Ansichten eines Informatikers

Der Spiegel und die Augen

Hadmut
16.6.2023 23:14

Ein verbreiteter Irrtum.

Ich hatte doch zum Bildformat 16:9 oder 9:16 geschrieben.

Ein Leser:

Hallo Herr Danisch,

zu den nebeneinander liegenden Augen gibt es noch ein sehr schönes Rätsel:

Wenn wir vor dem Spiegel stehen und unserem Spiegelbild die rechte Hand reichen, so streckt uns das Spiegelbild seine linke Hand entgegen. Wenn wir dagegen mit dem Kopf nicken, dann wackelt auch das Spiegelbild mit dem Kopf und nicht mit den Füßen. Warum vertauscht das Spiegelbild also Rechts und Links und nicht Oben und Unten?

Die Antwort lautet natürlich:
Weil unsere Augen nebeneinander liegen und nicht übereinander!
Diese Antwort ist zwar naheliegend aber auch völlig falsch.

Schöne Grüße

Was sowieso nicht ganz richtig ist, denn wenn das Verhalten des Spiegels daran läge, dass die Augen nebeneinander liegen, würde ein Spiegel ja nicht mehr funktionieren, wenn ich ein Auge zumache. Ich schreibe aber gleich nochwas dazu.

Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass wenn ich einem Spiegel die rechte Hand hinhielte, mir das Spiegelbild seine linke hinhielte.

Jedenfalls der Planspiegel. Für Hohlspiegel und andere nicht-plane Formen gilt anderes, die betrachte ich hier jetzt aber nicht.

Ein Spiegel macht geometrisch nämlich etwas gänzlich anderes. Ich erkläre es mal so: Stellt Euch vor einen Spiegel und zeigt mit dem Arm

  • nach rechts
  • nach links
  • nach oben
  • nach unten

und das Spiegelbild wird immer in dieselbe Richtung zeigen, weil der Spiegel weder rechts/links noch oben/unten vertauscht. Tut er also nicht.

Zeigt man aber nach vorne, nämlich auf den Spiegel zu, dann zeigt das Spiegelbild in die entgegengesetzte Richtung. Der Spiegel vertauscht vorne und hinten.

Und genau das tut er auch geometrisch: Er invertiert die Komponente eines Objektes, die orthogonal zum Spiegel steht. Hatte ich schon mal für Radarreflektoren und Katzenaugen bzw. die Reflektoren, wie man sie vom Fahrrad und in der Akustik von Zimmerkecken kennt, beschrieben. Bei der Spiegel macht man im Prinzip einen Basiswechsel im dreidimensionalen Vektorraum, und zwar so, dass man dann einen Basisvektor orthogonal zur Spiegelfläche und zwei parallel dazu hat, und dann wechselt die Koordinate zum orthogonalen Basisvektor einfach das Vorzeichen. Hat man dann drei rechtwinklige Spiegel wie bei Katzenaugen, Radarreflektoren oder Zimmerecken beim Schall, werden nacheinander alle drei Komponenten invertiert, womit effektiv alles in die entgegengesetzte Richtung reflektiert wird, Deshalb strahlen Katzenaugen, Radarreflektoren und Zimmerecken auch exakt zurück. Das ist das Prinzip. Kann man auch schön in Vektorschreibweise darstellen, was ein Spiegel macht: Vektor mal Basiswechsel mal Spiegelmatrix, die auf der Diagonalen Einsen, davon eine -1, und ansonsten nur Nullen hat, und dann der inverse Basiswechsel.

Kann man auch schön ausprobieren, indem man im abgedunkelten Zimmer mit einer fokussierten Taschenlampe oder einem Laserpointer (Vorsicht, nicht in die Augen!) in den Spiegel leuchtet und den Strahl verfolgt. Er ändert nur die Komponente, die orthogonal zum Spiegel steht.

Es erscheint uns nur so, als wäre rechts und links vertauscht, weil das Gehirn damit nicht klarkommt und uns vorgaukelt, dass ein Mensch vor und steht, der sich rumgedreht hat.

Übrigens eng verwandt mit der Technik für Vorlesungen, die in der Corona-Pandemie in Mode gekommen ist, als die Studenten nur per Video folgen konnten: Schreibt einer eine Tafel, kann man ihn nur von hinten filmen. Man sieht nicht, was er schreibt, und 90 Minuten lang nur seinen Rücken, nicht sein Gesicht.

Lösung: Es gibt Schreibtafeln aus durchsichtigem Glas, die oben und unten an der Kante farbige LEDs haben, womit dann die Schrift auf dieser Scheibe in dieser Farbe leuchtet, wenn man bestimmte Stifte verwendet. Weil die Scheibe durchsichtig ist, stellt man die Kamera einfach auf die andere Seite der Tafel und filmt durch die Scheibe durch, womit man dann wieder das Gesicht des Dozenten sieht und der nicht vor, sondern hinter der Schrift steht. Weil dann die Schrift aber seitenverkehrt erscheint, spiegelt man das Videosignal, und die Schrift sieht wieder richtig und lesbar aus, nur der Dozent ist seitenverkehrt.

Leute, ich sag’s Euch: Algebra ist richtig geil.