Ansichten eines Informatikers

Meine Stellungnahme für den Deutschen Bundestag zur Vorratsdatenspeicherung

Hadmut
11.10.2023 16:07

Einige Leser hatten bemerkt, dass, andere Leser hatten besorgt angefragt, warum ich seit einigen Tagen so wenig gebloggt habe.

Hier ist die Antwort. Aber nun bin ich auch wieder voll da.

Ich habe letzte Woche eine Einladung des Deutschen Bundestags zur Stellungnahme als Sachverständiger/-kundiger in der Anhörung im Rechtsausschuss über einen CDU/CSU-Antrag (der aber quasi eine Zustimmung zu einem Vorhaben Nancy Faesers darstellt), die Vorratsdatenspeicherung neu und erweitert aufzulegen, bekommen.

Und ich war nun eine Woche lang sehr damit beschäftigt, meine schriftliche Stellungnahme zu verfassen. Alle Stellungnahmen (einer der Sachverständigen hat nicht mitbekommen, dass er eine schreiben soll, und deshalb keine gehabt), den Antrag und so weiter findet man hier auf der Webseite des Bundestages.

Warum mache ich das?

Ich werde gelegentlich gefragt, warum ich so etwas überhaupt mache, warum die Mühe und den Aufwand, der praktisch nicht entlohnt wird, wenn doch in den Parlamenten sowieso nicht draus wird.

Ich habe dafür zwei Gründe.

  1. Ich halte es für eine allgemeine Bürgerpflicht, daran mitzuwirken, ähnlich wie als Zeuge bei einer Zeugenaussage.
  2. Man kann nicht, wie ich, als Blogger öffentlich den Vorwurf erheben, dass die abgehobenen Parlamente einen nicht fragen, und dann in den Fällen, in denen sie es dann doch mal tun, das Maul nicht aufkriegen. Die Regel heißt: Bedenke, worum Du bittest. Es könnte Dir zumindest gelegentlich gewährt werden. Also habe ich mir das überlegt, bevor ich in Form von Regierungskritik „gebeten“ habe.

Gelegentlich kommt die Zusatzfrage auf, warum ich als Sachverständiger „für die AfD“ aufträte.

Das ist einfach falsch.

Denn erstens bin ich auch schon „für“ die SPD und die CDU tätig gewesen.

Zweitens bin ich nicht „für“ die AfD tätig, sondern für den jeweiligen Land- oder Bundestag, deren Ausschüsse, die mich einladen. Die AfD schlägt mich da nur vor. Das ist mir auch relativ egal, wer mich da vorschlägt. Ich würde auch hingehen, wenn mich die SPD oder die Grünen vorgeschlagen hätten, weil für mich zählt, wer mich da formal einlädt.

Drittens und wichtigstens aber, weil in diesem ganzen Sachverständigendings die AfD die ist, die mir gegenüber mit Abstand am Seriösesten aufgetreten ist.

Als ich damals, 1998, das Gutachten für den Bundestag auf Vorschlag der SPD geschrieben habe, ging jeden Tag das Telefon, bekam ich zuhause den Anruf, was da noch zu ändern wäre, was rein muss, was raus muss. Die AfD dagegen mischt sich überhaupt nicht ein, macht keinerlei Vorgaben, sie fragt nicht vorab nach der Ausarbeitung und bekommt sie auch nicht. Völlig neutral, man lässt mir da ohne jede Einflussmöglichkeit freie Hand. Das Einzige, was passiert, ist, dass die vorab, bevor sie mich vorschlagen, kurz anfragen, ob ich Zeit und Lust habe, zu einer bestimmten Anhörung was zu sagen, damit sie niemanden vorschlagen, der dann absagt.

Dazu kommt, dass die AfD eben nicht so verbandelt ist, wie die anderen Parteien, und eben nicht die üblichen Spezis und immer selben Verdächtigen einlädt, sondern deutlich stärker auf Sachkunde und Berufserfahrung Wert legt. Was damit zu tun haben könnte, dass der Anteil von Leuten, die keine Berufspolitiker oder Studienabbrecher sind, sondern einen richtigen Beruf erlernt und auch ausgeübt haben, in der AfD deutlich höher als in den anderen Parteien ist. Und das merke ich dann bei den Veranstaltungen, zu denen ich dann vorgeschlagen und eingeladen werde, mehr oder weniger der Einzige bin, der richtig Berufserfahrung zum Thema hat.

Und das ist mir auch heute wieder aufgefallen. Da halten Juristen gerne ihre Exegese von irgendwelchen Urteilen ab, erklären irgendwas für rechtmäßig und erforderlich, oder lehnen es auch ab und warnen vor den Gefahren, ohne es verstanden zu haben. Das ist mir gerade wieder oft aufgefallen, an den Ausarbeitungen, Stellungnahmen, auch den Fragen, dass viele Leute nicht verstanden haben, über was sie da reden, und dann fehlerhafte, unsinnige oder sogar falsche Aussagen treffen.

Ich komme aus der Informatik. Ich bin Informatiker. Und da, wie bei den Mathematikern, redet man eigentlich nicht über undefinierte Begriffe, sondern fängt erst einmal damit an, Begriffe zu klären, eindeutige, unzweifelhafte Definitionen zu liefern. Sich darauf zu verständigen, worüber man miteinander redet.

In der Politik und der Juristerei ist das nicht so. Die reden ohne Hemmungen per Verfassungs- und Urteilsexegese über die Rechtmäßigkeit und Verfassungskonformität von X, ohne näher verstanden zu haben, was X ist. Hier: die Portadressen und deren Speicherung. Ich finde so etwas einfach unmöglich. In der Herangehensweise, die ich aus dem IT-Bereich, aus der Informatik, aus der Didaktik, aus der Industrie kenne, würde man so eine Veranstaltung so nicht abhalten, sondern erst einmal eine Lehrveranstaltung vorschalten, in der einer erklärt, worum es überhaupt geht.

Juristen, Politiker, teils auch Kriminalisten, haben da keine Hemmungen. Die reden, entscheiden, gesetzen über Sachen, von denen sie kaum mehr als den Namen kennen. Mein Vorwurf wäre, dass es sie nicht stört. Mein Verdacht wäre, dass sie es nicht einmal merken, weil sie es nicht besser kennen. Die arbeiten so.

Und das muss ich jetzt dann auch einfach feststellen, dass die AfD die (fast) Einzige war, die zu einer Anhörung über Vorratsdatenspeicherung und Portadressen einen einlädt, der das schon mal beruflich gemacht und selbst gesehen hat. Zwei der anderen Sachverständigen haben die Probleme zumindest im Prinzip erkannt und auch angesprochen. Beispielsweise, dass man selbst eine dynamisch zugewiesene IP-Adresse für Stunden oder Tage, einen NAT-Port dagegen nur für Sekunden oder Millisekunden haben kann. Und die Uhren gar nicht genau genug gehen, um das halbwegs fehlerfrei zu protokollieren. Der Unterschied, auch dass eine IP-Adresse nutzungsunabhängig, ein NAT-Port aber nutzungsabhängig zugewiesen wird, kommt bei denen nicht an. Die machen ein Gesetz, mit dem sie irgendwen zu irgendwas verpflichten, und ob das überhaupt geht und man das darf, interessiert nicht. Oder man guckt blöd, wenn es dann vor Gericht platzt.

Man merkt dann aber eben auch, dass man dafür dann von den anderen Parteien geschnitten und einfach ignoriert wird.

Auch, weil die das überhaupt nicht mögen, wenn man deren Rechtssermon durch technische Hinweise unterbricht (wie damals bei der Kinderpornosperre von der Leyens).

Meine schriftliche Stellungnahme

Findet ihr unter dem oben angegebenen Bundestags-Link zusammen mit den anderen.

Die Terminanfrage hat mich schon vor einigen Tagen erreicht, die konkrete verbindliche Einladung aber erst letzte Woche, auf Zypern. Außerhalb der Reichweite von Literatur. Eigentlich wollte ich die letzten schönen warmen Tage im Oktober damit verbringen, im Meer oder Freibad planschen zu gehen, die sind jetzt der Stellungnahme zum Opfer gefallen. Deshalb auch mein Dank an die Leser, die mir „Rosi sucht Geld“ geschickt haben. Mit Zeit und Mühe hätte ich das irgendwann auch selbst gefunden, aber die Zeit hatte ich gerade nicht. Danke für die Hilfe!

Deshalb habe ich meine Stellungnahme auf Grundlage meines bereits bestehenden Wissens erstellt und

  • Meine Tätigkeit in der Vorratsdatenspeicherung 2009
  • Meine Erfahrungen aus dem Kinderpornosperrenzirkus 2009
  • Und was ich gerade vor ein paar Tagen erst über die Ausforschung und Terminierung meines Kontos durch das LKA Berlin aufgedeckt habe.

Dazu zunächst Fehler des Antrags aufgezeigt und dann als Maßstab des EuGH-Urteil angelegt, auf das sich das alles bezieht, in dem es am Ende heißt:

Diese Rechtsvorschriften müssen durch klare und präzise Regeln sicherstellen, dass bei der Speicherung der fraglichen Daten die für sie geltenden materiellen und prozeduralen Voraussetzungen eingehalten werden und dass die Betroffenen über wirksame Garantien zum Schutz vor Missbrauchsrisiken verfügen.

Und bin auf dieser Grundlage zu dem Schluss gekommen, dass dies in Deutschland beim unzureichenden Zustand aller drei Staatsgewalten und belegt durch Beispiele nicht möglich, eine Vorratsdatenspeicherung derzeit nicht zulässig ist. Allein schon der Vorgang mit meinem Konto zeigt, dass es politisch motivierten Missbrauch von Polizeibefugnissen gibt und der nicht kontrolliert, sondern im Gegenteil gefördert wird.

Meines Erachtens kann jeder, der genug Ahnung hat, eine deutsche Vorratsdatenspeicherung vor dem EuGH wegklagen.

Allein schon die Sache mit den Grünen, die da ihre Leute eingepflanzt haben, würde reichen. Bedenkt, dass derselbe EuGH die deutschen Staatsanwaltschaften vom europäischen Haftbefehl ausgeschlossen hat, weil sie nicht unabhängig sind.

Meine mündliche Stellungnahme

Ach, ging gründlich schief und daneben.

Eigentlich hatte ich mich gründlich vorbereitet und hier den ganzen Videokonferenzkram mit Mischpult, Beleuchtung, usw. aufgebaut.

Das Problem war aber, dass die Internetverbindung wohl so schlecht war, dass da praktisch nichts ankam. Ich habe zwar von hier schon viele Videokonferenzen gehabt, und ab und zu mal ein kurzer Ruckler ist normal, aber für gewöhnlich läuft das. Ich hänge mit einer 100MBit-Glasfaser-Leitung am Provider, weiß jetzt aber nicht auswendig, wie stark der Uplink dabei ist. Zypern hängt über eine Stichleitung an den ganz dicken Kabeln, mit denen Europa von Frankreich aus durch das Mittelmeer mit Asien/Nahost verbunden ist. Nochmal testen. Vielleicht reicht der Uplink wirklich nicht für FullHD, aber eigentlich würde ich erwarten, dass das System die Qualität adaptiert. Zumindest der Download Ton und Bild mehrerer Onlineteilnehmer hat funktioniert.

Etwas irritiert war ich, weil Ton und Bild vor der Veranstaltung, ich hatte mich 15 Minuten vorher eingeloggt, noch als einwandfrei bestätigt wurden. Doch Sabotage?

Ob da jetzt eine technische Störung vorlag, weil ich das Setup hier zum ersten Mal benutzt habe und sonst immer einfachere Aufbauten, ob mich da jemand sabotiert hat, oder ob das mit dem Krieg zu tun hat, kann ich nicht sagen. Es ist natürlich naheliegend, dass gerade enorme Datenmengen aus Israel und Palästina nach Europa gepumpt werden, und heute morgen ist mir etwas ungewöhnlicher Flugverkehr aufgefallen.

Und meine neue Streaming-Kamera, bisher nur kurz im Test gehabt, eine Sony ZV-E10, hat sich mittendrin auch immer wieder abgeschaltet, und ich weiß nicht, warum. So ein Verhalten deutet normalerweise auf Überhitzung hin, und hier ist es ja auch warm. Da ich mit der Kamera aber nicht auf Karte aufgenommen, sondern nur das Videobild auf dem HDMI rausgegeben habe, gibt es eigentlich keinen Grund für eine Überhitzung. Ärgerlich. Denn gestern abend hatte ich sie zum Testen bereits 3-4 Stunden laufen, und da lief sie einwandfrei, aber da war es etwas kühler.

Sei es drum.

Die mündliche Stellungnahme ist vermurkst. Das macht aber nichts, weil mir da eh niemand richtig zugehört hätte und die eigentliche Substanz in meiner schriftlichen Stellungnahme liegt.

Ich halte sowieso nicht viel von diesen mündlichen Sachen, weil die einfach so verpuffen. Früher sagte man, „wer schreibt, der bleibt“.

Rechtssicherheit

Einen will ich aber noch loswerden.

Was mir an der Sache am meisten gegen den Strich geht, ist, mit welcher Leichtfertigkeit und Selbstverständlichkeit, ohne das jemals geprüft zu haben, von der „rechtssicheren Speicherung von IP-Adressen“ reden.

Das Internet ist nicht „rechtssicher“.

Es ist dafür weder spezifiziert, noch gebaut. Es hat diese Eigenschaft nicht. Sonst bräuchte man ja auch keine Aufsatzprotokolle wie TLS.

Mir ist auch nicht bekannt, dass es jemals irgendeine Untersuchung oder Feststellung darüber geben, dass das Internet irgendwie „rechtssicher“ sei.

Trotzdem wird das von den Juristen einfach so ins Blaue postuliert.

Ich habe heute auch gesagt, dass ich es für unseriös und nicht vertretbar halte, Rechtsgutachten und -meinungen über Dinge abzugeben, die man nicht verstanden hat. Ich weiß aber nicht, wieviel davon wegen der schlechten Verbindung tatsächlich angekommen ist.