Ansichten eines Informatikers

Zwei Generalabrechnungen

Hadmut
24.7.2023 22:38

Ist mir so aufgefallen, dass da gleich zwei auf einmal vorbei kamen.

Die erste:

Hübscher Rant darüber, dass diese Regierung nichts auf die Reihe bekommt:

Fakt ist: Nichts klappt. Gar nichts funktioniert, wenn man sie an ihren eigenen Zielen misst, und das ist ein unbestechlicher Maßstab: Wer eigene Ziele komplett verfehlt, hat ein Problem. Die Zielverfehlung ist gewaltig: Die Wirtschaft dieses Landes schrumpft nicht, sie verfällt in atemberaubender Geschwindigkeit. Von „grünem“ Wachstum keine Spur, außer man definiert Wachstum um zu schrumpfen; in Orwells Dystopie 1984 war das die Lösung des Versagens.

Ich will allerdings anmerken, dass ich das rhetorische Mittel „Fakt ist“ gar nicht leiden kann, und wer damit anfängt, dann meistens Blödsinn erzählt und sich dabei überlegen vorkommt, aber hier stimmt es, hier ist es richtig.

Und dann in der WELT: Generalabrechnung mit dem Standort Deutschland

Deutschlands Industrie befindet sich im Niedergang. Das Land hat es verschlafen, seine Boomzeit zu nutzen. Das rächt sich jetzt. Mehr noch: Es könnte den ganzen Kontinent in den Abgrund reißen. Reformstau, Innovationsschwäche, Abwanderung: Eine Analyse der größten Fehler und ihrer Folgen.

Deutschlands größte Unternehmen wenden dem Heimatland den Rücken zu. Der Chemieriese BASF ist seit mehr als 150 Jahren eine Säule der deutschen Wirtschaft und hat den industriellen Aufstieg des Landes mit einem stetigen Strom von Innovationen unterstützt, die dazu beigetragen haben, dass „Made in Germany“ weltweit beneidet wird.

Doch das jüngste Projekt des Unternehmens – eine Zehn-Milliarden-Dollar-Investition in einen hochmodernen Komplex, der nach Angaben des Unternehmens den Goldstandard für nachhaltige Produktion darstellen wird – wird nicht in Deutschland errichtet. Stattdessen entsteht es 9000 Kilometer entfernt in China.

Während BASF seine Zukunft in Asien sucht, zieht sich das Unternehmen, das 1865 am Rheinufer als Badische Anilin- & Sodafabrik gegründet wurde, immer weiter aus Deutschland zurück.

[…]

Vor fast 20 Jahren überwand Deutschland seinen Ruf als „kranker Mann Europas“ mit einem Paket ehrgeiziger Arbeitsmarktreformen, die sein industrielles Potenzial freisetzten und eine anhaltende Periode des Wohlstands einleiteten, die insbesondere durch die starke Nachfrage nach Maschinen und Autos aus China angetrieben wurde. Während Deutschland viele Partner enttäuschte, weil es weit mehr exportierte als es einkaufte, florierte seine Wirtschaft.

Stimmt. Darin könnte übrigens ein Motiv der USA liegen, uns zu zerstören, weil man damit, dass man viel exportierte und wenig einkaufte, anderen massive Probleme bereitete. Vielleicht ist die Zerstörung Deutschlands eine Art Rache oder Notwehr.

Die Jahre des Booms haben jedoch ihren Preis: Die wirtschaftliche Stärke verleitete die Verantwortlichen zu einem falschen Gefühl der Sicherheit. Ihr Versäumnis, weitere Reformen durchzuführen, rächt sich nun.

Ich habe heute mit einem telefoniert, der seit Jahrzehnten im Ausland ist und Deutschland nur noch von außen betrachtet, und genau das Thema besprochen.

Deutschland stirbt gerade an seiner Arroganz, die es sich eigentlich nie leisten konnte, aber durch eine auf seiner Dummheit basierenden Ignoranz entstand.

Die gute Nachricht: Der Fachkräftemangel wird nicht anhalten. Denn es wird bald niemand mehr da sein, der Mangel an Fachkräften haben könnte.

„Wir beginnen, die schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt zu spüren“, sagte die Leiterin der deutschen Arbeitsagentur, Andrea Nahles. „Die Arbeitslosigkeit steigt und das Beschäftigungswachstum verliert an Schwung.“

[…]

„Man hört manchmal von einer schleichenden Deindustrialisierung – nun, sie ist nicht mehr nur schleichend“, sagt Hans-Jürgen Völz, Chefvolkswirt des BVMW, eines Verbandes, der sich für den deutschen Mittelstand einsetzt, die Tausenden von kleinen und mittleren Unternehmen, die das Rückgrat der Wirtschaft des Landes bilden.

Es ist eine Kettenreaktion. Deutschland fällt gerade zusammen wie ein Kartenhaus.

Mein Gesprächspartner fragte mich vorhin, ob man sich nicht irgendwann wehrt. Für andere kann ich nicht sprechen, aber ich nicht. Ein deutsches Sprichwort besagt, dass ein angebliches indianisches Sprichwort laute, wenn das Pferd tot sei, solle man absteigen. Ich weiß nicht mehr, was es hier noch zu verteidigen, zu schützen gäbe. Denn die Wirtschaft ist vernetzt. Wenn da erst einmal etwas ins Rutschen kommt, reißt sich das gegenseitig alles mit. Da bleibt nichts mehr übrig außer Bürgergeldanträgen.

Nur bei Deutschland würden sich die Folgen auf kontinentaler Ebene auswirken. Die Abhängigkeit des Landes von der Industrie macht das besonders deutlich. Mit Ausnahme des Softwareherstellers SAP ist der deutsche Technologiesektor praktisch nicht existent.

In der Finanzwelt sind die größten Akteure vor allem für Fehlinvestitionen (Deutsche Bank) und Skandale (Wirecard) bekannt.

Deutsche Bank und Wirecard. Zwei Prachtexemplare.

Ein damit zusammenhängendes Problem ist, dass Deutschlands wichtigste Industriesegmente – von der Chemie über die Automobilindustrie bis zum Maschinenbau – auf Technologien aus dem 19. Jahrhundert aufbauen. Während das Land jahrzehntelang durch die Optimierung dieser Produkte erfolgreich war, sind viele von ihnen entweder veraltet (der Verbrennungsmotor) oder einfach zu teuer, um sie in Deutschland zu produzieren.

Beschreibe ich, seit es diese Webseite hier gibt: Man hat nichts mehr erfunden, sondern sich nur noch darum gekümmert, an den Gewinnen und dem Umsatz „Teilzuhaben“ – Stichwort Frauenquote. Man dachte, das läuft ewig und von ganz allein, und könnte deshalb die Männer an den Schalt- und Arbeitsstellen einfach durch quereinsteigende Teilhabende ersetzen. Gibt nur bald nichts mehr, woran man noch „teilhaben“ könnte. Teilhabe heißt bald, auf dem Insolvenzantrag als Antragsteller mit drauf zu stehen.

Innovation schafft Wirtschaftswachstum, und da die traditionelle Industrie in Deutschland schrumpft, stellt sich die Frage, was an ihre Stelle treten wird. Bislang ist nichts in Sicht.

Diversität?

Frauenquote?

Wir sterben gerade an eben dieser Politik, diesem Weltbild, dass es nicht auf Leistung ankommt, sondern darauf, das Geld gleichmäßig auf alle zu verteilen. Quality is a myth.

Nur vier der 100 meistzitierten wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema KI im Jahr 2022 waren aus Deutschland. Zum Vergleich: In den USA sind es 68 und in China 27.

Beschreibe ich seit 1999, wie man die Informatik systematisch zerstört und die Professuren und Führungspositionen rigoros mit unqualifizierten „Quereinsteigerinnen“ und Quotenfrauen zugedonnert hat. Ich schreibe mir die Finger wund und keiner merkt, was vor sich geht.

„Deutschland hat in den wichtigsten Zukunftsbranchen nichts zu bieten“, sagt Marcel Fratzscher, Chef des deutschen Wirtschaftsinstituts DIW. „Was es gibt, ist alte Industrie.“

Dafür haben wir Diversität.

Die Macht der Technologie, eine Wirtschaft zu verändern – oder sie zurückzulassen – wird deutlich, wenn man die Entwicklung in Deutschland und den USA in den vergangenen 15 Jahren vergleicht. In diesem Zeitraum wuchs die US-Wirtschaft, angetrieben durch einen Boom im Silicon Valley, um 76 Prozent auf 25,5 Billionen Dollar. Die deutsche Wirtschaft wuchs um 19 Prozent auf 4,1 Billionen Dollar. In Dollar ausgedrückt, haben die USA ihre Wirtschaft in diesem Zeitraum um den Gegenwert von fast drei deutschen Ländern erweitert.

Schreibe ich seit 1999.

Leute, das war es. Dieses Land ist am Ende.