Der Ukraine-Krieg und die Brandstiftung auf Zypern
Leser fragen – Danisch weiß es auch nicht.
Ein Leser fragt an:
Hallo Hadmut,
war schon vor ein paar Tagen, habe es aber erst jetzt gelesen:
Zypern: Russisches Zentrum für Wissenschaft und Kultur in Brand gesetzt
https://de.rt.com/kurzclips/video/168607-zypern-russisches-zentrum-fuer-wissenschaft/
Das Russische Zentrum für Wissenschaft und Kultur in der zyprischen Hauptstadt Nikosia ist am Mittwoch in Flammen aufgegangen. Nach ersten Informationen könnte es sich um einen Brandanschlag handeln, bei dem Molotowcocktails auf das Gebäude geworfen wurden.
Weißt Du da mehr?
Nein. Weiß ich nicht. Ich bin da noch nicht so vernetzt, dass ich über sowas schnelle Informationen bekäme.
Ich hatte das vor ein paar Tagen schon nach Leserhinweis gelesen, die hatten da zwei Meldungen, habe aber die zypriotische Presse in diesem Zeitraum nicht verfolgt und hier in Deutschland nichts davon gehört.
Nun weiß ich aber, dass es in Zypern viele Russen gibt, und ich weiß, dass die da schon untereinander nicht alle einer Meinung sind. Die Makler sagten mir, dass es da aus Maklersicht zwei Arten von Russen gäbe: Die, die nach der Wende Geld ins Ausland geschafft und sich Immobilien auf Zypern gekauft hatten, und die nun nach dem Krieg versuchten, zu Geld zu machen, um an Euro und damit an Auslandswährung zu kommen, weil der Rubel nicht konvertibel ist, die aber eher pro Putin sind. Man überlegte sogar, ob die die Euro aus den Verkäufen nicht für sich selbst, sondern für die Regierung zur Umgehung von Sanktionen holen. Es seien auch viele dabei, die ihre Immobilien verkaufen, weil sie davon ausgingen (womit sie nicht Unrecht hatten), dass sie mit Sanktionen belegt werden und nicht mehr in die EU und damit nach Zypern einreisen dürfen, die Immobilie also nicht mehr nutzen können.
Es gäbe aber auch die anderen, die Russland verlassen und in Zypern dauerhaft sesshaft werden wollen und Immobilien suchen, ähnlich wie in Thailand. Mich haben vor einiger Zeit dort zwei Männer vor dem Haus freundlich und auf englisch, aber mit russischem Akzent gefragt, ob ich wüsste, ob es da etwas zu mieten gäbe. Die schienen da die Straßen abzuklappern und rumzufragen.
Ich weiß, dass sich die Pro- und die Kontra-Putin-Fraktionen untereinander nicht sehr grün sind. Es heißt zwar, dass die Russen dort im allgemeinen ruhig seien und nicht auffallen wollen. Als ich aber bei einem Straßenumzug war, stellte sich eine Frau mit zwei ziemlich ungehobelten kleinen Söhnen neben mich, die sich überhaupt nicht benehmen konnten, die Leute anrempelten und sich so weit auf die Straße vorlehnten, dass einer von einer Musikkapelle fast über ihn fiel. Polizisten hatten sie zweimal gebeten, die Kinder zurückzuhalten, sie reagierte darauf überhaupt nicht. Als der Rotzlümmel dann auch versuchte, mich systematisch zu einer Reaktion zu provozieren, indem er mir ständen das rauhe Absperreseil am Bein (kurze Hose) rauf und runterscheuerte, sagte ich zur Mutter, dass sie mal ihren Sohn zurücknehmen sollte, worauf die durchdrehte. Was mir einfiele, wie ich es wagen könnte, eine Russin anzusprechen. Ich war zwar vor ihr da, aber sie war der Meinung, wenn die Russin kommt, hätten alle anderen ihr aus dem Weg und auf die andere Straßenseite zu gehen. Woher man das hätte wissen sollen, dass sie Russin ist, und auf welche Seite man dann gehen müsste, weil auf der anderen Straßenseite auch Russen standen, konnte sie natürlich nicht erklären, aber die lief mir dann noch hinterher, um mich anzuschreien. Sie machen sich nicht alle sonderlich beliebt, sind aber wohl als Touristen wichtig, weil man mitunter neben griechisch und englisch auch russisch als Sprache für Werbung und Speisekarten sieht, und es auch Makler gibt, die von vornherein alles auf russisch anbieten.
Vor wenigen Tagen habe ich erfahren, dass die Ukraine inzwischen auch gut auf Zypern vertreten ist. Die Ukraine habe nämlich Geld und damit gerade alle Wohnungen angemietet, die sie auf Nord- und Südzypern kriegen konnte, Preis spiele keine Rolle. Weil, so behauptete man mir gegenüber, die Ukraine allen Ukrainern, die in der Ukraine geblieben sind, pro Jahr zwei Wochen kostenlosen Kriegsurlaub gewähre, damit die mal ein paar Tage Ruhe und Frieden haben und sich etwas erholen können.
Ich will nicht ausschließen, dass die beiden Männer, die mich nach Mietwohnungen gefragt hatten, Ukrainer waren. Ich könnte die Akzente nicht unterscheiden und einordnen. Es würde ja passen.
Das heißt aber, dass da auf Zypern drei Gruppen vertreten sind, die nicht sonderlich gut aufeinander zu sprechen sind, Pro-Putin-Russen, Kontra-Putin-Russen und Ukrainer.
Wenn da nun ein „Russisches Zentrum für Wissenschaft und Kultur“ angezündet wird, finde ich das jetzt nicht sonderlich überraschend, weil zwei der drei Gruppen auf sowas sicherlich nicht gut zu sprechen sind.
Grundsätzlich halte ich das aber nicht für kritisch, weil Zypern unvergleichlich friedlich ist, und Leute, die dorthin gehen, dorthin gehen, weil sie ihre Ruhe haben wollen. Zumal mir jetzt auch kein Land einfiele, das von diesem Konflikt gänzlich verschont bliebe, denn auch aus Südamerika haben mir Leser geschrieben, dass dort Russen und Ukrainer auftauchten und kauften, was zu kriegen ist.
Wir werden uns allgemein daran gewöhnen müssen, dass der Konflikt auch außerhalb der Ukraine ausgetragen werden wird. Ukrainer werden kaum in der Ukraine bleiben können, nicht nur weil Krieg ist, sondern auch, weil die Infrastruktur kaputt und vieles verseucht ist. Heute habe ich irgendwo gelesen, dass jede Menge Russen strahlenkrank seien, weil sie ausgerechnet – und trotz Warnungen der Ukrainer – den „roten Wald“ bei Tschernobyl umgegraben haben, um dort ihre Stellungen einzugraben, und sich dabei durch den am stärksten verstrahlen Boden gebuddelt haben, in dem damals die Rettungskräfte den radioaktiven Staub und Niedergeschlag untergepflügt hatten. Auch ansonsten ist Kriegsmunition oft giftig, und auch ziemlich viel vermint. Das ist kein Land, in dem man noch leben will, und egal, wie der Krieg da ausgeht, werden sehr viele Ukrainer in anderen Ländern bleiben. Und das wird noch für Jahrzehnte Material für Konflikte und Auseinandersetzungen liefern. In Larnaka habe ich mal morgens Protestplakate am Strand gesehen, die dort jemand aufgestellt hatte.
Allerdings sehe ich noch eine andere Möglichkeit. Ich habe neulich in der Presse gelesen, dass die Mietpreise, vor allem in Limassol, stark gestiegen seien, weil zuviele reiche Leute dort hinzögen und die Zyprioten selbst es sich nicht mehr leisten könnten, in Limassol zu wohnen. Ich weiß nicht, ob da ein Zusammenhang mit dem Gerücht besteht, dass die Ukraine alles anmiete, was zu mieten ist, egal zu welchem Preis, aber der Zusammenhang ist natürlich naheliegend. Und in Zypern bricht gerade viel Tourismusgeschäft weg, weil erst die Corona-Krise reingehauen hat, und dann die Russen wegbleiben, weil sie ihre Rubel nicht konvertieren können, nicht in die EU rein oder nicht aus Russland raus dürfen. Insofern würde ich auch nicht ausschließen, dass der eine oder andere Zypriote da auch noch Diskussionsbedarf sieht.
Ich werde mal fragen, wenn ich wieder dort bin. In Paphos, wo es mich hinverschlagen hat, gibt es nach meinem Eindruck aber nur sehr wenige Russen. Allerdings war ich bisher ja auch vor allem im Herbst und Winter dort und erst mal mit mir selbst beschäftigt, bin da also noch nicht so rumgekommen. Ich werde mir das als Thema für den Sommer mitnehmen und das mal klären.