Die metaphernhafte Analogie der Implosion des Narrenschiffs
Geht mir gerade so durch den Kopf.
Inzwischen hält man ja die Besatzung dieses Basteltauchbootes für tot, seit der Sauerstoff nicht mehr reichen kann und man zudem Trümmer des Tauchbootes auf dem Meeresboden in der Nähe der Titanic gefunden habe.
Ich hatte mir die ganze Zeit schon überlegt, ob nicht vielleicht die Geologen mit ihren Seismographen irgendwas finden könnten, denn die messen das ja auch, wenn irgendwo ein Haus oder ähnliches einstürzt. Dann könnte auch so eine Implosion zu hören sein, zumal Wasser ja sehr weit trägt. Tatsächlich hat sich ja inzwischen aus unklarer Quelle die Information ergeben, dass ein total top secretiges akustisches Überwachungssystem der US Navy, das wohl zweifellos dazu dienen soll, fremde U-Boote zu entdecken, eine Implosion genau an diesem Ort aufgenommen hat, an dem man die Trümmer fand. Und kurz nach dem Zeitpunkt, als die Kommunikation abriss.
Das war eigentlich meine erste Vermutung, dass das Ding strukturell nachgegeben hat und einfach implodiert ist, obwohl es natürlich auch möglich wäre, dass die da an der Titanic irgendwo festhängen. Es hat sich ja schon einmal ein Tauchboot an einer Schiffsschraube der Titanic verklemmt und kam nur mit Mühe und Können wieder los.
Was ist besser?
Mit einem Schlag und blitzschnell von einer tausende Tonnen schweren Wassersäule zermatscht zu werden und nur noch ein leichter Blutfleck im Wasser zu sein, oder bei vollem Bewusstsein noch drei Tage in einer dunklen kalten Büchse dahinzuvegetieren und dann langsam zu ersticken?
Ein Leser schrieb mir, wie entsetzlich er sich das vorstellt, wenn die Körperteile, die Luft enthalten, auf ein 400stel zusammengepresst würden, während das Hirn druckresistent sei, das zunächst überlebe und miterlebe. Was ich für Quatsch halte, weil die ja nicht einfach so in Wasserdruck sind, sondern in ihre Büchse einfach zerdrückt werden. Wie der alte Space-Shuttle-Witz: Was war das letzte, was den Piloten der Challenger durch den Kopf ging? Das Armaturenbrett. Die Frage, wie der Körper unter dem Wasserdruck reagiert, stellt sich nicht, weil die zwischen den zusammenknallenden Wänden zersaftet wurden wie in den riesigen Stanzen der Autohersteller, in denen die Blechteile geformt werden. In einem Autowerk erzählten sie mal, dass die Dinger nur noch funktionieren, wenn man mit zwei Händen zwei Knöpfe in gewisser Entfernung drückt, weil zuviele Leute Suizid begangen haben, in dem sie einfach den Kopf reingelegt haben. Das geht so schnell und so brachial, dass man davon gar nichts merken kann. Aber der nächste muss es dann sauber machen.
Anscheinend aber sind sie beim Abstieg ganz plötzlich implodiert. In den Fernsehnachrichten wurde vorhin die etwas dusselige Formulierung „im Bruchteil einer Millisekunde“ verwendet, die US Navy habe wissen lassen, dass die da drin das gar nicht mehr mitbekommen hätten. Die wissen noch gar nicht, dass sie tot sind. Da gibt es auch nichts mehr zu bergen.
Allerdings hieß es ja, dass die noch einen Notruf abgesetzt hätten. Man wird es in den nächsten Tagen irgendwann genauer erfahren.
Beachtlich jedenfalls die Hybris, und Titanic- und Tiefsee-Experte James Cameron sagte ja schon, dass ihn das an die Selbstüberschätzung und Fahrlässigkeit der Titanic-Erbauer selbst erinnere, sich über alle Kenntnisse und Erfahrung „Alter Weißer Männer“ hinwegzusetzen, alle Regeln zu ignorieren, bewusst und vorsätzlich unerfahrene „Quereinsteiger“ aus anderen Berufen, 25-Jährige Frauen, und so weiter einzustellen, weil sie so inspiererend seien, und man keine alten weißen Männer haben wollte, und den einen, den man hatte, sogar noch feuerte und verklagte, weil er auf die Mängel hinwies und eine Zertifizierung forderte. Als könnte man alles Wissen der Welt einfach wegwischen, weil von weißen Männern, und nach dem Schema „Hoppla, jetzt kommt die Diversität“ alles neu, anders, improvisiert, naiv machen, einfach indem man sich über das Bestehende hinwegsetzt, „innovativ“, „progressiv“ ist, einfach indem man sich über Wissen hinwegsetzt. Eine Carbonbüchse mit dem Spielekonsolencontroller gesteuert. Drahtlos, damit jeder mal steuern kann. Sogar der Pilot der Büchse hatte Bedenken, weil das Ding ein Bullauge von 60cm Durchmesser hatte, während andere Boote für diese Tiefe nur Fenster von höchstens 12 cm hatten. Man sei eben innovativ. Scheiß auf die Physik, man will sich wohl fühlen. Selbst der Hersteller des Fensters hatte wohl gesagt, dass das für diese Tiefe nicht tauge. Und auch vom Hersteller des Rumpfes gab es angeblich keine Freigabe für diese Tiefe.
Aber man wischte das alles weg, Geschwätz alter, innovationsfeindlicher, weiße Männer, mit denen es keinen Fortschritt gäbe. Es stand allerdings auch irgendwo, dass es durch diese Herangehensweise, auf das Bewährte und das Wissen zu setzen, seit 35 Jahren keinen einzigen zivilen Tauch- oder U-Boot-Unfall mehr gegeben habe. Aber man wollte ja divers, modern, progressiv, innovativ, inspiriert (und billig) sein, alte weiße Männer und deren überkommene Anforderungen und Zertifizierungen vermeiden. Carbon, Spielekonsole, iPad, Schneidersitz.
*Bumm*
Nicht neu, im Prinzip erzählt die griechische Mythologie die Nummer schon, Stichwort Ikarus. Tod durch Überheblichkeit und Selbstüberschätzung.
Mir geht nun die Analogie durch den Kopf, ob dieses Narrenschiff, und Reinhard Mey besang es ja sogar so treffend, nicht die treffende Metapher auf unsere Gesellschaft ist.
Das pars pro toto.
Denn auch wir verhalten uns ja wie diese Tauchboot-Firma. Das Wissen alter Männer wird mitsamt ihrer selbst über Bord geworfen, und man glaubt, dass irgendwelche Quereinsteiger ohne Vorkenntnisse schon aufgrund ihrer Diversität und Ignoranz bessere, inspirierende, moderne Resultate lieferten, und man alle die Zertifizierungen, Physik, Erfahrungen gar nicht brauche, denn ein iPad tue es ja schließlich auch.
Es ist damit zu rechnen, dass unsere Gesellschaft genauso implodieren wird.
Es wird irgendwann *Plopp* machen, von uns wird nichts mehr außer einem Fleck im Wasser und ein Wrackteil vom Hinterteil übrig bleiben. Und die Welt wird den Kopf über soviel Dummheit schütteln, weil doch jeder wusste, das es irgendwann schief gehen musste, weil man selbst die einfachsten Anforderungen bewusst ignoriert und die weißen Männer verachtet und geschasst hatte, weil sie warnten. Weil es Warnungen gab, man sie aber in grenzenloser Selbstüberschätzung alle in den Wind geschlagen hatte.