissen wollen, wer gut und wer böse ist, und dass die Guten am Ende gewinnen. Sowas geht aber auch nicht, wenn man immer stur am alten Schema festhält.

Man sollte dabei auch berücksichtigen, dass die Leute nicht mehr die alten Fernsehserien drehen, in denen jede Folge exakt gleich lang war, und jede Folge in sich geschlossen sein musste, damit man nicht abgehängt wird, wenn man eine Austrahlung verpasst hat. Die Picard-Folgen sind auf Streaming gedreht, weil sie erstens nicht alle gleich lang sind, und zweitens als Handlungsstrang voraussetzen (und voraussetzen können), dass man immer die vorangegangenen Folgen gesehen hat. Man kann sie nicht verpassen, wenn wenn man Folge n+1 streamen kann, kann man auch die Folge n streamen. Sowas üben gerade viele. Sylvester Stallone, eigentlich Schwergewicht der Kinofilme, spielt gerade in Tulsa King, einer Streaming-Serie, einen gealterten Gangster, der aus dem Knast kommt und versucht, in unserer Welt klarzukommen. Der probiert das gerade auch mal aus, wie das eigentlich so ist und funktioniert, eine Story über viele Stunden und nicht nur über zwei zu erzählen. Es ist nicht Fernsehen, es ist nicht Kino. Es ist neu. Mit Mandalorian hat man das ja auch im Star Wars Universum so gemacht, nicht mehr den großen Kinofilm zu zeigen, sondern eine Story, die weit länger als ein Kinofilm ist, um eine eigentlich unbeachtlich kleine Nebenfigur zu entwickeln, und da hat das ja sehr gut geklappt. Der schlägt sich so durch und hat seine Probleme. Daran ist nichts wichtig, wenn der sich in irgendeiner Kneipe mit irgendwem streitet, das ist nicht wie wenn Luke mit Vader kämpft. Es ist die Story dieser Figur.

Und das hat man mit Picard versucht. Man wollte die Story eines alten Mannes erzählen, der auf dem Altenteil gelandet ist. Das hat nicht gut geklappt. Das hat erst in der dritten Staffel wieder Bodenhaftung bekommen, als nur der Schauspieler alt war, die Figur Picard aber weitergemacht hat wie früher.

Aber Herrje, das ist doch kein Drama.

Man hat es mal ausprobiert und kam zu Ergebnissen. Wie man mal ein anderes Kochrezept ausprobiert.

Man hat es versucht, es hat nicht gut geklappt, es gab das Feedback und man hat es eingesehen. Meine Güte, das ist doch OK, das muss man doch keinen Untergang des Franchise draus machen.

Was man da eben auch gesehen hat, war, dass die sich an das Standard-Format von 10 Folgen pro Staffel gehalten haben, damit es nicht zu sehr nach Mini aussieht, aber eigentlich immer nur Story für höchstens 6 Folgen hatten, und dazwischen doch arg gestreckt und gefüllt haben.

Das ist nicht per se und von vornherein ein Fehler, denn viele Hollywood-Schauspieler haben beklagt, dass das übliche Kinoformat einfach keine Luft lässt, um ewtas zu erzählen, auf die Kleinigkeiten und Nebensächlichkeiten abzuheben, mal etwas zu improvisieren oder reinzunehmen, was nicht im Drehbuch stand. Spocks berühmter Nackengriff enstand auch nur spontan, weil die Schauspieler bei den Dreharbeiten der Meinung waren, dass es überhaupt nicht zu einem Vulkanier passt, wenn er einen drehbuchgemäß mit einem Ast niederschlägt. Also hat man spontan den Nackengriff erfunden.

Und deshalb bin ich dem Experiment und der Lernphase, mit dem neuen Medium Streaming umzugehen, durchaus aufgeschlossen. Auch, weil ich überhaupt keine Lust mehr habe, in miefigen Kinos neben Leuten zu sitzen, die sich immer weniger benehmen können und immer mehr stinken. Mein letzter regulärer Kinobesuch, ich weiß nicht mehr, was es war, war ein absolutes Ärgernis, weil permanent nur noch mit irgendwelchen Chipstüten geraschelt wurde, die Leute ständig gequatscht haben, unentwegt die Handy-Bildschirme angingen, weil die Leute nicht mehr stillsitzen können ohne ihre Mails und Chats zu checken. Gleichzeitig bekommt man die Großbildfernseher für das Wohnzimmer inzwischen hinterhergeworfen.

Selbst wenn die Serie jetzt in einigen Punkten misslungen war, bin ich froh, dass man es ausprobiert und die Fehler gemacht hat, und dass es Feedback gab, das auch angekommen ist. Anders als bei Star Trek Discovery, wo man es ja partout nicht einsehen wollte, dass es nicht gut ankommt.

Man sollte dabei auch mal bedenken, dass man die Prequel-Serie Star Trek: Enterprise, die ich übrigens auch nicht schlecht fand, und die mir gefallen hat, die aber gerade als Prequel auf einen früheren Technik-Stand abhob und deshalb zu wenig spacig und zu sehr nach Shilo Ranch wirkte, wegen Erfolgsmangel vorzeitig beendete, obwohl sie alles das hatte, was man jetzt an Star Trek: Picard vermisst. Deshalb finde ich die Kritik an Picard auch inkonsequent, wenn man das über einen gewissen Zeitraum betrachtet.

Und man sollt ebenfalls berücksichtigen, dass aus dem Star Trek Universum lange nichts mehr kam, und deshalb notwendigerweise ein Personalwechsel stattfinden musste, und die neuen Macher sich auch erst einarbeiten und ihren Stil finden müssen.

Deshalb schließe ich mich zwar der Meinung an, dass die ersten beiden Staffeln von Picard nicht gut gelungen waren, aber ich schließe mich nicht der Auffassung an, dass daraus ein solcher Verriss folgen müsste, als wäre man das jüngste Gericht oder Q persönlich. Ich bin der Meinung, dass ein Feedback wie „Das hat uns nicht so gefallen“ mit Begründung, etwa dass die dritte Staffel aus irgendwelchen Gründen durchweg finster und unterbelichtet war, angemessen ist.

Denn letztlich sollte man sich dann auch immer mal die Kernfrage stellen: Will man weitere Serien sehen, oder will man, dass es das war und für immer beendet wird. Und sich dann überlegen, welche der beiden Alternativen man mit seiner Bewertung bewirkt.

Und davon ganz abgesehen: Wenn es einem nicht gefällt, warum guckt man es dann überhaupt?

Das wichtigste Feedback ist die Zahl der Zuschauer.

Es gibt sogar Studios, denen die Zuschauerreaktion völlig egal ist, weil auch ein Hasszuschauer immer noch einer ist, und sie nur die blanke Zahl interessiert.

Und ich persönlich streame so gut wie keine Serien, weil mich die allermeisten Serien, die da angeboten werden, einfach überhaupt nicht interessieren, mir völlig egal sind, verschwendete Zeit.

Ich habe in letzter Zeit einige Serien gesehen, einfach deshalb, weil ich wieder öfter im Flugzeug saß, und die Billigfluglinien ja kein Bord-Entertainment anbieten, schon gar nicht auf Mittelstreckenentfernungen, und ich deshalb immer ein paar Filme und Serien auf dem Tablet dabei habe, um die Zeit totzuschlagen, weil ich im Flugzeug auch nicht so konzentriert lesen kann, man wird ja ständig angerempelt oder gestört oder von irgendwas unterbrochen. Und je nach verbleibender Flugzeit reicht die Zeit eben oft nicht mehr für einen Kinofilm, sondern nur für irgendeine Serienfolge. Deshalb habe ich mal in die eine oder andere reingesehen, muss aber sagen, dass ich mit den allermeisten Serien einfach nichts anfangen kann. Das spricht mich überhaupt nicht an.

Aber nun lasst sie es in drei Teufels Namen doch mal üben, lernen, ausprobieren.