„Warum können die Hamburger, was die Kölner nicht mehr können?“
Ein Leser fragt an:
Warum können die Hamburger, was die Kölner nicht (mehr) könnnen
Lieber Herr Danisch,
geistige Unbeweglichkeit und Besitzstandswahrungsdenken zeigt sich auch bei Messebetreibern.
Köln-Messe mußte die Photokina wohl auf Dauer absagen.
Die hamburger Messegesellschaft startet eine im Profil ähnliche Messe:
https://www.photopia-hamburg.com/photopia-summit/besucher/about-photopia
und das in Deutschland!
Es geht also doch!
Viele Grüße
Naja.
Ich kenne die „Photopia“ nicht. Ich würde hinfahren, passt mir aber zeitlich gerade gar nicht.
Ganz fair ist der Vergleich aber auch nicht, weil die Photokina eben sehr alt ist und schon immer eine Messe der Hersteller war, deren Zweck sich nicht nur durch Internet erledigt hat, sondern die auch vom Corona-Lockdown erledigt wurde. Die Photokina ist im Prinzip denselben Tod gestorben wie der IKEA-Katalog, weil man eben nicht mehr wie früher einmal im Jahr die Neuigkeiten vorstellt, sondern wir heute kontinuierliche Produktvorstellungen haben und diese in den elektronischen Medien sofort vorgestellt werden. Früher stellten die Hersteller ihre Neuigkeiten auf der Photokina vor, und die Journalisten der Kamerapresse berichteten darüber. So erfuhr man davon. Das ist alles längst hinfällig, auch IKEA hat keinen jährlichen Produktzyklus mehr. Nur dass IKEA ein Kaufhaus ist und ohne Katalog immer noch ein Kaufhaus, während von der Photokina ohne Messe gar nichts mehr übrig ist.
Und dementsprechend ist sowohl das Konzept, wie auch der Name und der Standort Köln einfach „verbrannt“, ohne dass die direkt was dafür können, weil man jede neue Messe immer für einen Neuaufguß des alten Teebeutels hielte.
Soweit ich das von außen ersehen kann, ohne dort gewesen zu sein, hat die Photopia eine deutlich andere Ausrichtung. Dort geht es um Konferenzen, Special Areas, Galerien, Events, Awards, und eher zuletzt um Aussteller und Produkte. Darunter viele, von denen ich noch nie gehört habe.
Mir scheint, die Photokina war eine Anbietermesse und die Photopia ist ein Anwenderkongress. Oder überhaupt eine Zeitgeistschleuder. Vieles hört sich für mich nach leerem Geschwätz an, und der Satz von der Webseite trifft die Sache wohl gut:
Als Schnittstelle für Industrie, Branchenvertreterinnen und Branchenvertreter, Content Creators und Publikum macht die PHOTOPIA die Hansestadt für vier Tage zum Zentrum der Digital-Imaging-Szene. Freut euch auf geballte Inspiration und auf zahlreiche Neuerungen, die wir für euch im Gepäck haben: Dazu gehören unter anderem der „B2B Day“ am Donnerstag, als globaler Marktplatz für das Business, auf dem neue Impulse entstehen. Oder auf die Premiere der Special Area rund um das Zukunftsthema Künstliche Intelligenz.
Selbstverständlich fahren wir wieder mit einem fantastischen Programm auf, das einzigartige Erlebnisse und Begegnungen mit der Community schafft. Dazu präsentieren wir das „Who´s who“ aus Fotografie, Videografie, Kunst und Social Media.
Das ist mehr so ein Social Event, und die sind heute totaaaal wichtig in der „Szene“.
Nun gibt es sowohl in Hamburg, als auch in Köln eine Medienszene, aber die unterscheiden sich. Vielleicht wollten die Hamburger einfach mal ihre eigene Hausmesse.
Und vielleicht war die Photokina auf dem normalen Messegelände (lange her, dass ich dort war), dann eben auch zu mufflig, weil eben so Messe in Messehalle eben. Demgegenüber scheinen die in Hamburg das Thema Hafen genutzt zu haben und ein zwar eher improvisiertes, aber interessanteres Ambiente gemacht zu haben und mehr Dinge zu bieten, für die man anwesend sein muss, und die man weniger im Internet findet.
Ich würde daraus aber nicht schließen, dass die Hamburger per se mehr können als die Kölner. Manches, wie eine Messe, überlebt sich halt, und ein Neuanfang braucht dann manchmal auch einen Standort- und Tapetenwechsel.
Und für einen Neuanfang wäre es wohl auch keine gute Idee, ihn an dem Standort zu machen, an dem das Publikum müde geworden ist. Vielleicht waren auch einfach nur die, die das neu aufziehen wollten, eben in Hamburg ansässig.
Dieses Jahr passt es mir zeitlich nicht. Aber ich werde es mir für nächstes Jahr in den Kalender schreiben.
Außerdem sollte man erst einmal abwarten, ob das überhaupt „funktioniert“. Nach dem Wegfall der Photokina hat man automatisch einen Starterfolg, wenn man etwas hinreichend Frisches, Anderes bringt, das trotzdem die Lücke füllt, und mit einiger Wahrscheinlichkeit haben die 2022 von der Corona-Müdigkeit profitiert und werden es dieses Jahr.
Man muss dann erst einmal sehen, ob sich das Konzept dauerhaft trägt.
Da es aber inzwischen eine riesige Szene aus Content Creators, Influencers, Youtubers, Social Media-Stars, Bloggern (und solchen, die es sein oder werden wollen) gibt, ist ein „Branchenkongress“ schon nahe am Selbstläufer.
Ich sehe das jetzt auch durchaus nicht negativ, auch wenn mein Ton da etwas defätistisch sein mag. Denn wir müssen ja die Presse und den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk ablösen und durch Neues ersetzen. Und von nichts kommt nichts. Das ist in gewisser Weise und in gewissem Umfang „erforderlich“, da die Szene etwas zu dressieren und domestizieren. Sind ja auch nicht immer alle stubenrein.