Monumentalschinken II: „Berlin 1933“ – Wie kam es zum Dritten Reich?
Noch so ein Dreistunden-Ding.
Habe ich selbst noch nicht gesehen, sollte man aber sehen:
Ein Leser wies mich darauf hin, dass im Fernsehen beim RBB gerade etwas liefe, was die – im Blog schon oft angesprochenen – Aussagen meiner Großmutter über das Dritte Reich bestätigten.
Das muss – nach Sender und Uhrzeit des Hinweises – wohl diese 3-Stunden-Dokumentation sein.
Ich habe sie noch nicht gesehen, weiß deshalb nicht, auf welche Aussage meiner Großmutter sich der Leserhinweis bezog. Zwei wesentliche Aussagen meiner Großmutter waren, dass die Leute 1933 Hitler gewählt haben, weil das Land völlig im Chaos versank, man auf den Straßen nicht mehr sicher war, die Kommunisten ihr Unwesen trieben, man nicht mehr ordentlich einkaufen konnte, Gewalt und Anarchie, Arbeitslosigkeit und solche Dinge inakzeptable Ausmaße angenommen hatten. Und Hitler schaffte erst einmal Ordnung. Was normalerweise nicht erwählt wird. Alle fragen sich immer nur – wohl eher rhetorisch und theatralisch – wie es zum Dritten Reich kommen konnte, dabei sind die Antworten wohl bekannt. (Ähnlich wie diese Deppenfrage „Woher kommt nur all der Hass“ – als ob das nicht allgemein bekannt wäre.)
Die andere Aussage war, dass „ab der Hälfte der Zeit“ jeder gewusst habe, was da mit den Juden ablaufe. Aber es sei einfach zu spät gewesen, jeder sei nur noch damit beschäftigt gewesen, selbst irgendwie zu überleben. Ich hatte den Zeitpunkt damals als Jugendlicher falsch verstanden und nicht weiter gefragt, auf was sich das bezieht, weil ich dachte, dass damit die Mitte zwischen 1933 und 1945 gedacht sei. Ich hatte das vor vielen Jahren im Blog aber mit Lesern diskutiert und gemeint ist wohl die Mitte der Zeit zwischen 1938/39 und 1945. Also meinte sie wohl etwa um 1942. Sie sagte, jeder habe das gewusst, was in den Konzentrationslagern ablief. Die Medien, die Zeitungen, der Rundfunk haben zwar kein Wort davon erwähnt, offiziell haben man das nie zugegeben, aber die Mundpropaganda, die Dorfverbindungen (die Social Media der Zeit) hätten das brühwarm weitergegeben. Da hätten dann Wehrpflichtige, die im KZ Dienst leisten mussten, ihre Erlebnisse in der Dorfkneipe direkt erzählt, und versucht, sich mit Alkohol zu betäuben. Deshalb könne sie auch ausschließen, dass das alles nur Nachkriegspropaganda war, denn sie habe das ja lange vorher, und unmittelbar aus erster Hand von Beteiligten erfahren, da kann niemand Propaganda eingestreut haben. Aber der Großvater war da schon im Krieg, und die Großmutter mit Mühe beschäftigt, die eigene Familie am Leben zu halten. Meine Großmutter hatte damals – verbotenerweise – eine Pistole und Schießen gelernt, um die eigene Familie zu verteidigen oder notfalls auch selbst zu erschießen, um sie vor Schlimmerem zu bewahren. Sie hat mit der Pistole auch mal eine scharfe Panzer-/Tellermine auf dem Acker in die Luft gejagt, die die Kinder mal irrtümlich in die Küche gebracht hatten, weil sie dachten, es sei eine Bratpfanne. Man war damals sehr damit beschäftigt, erstens zu überleben, zweitens nicht selbst umgebracht zu werden und drittens am Leben zu bleiben. Eine Mutter, deren Mann im Krieg ist, und die versucht, ihre Familie unter Kriegs- und Nazi-Bedingungen durchzubringen, hat nicht die Zeit und Muße, noch gegen KZs demonstrieren zu gehen. Die versucht, um jeden Preis nicht aufzufallen.
Als ich vor Jahren mal einen Blogartikel darüber geschrieben hatte, bekam ich böse Zuschriften. Das sei alles falsch und gelogen, könne ja gar nicht sein. Nur die Wehrmacht habe Wehrpflichtige gehabt und die sei nie in den KZs gewesen. Mir schrieben aber auch zwei Historiker, darunter einer, der genau darüber promoviert hatte, dass das durchaus möglich und plausibel sei, denn es gebe historische Dokumente, die sehr wohl bewiesen, dass Wehrpflichtige an die KZs abgestellt worden waren, das sei unstrittig und belegt. Es gäbe nur eben noch überlebende Anhänger der Wehrmacht, die diese als edel und nicht am Bösen beteiligt hochhalten wollen und auf die saubere Trennung zu SS usw. so großen Wert legten, obwohl es diese Trennung so scharf nicht gab. Dazu kommt, dass meine Großeltern damals in Oberschlesien, Gleiwitz, lebten, und von da ist es nicht weit, nur eine Zugfahrt von etwa einer Stunde, nach Auschwitz.
Über die Jahre habe ich Zuschriften von Leuten bekommen, die ebenfalls mit ihren Eltern oder Großeltern gesprochen hatten, und von denen sie gleichartige oder sehr ähnliche Aussagen erhalten hatten, die dies also bestätigen konnten.
Insofern weiß ich nicht, worauf der Leser sich bezog, als er mir schrieb, die Dokumentation enthalte quasi die Verfilmung der Aussage meiner Großmutter.
Der Punkt ist einfach, dass es sich wohl durchaus lohnt, die Dokumentation anzuschauen und drüber nachzudenken.