Ansichten eines Informatikers

Es gibt keine Fotokameras mehr

Hadmut
16.5.2023 22:30

Eine Erkenntnis.

Ich habe vorhin per Videokonferenz an einer Kamerapräsentation eines neuen Modells teilgenommen, in den letzten Wochen aber auch einige andere Produktankündigungen verfolgt.

Was auffällt: Es gibt keine Fotokameras mehr. Zumindest was das „Kleinbildformat“ angeht.

Früher gab es mal Kameras, die fotografieren konnten. Sonst nichts.

Dann gab es welche, die auch so ganz kleine, lausige Videos aufnehmen konnten, Motion JPEG und sowas, die dann eher so wie Charlie Chaplin aussahen.

Dann gab es eine ganze Weile Fotokameras, die auch Videos aufnehmen konnten.

Inzwischen gibt es nur noch Videokameras, die auch Fotos machen können. So ähnlich wie bei Handys: Früher gab es Telefone, die auch Emails lesen konnten. Heute hat man Internet-Klötze, die auch telefonieren können. Video ist nicht mehr Zusatzfunktion. Video ist längst die Hauptfunktion, auf die alles ausgelegt wird. Und das Foto eigentlich nur noch ein Video aus nur einem Bild und ohne Ton.

Vor einiger Zeit lud mal ein Leser bei mir seinen Ärger ab. Die Kameras würden immer größer, schwerer, teurer, obwohl er bei den Fotos überhaupt keinen Fortschritt, oder sogar Rückschritt beobachte. Das sei doch reine Verarsche. Was er aber übersehen hatte: Fast der gesamte Fortschritt in der Sensor- und Kameratechnik ging in den letzten Jahren in Richtung Video. Spiegellos, Autofokus im Sensor statt im Kameraboden, kontinuierlicher Autofokus, immer schnelleres Auslesen gegen rolling shutter, bessere digitale Sucher, während es die klassische Videokamera im Längsformat, den „Camcorder“, praktisch kaum noch oder gar nicht mehr gibt. Und Lösungen für ein Problem, das man bei Kameras früher nicht kannte: Heat Management, das Ableiten der Wärme durch die brutal hohe Rechenleistung. Das sind regelrechte Rechenzentren geworden.

Das Foto ist vielleicht noch nicht ganz tot. Aber es ist schon ziemlich auf dem Weg Richtung Rente.