Endet die Ära des herkömmlichen Fernsehens?
Es heißt, Konkurrenz belebe das Geschäft. Nur eben nicht das des Unterlegenen.
MMNews berichtet darüber, dass ProSiebenSat.1 Personal abbaut:
Der Medienkonzern ProSiebenSat.1 plant im Zusammenhang mit einer Neuausrichtung den Abbau von Hunderten Stellen. Insgesamt seien rund 400 Vollzeitstellen betroffen, teilte das Unternehmen am Dienstag mit.
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Der Vorstandsvorsitzende Bert Habets verwies auf ein extrem herausforderndes wirtschaftliches Umfeld in einer “sich konstant verändernden Medienindustrie”. Der Stellenabbau sei folglich eine “unternehmerisch notwendige Entscheidung”, um die Sach- und Personalkosten deutlich zu senken. Ziel der Neuausrichtung des Konzerns sei es, “die Nummer Eins im deutschsprachigen Entertainmentmarkt” zu werden.
Man will die „Nummer Eins“ werden, gleichzeitig wählt man eine Formulierung, die in Businesssprache sehr deutlich sagt, dass man sich das Personal nicht mehr leisten kann.
Bei der Jugend kann das herkömmliche Fernsehen wohl schon lange nicht mehr punkten. Streaming hat die synchrone Ausstrahlung über DVB-.. nahezu verdrängt. Kann man übrigens auf Zypern gut sehen, denn noch vor wenigen Jahren hatten viele Häuser dort Satelliten-Schüsseln mit mindestens 3 Metern Durchmesser auf dem Dach, weil Zypern – theoretisch – außerhalb des Empfangsgebietes der Fernsehsatelliten für die europäischen Programme liegt. Praktisch geht es aber doch, wenn die Schüssel nur groß genug ist. Und das heißt: Ab 3 Metern Durchmesser. Man sieht sie aber fast nicht mehr, weil praktisch niemand mehr Fernsehen über die normale Austrahlung sieht. Das streamen längst alle. Einen Bluray-Player musste ich – zum Staunen der Sicherheitskontrolle am Flughafen – aus Deutschland anschleppen, weil es die auf Zypern nicht mehr gibt. Ja, hieß es in den Läden, früher hatten sie die mal, aber die kaufe ja keiner mehr. Wozu auch, Blurays gäb’s ja auch nicht mehr. Es streamen alle. Einen Internet-Anschluss kauft man im Einkaufszentrum. Da bekommt man dann im einfachsten Fall einen Mobilfunkrouter (4G oder 5G, je nach Gebiet) in die Hand gedrückt, geht damit nach Hause, Stecker rein – fertig. Läuft. Auf den Fernsehern ist der Empfang über DVB-irgendwas nur noch eine App unter vielen. Fernseher, die nur Fernseher können, bekommt man kaum noch zu kaufen.
Ich sehe auch hier in Berlin seit Jahren kein Prosieben-Sat1 mehr. Seit man auf DVB-T2 umgestellt hat. DVB-C war mir zu teuer, das habe ich nicht eingesehen, weil ich ein paar Minuten zu Fuß vom Alexanderplatz mit dem Fernsehturm weg wohne und deshalb wirklich alles per DVB-T sehen konnte und das in jedem Zimmer, ohne separate Karten kaufen zu müssen. Als sei auf DVB-T2 umgestellt haben, haben sie Privatfernsehen kostenpflichtig gemacht, und das war mir dann auch zu teuer, weil ich nicht noch zahle, um Dauerwerbung zu sehen, und ohnehin nicht mehr damit nachkomme, was ich alles sehen will/soll.
Eine Zeit lang konnte ich noch Prosieben/Sat1 auf meinem Fernseher streamen, weil es noch Apps gab. Die hat man dann ersetzt durch irgendwas zum Einloggen und mit genauer Erfassung, und da wusste ich dann schon nicht mehr, warum ich das überhaupt noch schauen soll.
Ich habe den Eindruck, dass Fernsehsender unter derselben Krankheit leiden wie Kaufhäuser: Der Generalist ist tot, seit wir per Internet so problemlos an die Spezialisten und an die Brachialgroßhändler kommen. Warum soll ich mir eine feste Uhrzeit diktieren lassen, zu der ich etwas sehe, wenn ich per Streaming die Folgen jederzeit sehen kann, Pause-Taste drücken, Wiederholen, deutsch und englisch?
Wir werden in den nächsten Jahren den Zerfall des herkömmlichen Fernsehens erleben. Eigentlich sind wir schon mittendrin.
Ähnlich, wie wir beim Shopping eine Aufteilung des Marktes in viele spezialisierte Online-Shops und das Monster Amazon haben, wird es auch im Fernsehbereich laufen: An die Stelle der „Kaufhäuser“ tritt das Doppel aus kleinen, spezialisierten Themenanbietern und den großen Streaming-Providern.