Nein, keine Alpträume
Man hatte mich vor einiger Zeit mal gefragt, ob ich Alpträume habe.
Nein. Habe ich nicht. Zumindest keine, an die ich mich erinnern könnte. Es kommt selten vor, dass ich mich mehr als einen Moment nach dem Aufwachen noch an meine Träume erinnern könnte.
Ich könnte mich aber nicht erinnern, jemals – außer einem als Kind, als alles um mich herum voller bunter Regenschirme war und ich außer diesen Regenschirmen überhaupt nichts mehr sehen oder greifen konnte, und die ganz dicht an mich herankamen – Alpträume gehabt zu haben.
Ja, schon, gefährliche oder bedrohliche Situationen kommen in meinen Träumen vor. Ich bin aber nie Betroffener, ich bin da dann immer nur der Beobachter der Probleme anderer. Ich sehe Probleme und Bedrohungen, aber habe sie nicht selbst. Deshalb bin ich da immer ziemlich entspannt.
Komischerweise fühle ich mich als Staatsbürger inzwischen genau so. Ich sehe immer mehr Probleme und Bedrohungen, aber ich komme mir dabei immer wieder wie der Beobachter, nicht wie der Betroffene vor.
Nun sitze ich da und stelle fest, dass ich aus dem, was ich sehe und beobachte, keinen funktioniertenden Staat, keine funktionierende Gesellschaft extrapolieren kann. Ich kann mir gerade nicht vorstellen, wie all das, was gerade passiert, in ein funktionierendes System führen könnte.
Dabei habe ich ein Déjà-vu. Bis man hier vor einiger Zeit eine Schranke installiert hat, diente der Parkplatz des Supermarktes vor meinem Küchenfenster als Rennstrecke für Stadtrennfahrer und solche, die sich dafür hielten. Sonntags, nachts, selbst während normaler Wochentage und während hier die Kunden und ihre Kinder auf dem Parkplatz rumliefen, fuhren die him hinteren Bereich mit möglichst laut quietschenden Reifen ihre Kurven. Irgendwann stand ich mal in der Küche, habe gerade irgendwas gekocht, und durch das Fenster zwei Deppen in einem sauteuren Mercedes zugesehen, die da immer wilder um die Kurven fuhren. Irgendwann war mir beim Hinsehen sofort klar, jetzt ist er zu schnell, die Kurve wird er nicht mehr kriegen. Nicht mal mit dem Auto. Und tatsächlich ist er gegen den Verschlag mit den Mülltonnen gebrettert. Nicht mein Problem.
Genau so komme ich mir vor. Ich sehe einen teuren Staat, von Versagern gelenkt, die ihren Spaß daran haben, um die Kurven zu brettern, und ich sehe, dass er die Kurve nicht mehr kriegen wird.