Als ein Ferengi einem Formwandler die Fremdenfeindlichkeit erklärte
Ein Fundstück.
Eine bemerkenswerte Perle der Weisheit aus der Zeit vor der großen Political Correctness.
Langjährige Leser wissen, dass ich es wegen meines Tinnitus nicht so mag, wenn ich völlige Stille im Arbeitszimmer habe, und deshalb gerne den Fernseher nebenbei laufen habe, damit etwas Hintergrundgeräusch da ist. Oder auch das Radio. Radio interessiert mich aber nicht so, weil ich das Musikgedudel dann auch nicht so mag, Fernsehen ist mir da akustisch einfach lieber.
Weil mir aber ARD und ZDF zunehmend zu doof werden, und man das ja auch einfach nicht aushält, immer denselben Mist zu sehen, greife ich gelegentlich auf Star Trek und ähnliches zurück. Und habe – dafür jetzt allerdings auch einige Monate gebraucht – mir nochmal alle 176 Folgen von Deep Space 9 angeguckt.
Ich habe das damals, als es 1993 bis 1999 erstausgestrahlt wurde, sehr gerne gesehen und betrachtete das im Star Trek-Universum als eine regelrechte Perle, obwohl viele das nicht so mochten und der Erfolg wohl nicht so groß war, weil es – damals ein Experiment – sich von dem Schema der einzelnen Episoden löste und eine übergreifende Story über viele Folgen und Staffeln erzählte – den Krieg der Sternenflotte gegen das „Dominion“, aufgebaut auf einem fiktiven beendeten Krieg zwischen den kriegerischen Cardassianern und den religiösen Bajoranern. Es hat so eine leichte, wohl nicht ganz unbeabsichtigte Duftnote von Nazis gegen Juden, aber es ist dann nicht so, dass die einen nur die Bösen und die anderen nur die Guten sind. In dieser Situation müssen die Cardassianer eine Raumstation aufgeben, die dann von Sternenflotte und Bajoranern besetzt und Deep Space 9 genannt wird, und die sich, wie sich herausstellt, an einem ganz wichtigen und stabilen Wurmloch in den fernen und unbekannten Gamma-Quadranten sitzt, aus dem allerlei Unheil kommt.
Man hatte damals sehr gute Drehbuchautoren, die sich richtig gute Stories einfallen ließen, und sehr gut gebaute Charaktere. Vielleicht zu gut. Zu ambitioniert. Man hatte das normale Star Trek-Publikum etwas überfordert.
So gibt es beispielsweise den Schneider Garak, einen Cardassianer, in Wirklichkeit ein verbannter Ex-Geheimdienstoffizier, von dem man jetzt nie so richtig herausfindet, ob er der Gute oder der Böse, der Freund oder der Mörder ist. Ober er Spion oder Asylant auf DS9 ist.
Es gab mal irgendwo ein Interview mit dem Schauspieler Garaks, der sagte, dass das Absicht gewesen sei, dass man das von vornherein so geplant hatte, dass es nicht einfach nur schwarz und weiß, die Bösen und die Guten gebe, sondern dass in jedem irgendwann mal böse Absichten und irgendwie auch immer verständliche Motivationen stecken. Und man seine Rolle von vornherein so angelegt und man ihm von Anfang an gesagt habe, dass er eine ambivalente Rolle habe. Das gibt dem Ding zwar Tiefe und bereitet interessante Konflikte und Dilemmata, und macht die Sache spannend, aber es hat einen großen Teil der Star Trek Fangemeinde schlicht überfordert. Die meisten wollen klare Fronten: Die Guten siegen am Ende über die Bösen. Dann kann man eigentlich auch ZDF gucken, das ist in jeder Vorabend-Krimi-Serie so.
Ich zweifle gerade ernstlich, ob ich wirklich 176 Folgen gesehen habe. Das wären 132 Stunden, was bei einigen Stunden pro Tag einige Wochen gedauert hätte. Rechnerisch kommt es vielleicht sogar hin, denn ich habe mehrere Monate gebraucht. Aber ich habe nicht mitgezählt, sondern einfach immer die nächste Folge spielen lassen, ohne auf die Nummern zu achten, und in gewisser Weise Zweifel daran, ob die automatische Zählung immer so funktioniert hat. Ich könnte mich jetzt nicht positiv erinnern, tatsächlich 176 Folgen gesehen zu haben. Aber vielleicht rinnen die auch einfach so durch und bleiben im Hirn nicht kleben, wenn man sie nur nebenbei sieht.
Es gibt jedenfalls viele interessante und gut gemachte Szenen. Eigentlich gefällt mir das auch heute noch, obwohl die Filmqualität noch die alte 4:3 NTSC-Fernsehqualität war. Das kommt heute nicht mehr so gut rüber, aber inhaltlich war das schon sehr gut gemacht und vor allem: Gute Schauspieler. Das ist ja nicht selbstverständlich, wenn man etwa den Murks Discovery vergleicht.
Eine besondere Stelle ist mir dabei aufgefallen, die ich zitieren möchte.
Staffel 7, Folge 14.
Odo und O’Brien gabeln unterwegs einen marodierenden „Formwandler“ namens Laas auf und bringen ihn auf die Station. Formwandler – wie Odo selbst – sind Lebewesen, die ihre Form beliebig verändern können. Der nun ist zwar nicht böse, aber reichlich arrogant und überheblich und schert sich nicht um „Solids“, also solche, die ihre Form nicht verändern können. Mal ist er Feuer, mal ist er Nebel.
Es kommt darüber zu einem tödlichen Streit mit zwei Klingonen, mit dem entsprechenden Ärger.
Weil Odo aber nicht verstehen und einsehen will, dass ein Formwandler auf der Station zu Streit führt, denn er ist ja selbst einer und hat bisher auch keinen Streit provoziert (er ist der Sicherheitschef), spricht ihn der Ferengi Quark, seines Zeichens Wirt der Bar und Schlawiner, auf die Sache an und erklärt ihm, was Auslöser des Streites ist. Eigentlich passt das gar nicht so zur eher pragmatischen und opportunistischen Figur des Quark, anscheinend wollten da entweder die Drehbuchautoren oder der Schauspieler selbst etwas loswerden, sagen, unterbringen.
Hört Euch mal an, was Quark da zu Odo sagt, um zu Erklären, warum die Klingonen Streit mit dem Formwandler Laas anfingen:
Dafür würde man heute politisch gelyncht. Sowas könnte man heute nicht mehr sagen.
Und vermutlich konnte man es im Amerika der 1998/1999er Jahre auch schon nicht mehr direkt sagen, weshalb man man das auf die Schiene der Humanoiden gegen Formwandler packt. Quark als eine Art Stellvertreter des normalen Amerikaners.
Das ist einer der Gründe, warum mir DS9 so gut gefallen hat – und gefällt. Das waren noch gute Autoren mit einer kritischen Sichtweise und eigenen Gedanken, die nicht einfach irgendeinem Mainstream hinterherschrieben und Handlungsdurcheinander produzierten wie später bei Star Trek Discovery.