Ansichten eines Informatikers

Nikon und die Erschöpfung in der EU

Hadmut
4.6.2023 12:27

Vom Graumarkt.

Uch.

Ich hatte doch über diese eBay/Nikon-Sperre für ein Gebraucht-Objektiv geschrieben, und dass ich das für rechtswidrig halte, weil mit dem ersten Verkauf eine Erschöpfung eingetreten sei.

Nun schreibt mir ein Leser

allo Hadmut,

EU-Wahnsinn: Verkauf eines gebrauchten Objektivs blockiert

EU Parallelimporte, umgangssprachlich auch Grauimporte
https://www.kanzleischroeder-kiel.de/artikel/markenrecht/grauimporte.html

Wenn der Unternehmer hingegen sogar wusste, dass die Ware nicht für den EWR bestimmt war, dann droht ihm über diese zivilrechtlichen Folgen hinaus gegebenenfalls sogar ein Strafverfahren wegen vorsätzlicher Markenverletzung; im schlimmsten Fall kann ihm dann sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren drohen.
https://www.fgvw.de/neues/archiv-2016/illegale-grauimporte-alles-eine-frage-der-erschoepfung

oder:
https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/bgh-inverkehrbringen-und-erschoepfung-des-markenrechts-hyundai-grauimport

Und das scheint dann auch für Gebauchtwaren zu gelten…

Viele Grüße

Demnach kommt es für den Erschöpfungsgrundsatz darauf an, wo der Hersteller bzw. der Markenrechteinhaber das konkrete Produkt (so ganz klar wird es nicht, ob damit alle gleichen Produkte einer Serie oder wirklich das konkrete Einzelstück gemeint ist) in den Markt gebracht hat. Der Erschöpfungsgrundsatz für den Europäischen Wirtschaftsraum / EU gelte nur, wenn der Hersteller es selbst in der EU in Umlauf gebracht habe, nicht aber, wenn er das im Nicht-EU-Ausland getan habe.

Zwar schreiben sie nichts zu Gebrauchtwaren, aber die Begründung scheint auch darauf zu passen. Und zwar selbst dann, wenn der Hersteller die genau gleichen Produkte in der EU anbietet.

Was meinem bisherigen Wissensstand diametral widerspricht.

Denn urheber- und markenrechtlich war mein Wissensstand, dass der Inhaber der Rechte sein Verfügungsrecht darüber, ob er das Ding verkauft, mit dem ersten Verkauf abschließend und bindend ausgeübt hat. Dass er über den späteren Weg der Ware noch entscheiden könne, wäre mir neu. Demnach dürfte man ja im Prinzip kein Handtuch und keine Badehose aus dem Außer-EU-Urlaub mit nach Hause bringen, nicht einmal eine Zeitung vom Flughafen.

Vor allem aber erschließt sich mir nicht, welche urheber- oder markenrechtlichen Rechte des Herstellers verletzt sein sollten, warum der darüber überhaupt verfügen können sollte und welches urheberrechtliche Interesse der haben sollte, wenn er das gleich Produkt auch in der EU anbietet, wie etwa Nikon dieses Objektiv, das es ja auch in der EU gab.

Es liegt natürlich auf der Hand, dass es da darum geht, das Preisgefüge aufrecht zu erhalten und in der EU höhere Preise verlangen zu können. Das dürfte eher auf der Korrution der EU-Gesetzgebung als auf juristischen Überlegungen beruhen. Zumal weder eBay noch Nikon im besagten Fall – meines Erachtens – wissen konnten, wo das Objektiv herkam, wenn es nicht zufällig mit Seriennummer abgebildet war. Dazu kommt außerdem, dass Nikon das selbst nicht so ganz im Blick hat. Ich hatte mir neulich mal in Deutschland von einem deutschen Händler ein Nikon-Objektiv gekauft. Und das war auch von Nikon Deutschland in Umlauf gebracht worden, es klebte nämlich deren Aufkleber mit der Garantieverlängerung auf der Schachtel. Mir fiel aber auf, dass die Anleitung – weiß nicht mehr genau – nur in Englisch, Russisch und noch irgendwas (weiß nicht mehr, türkisch oder sowas) beigelegt und die Schachtel so bedruckt war. Ich konnte das auch auf der Nikon-Seite nicht für die Garantieverlängerung registrieren. Als ich dann Nikon Deutschland angemailt habe, und gefragt habe, ob sie da eine Lieferung für Russland nach Deutschland umgeleitet haben (könnte sogar sein wegen des Krieges, das Modell war aber auch ganz neu) haben die mir das eingetragen. Das heißt aber, dass Nikon Deutschland hier Objektive in Umlauf gebracht hat, die für den Außer-EU-Markt bestimmt waren und von denen die Datenbanken von Nikon selbst nicht wussten, dass das so war. Man könnte also Ärger bekommen, obwohl man gar nichts falsch gemacht hat. Ein Objektiv, das reguläre von Nikon Deutschland über deutsche Händler in Umlauf gebracht wurde, und von Nikon trotzdem für ein Nicht-EU-Produkt gehalten wurde.

Nun würde ich ja verstehen, dass Nikon ein Interesse hat, dass nur Objektive für den deutschen Markt mit deutscher Anleitung und Bedruckung in Umlauf gebracht werden. Das verletzen sie aber selbst.

Ich hatte schon mal bei einer kleine Panasonic-Kamera herausgefunden, dass es die – scheinbar – gleich in den USA und in Deutschland gibt, sie dort aber auf die NTSC-Bildraten (30 bzw. 60 fps) eingestellt ist und hier auf die PAL-Raten (25 bzw. 50fps). Irgendwo im Internet habe ich dann einen Hinweis gefunden, dass und wie man das umstellen kann. Man muss beim Einschalten oder Einsetzen der Batterie irgendeine Tastenkombination drücken und sich gen Osten verneigen, dann kommt man in ein Menü, in dem man einstellen kann, für welchen Markt die Kamera eingestellt werden soll. Sie macht dann aber einen vollständigen Reset, alle Einstellungen sind weg und sie kann die Videos mit anderen Einstellungen auch nicht anzeigen.

Es gibt auch Objektive, bei denen die Entfernungsskala für die USA nicht in Meter, sondern in Fuß bedruckt wird (viele Objekte haben beide Skalen).

Minolta hatte damals seinen Kameras verschiedene Namen gegeben. In Europa hießen sie Dynax, in den USA Maxxum, und in Japan/Asien hatten sie noch einen dritten Namen. Canon hatte auch unterschiedliche Bezeichnungen für manche Kameras, womit man schon am Aufdruck (oder eigentlich nur am Aufdruck und der Seriennummer) sehen konnte, von wo eine Kamera stammte. Es gab damals sogar Listen mit den Seriennummern beim Zoll, womit die klären konnten, wo eine Kamera gekauft wurde. Nur dienten die Listen meines Wissens nur fiskalischen Zwecken zur Klärung, ob man für die Kamera Zoll/Einfuhrumsatzsteuer zahlen muss oder sie als seinen Reisekram mit sich führt. Es ging nicht darum, das Einführen zu verbieten.

Ich kann also in gewisser Weise nachvollziehen, dass die Hersteller den Wunsch haben, ihre Produkte nur in der jeweiligen Landesversion anzubieten. Und manchmal könnten Produkte sogar gegen Landesrecht verstoßen. Beispielsweise bei Funkfrequenzen, die sich ja nach Ländern teils deutlich unterscheiden. Oder Steckern und Netzteilspannungen auf der Eingangsseite.

Dazu kommen auch Zollbestimmungen. Früher war das mal so, dass viele Kameras hier nur Videos bis 29:59:59 aufnehmen konnten, in Japan aber unbegrenzt, weil für Kameras, die Videos ab 30 Minuten aufnehmen können, zusätzlicher Zoll anfiel.

Aber Wunsch und Interesse sind noch lange nicht Recht. Ich glaube, dass da wieder irgendwelche Spinner in der EU, die die Bananenkrümmung prüfen und die Staubsaugerleistung begrenzen, irgendwelchen Lobbyisten einen Gefallen getan haben.

Ärgert mich gerade.

Ich wollte mir nämlich einen Switch kaufen. Ich habe schon 8-Port- und 24-Port-Switche dieses Herstellers, bin damit zufrieden, und brauche noch einen für ein Regal. der 24er ist zu breit, und die 8-Ports reichen nicht. Es gibt zwar einen 16-Port-Switch, aber nur unmanaged. Nun bietet der Hersteller tatsächlich auch einen managed 16-Port-Switch an, genau das, was ich brauche und suche. Würde perfekt passen. Aber er bietet ihn nur in den USA an, nicht in Europa. Ich habe schon überlegt, ihn aus den USA zu bestellen, aber der 16-Port-Switch ist dort drastisch teurer als in Deutschland der 24-Port Switch derselben Serie.

Im Prinzip könnte ich dann also Ärger bekommen, wenn ich mir diesen Switch in den USA bestelle, sie ihn mir also von den USA in die EU liefern.

Andererseits wäre es aber zulässig, wenn ich selbst in die USA fliege, ihn dort kaufe, und damit zurückfliege. Denn es ist nicht verboten, ihn mitzuführen oder zu benutzen. Nur in den Verkehr zu bringen.

Irgendwie ist das alles bekloppt.

Und irgendwann muss man auch mal die Frage stellen, wessen Interessen die EU eigentlich dient. Denen seiner Bürger oder denen von Nikon.