Ansichten eines Informatikers

Noch nicht verdorben, aber nicht mehr gut

Hadmut
24.11.2023 15:38

Man hätte es noch essen können. Aber nicht essen wollen.

Ich hatte im hintersten Küchenschrank noch ein paar Schachteln Mikrowellen-„Menüs“. Solche, die recht lange haltbar sind. Oder, besser gesagt, waren.

Nun will ich nicht grundsätzlich etwas gegen Mikrowellen-Menüs sagen. Da gibt es einige recht gute, und bis vor ein paar Jahren gab es im hiesigen Discounter sogar ganz hervorragende eingeschweißte Essen einer ortsnahen Kantine oder Fabrik, die wirklich sehr gut und sehr appetitlich waren. Das lief aber nicht, die waren zu teuer.

Alle Mikrowellenessen, die ich für gut erachten würde – und damit meine ich nicht, dass es mit frisch zubereitetem Essen konkurrieren könnte, aber dass es trotzdem gut und lecker schmeckt und es einen halbwegs frischen Eindruck macht, man das essen will und sich nicht dazu zwingen muss, mitunter würze ich die noch etwas oder tue mir Schafs- oder Ziegenjoghurt dran, wenn es sich um Gemüse handelt – haben eines gemeinsam: Sie müssen gekühlt werden und haben eine relativ kurze Haltbarkeitsdauer (MHD) von vielleicht 2 Tagen bis höchstens 2 Wochen.

Als das damals mit Corona los ging und man nicht wusste, ob die Läden offen bleiben oder man zu Quarantäne verdonnert wird, und man dann ja für 2 bis 4 Wochen darauf angewiesen wäre, dass einen irgendwer von außen versorgt und einem irgendwelche Lebensmittel vor die Tür stellt, woran ich praktisch nie geglaubt habe, hatte ich vorsorglich mit Konserven und Nudeln und sowas aufmunitioniert. Anscheinend nicht nur ich, denn Konserven und Nudeln waren dann ja auch knapp oder ausverkauft. Ich kann mich noch erinnern, dass die Regale leer waren, und ich zu Metro kam, die normalerweise eine ganze Hochregalreihe nur mit Nudeln aller Art haben, und wo in dieser ganzen riesigen Regalreihe, die normalerweise gestopft voll ist, nur noch eine einzige Tüte in Gewerbsgröße überteuerter italienischer Edelnudel lag – die ich dann gekauft habe. Die aber, ehrlich gesagt, auch nicht anders schmecken als andere Nudeln. Nur anders heißen.

Jedenfalls ging mir die Überlegung durch den Kopf, dass man notfalls 4 Wochen ohne Lebensmittellieferung von außen auskommen müsste.

Nun sind 4 Wochen für eine einzelne Person (mit persönlichen Fettreserven) rein logistisch gar nicht mal so schwierig, aber mein Lieblingsessen ist nun mal die Abwechslung, und ich hatte die Befürchtung, dass man dann irgendwann durchdreht, wenn man nur noch Konserven, Nudeln und sowas isst, was ja dann doch immer irgendwie gleich oder ähnlich schmeckt, und hatte auch für Vorräte an Gewürzen und etwas Abwechslung gesorgt, oder es zumindest versucht. Beispielsweise saure Gurken, weil die, auch wenn sie konserviert sind, trotzdem irgendwie frischer schmecken als andere Konserven. Schokolade. Kekse. Solche Überlegungen eben. Was man auch kalt essen kann. Grundsätzlich die Gedanken, die auch hinter dem EPA der Bundeswehr stehen, die ja auch versuchen, das a) haltbar, b) klimaunabhängig lagerfähig, c) notfalls auch kalt zu essen und d) zumindest mit etwas geschmacklicher Abwechslung zu machen.

Wusstet Ihr übrigens, dass diese bekannten Ramen Noodles, diese asiatischen billigen Nudelpackungen aus Trockennudel, etwas Öl, etwas Würze, etwas Geschmacksmark, etwas Schärfe in kleinen Tütchen – habe ich irgendwo gelesen – ein Produkt der Weltkriege ist? Japan hat es wohl im zweiten Weltkrieg nicht geschafft, die eigene Bevölkerung ausreichend zu ernähren und deshalb nach dem Krieg einer Universität den Forschungsauftrag erteilt, dass sie sich mal was zu essen einfallen lassen sollen, was gut zu lagern ist, nicht gekühlt werden muss, wenig Platz braucht, wenig Gewicht hat, mit geringsten Ressourcen zuzubereiten ist, schnell, einfach und mit einem Minimum an Brennmaterial, und von jedem Depp hinzukriegen ist. Und richtig billig ist. Sie haben gegrübelt und geforscht, und heraus kamen diese Ramen Noodles, die es heute in jedem Supermarkt gibt. Von denen habe ich auch ein paar Packungen. Die kann man auch nur sehr begrenzt essen.

Und dann hatte ich mir noch zehn Packungen von etwas gekauft, was eigentlich niemals in die Küche darf: Ungekühlte Mikrowellengerichte. So Zeug, was ein bis zwei Jahre haltbar ist und aussieht wie Tapetenkleister. Sowas hatte ich mal als Student, und normalerweise schon ein bis zwei Stück in Notreserve, falls mal ein Notfall eintritt und man schnell und ohne Aufwand irgendwas braucht, aber die Küche und der Kühlschrank leer sind, etwa weil man gerade eben in der Nacht von Samstag auf Sonntag aus dem Ausland kam oder sowas.

Ich dachte so, für den schlimmsten Fall, und wenn die Energie knapp und kontingentiert ist, oder man nur noch zeitweise Strom hat, notfalls auch auf dem Campinggrill zu erwärmen, oder man ja vielleicht auch so krank wäre, dass man gar nicht mehr mehr schafft als das Ding vom Küchenregal in die Mikrowelle zu wuchten …

Also hatte ich zehn von den Dingern für Corona-Notfälle.

Und dann kam letztes Jahr die – oder zumindest die Erwartung der – Energiekrise, wo man dann ohne Strom und ohne Heizung im Dunkeln gesessen hätte, vielleicht hin und wieder mal kurz etwas Strom. Dafür könnte man die auch brauchen.

Jedenfalls bin ich heute auf die Dinger gestoßen. Mindesthaltbarkeitsdatum 2022 oder Frühjahr 2023. Abgelaufen.

Nun dachte ich, dass bei Zeugs, was so lange hält, ja nicht sofort der Zerfall eintritt, und habe mal zwei heiß gemacht und angetestet.

Ich hatte ja schon mal über eine alte Packung Spaghetti-mit-Zubehör geschrieben, und weil ich Lebensmittel jenseits ihres Haltbarkeitsdatums zwar mit einer gewissen Skepsis, und auch tendenzieller Ablehnung, aber trotzdem mit interessierter Neugier entgegentrete, neige ich dazu, sie zumindest auf Genießbarkeit anzutesten und mir eine Meinung zu bilden. Ich bin nicht der Meinung, dass man etwas, was über dem MHD ist, aus Prinzip wegwerfen muss. Genausowenig bin ich aber der Meinung, dass man es aus gegenteiligem Prinzip essen muss. Abgelaufens MHD heißt für mich vor allem, Hirn, Augen, Nase, Zunge einzusetzen. Allerdings reicht es mir nicht, wenn etwas nicht verdorben ist. Man muss auch nicht unbedingt Lebensmittel im Wert von 2,50 Euro, die nicht mehr gut schmecken, aus Umweltschutz runterwürgen, während man gleichzeitig im Supermarkt nur teure Bioäpfel und Biokartoffeln kauft, weil einem alles andere qualitativ nicht gut genug ist.

Eine Rindsroulade mit Kartoffelstückchen und Rotkohl mit MHD von Mitte 2022 habe ich dann nur angetestet, aber nicht gegessen. Die wanderte in den Müll. Was mich aber erstaunt hat: Die machte mitnichten einen verdorbenen Eindruck, außer dass im Fach mit den Kartoffelstückchen Flüssigkeit stand. Essen hätte man das schon können, und verblüffenderweise zeigt gerade das Fleisch am wenigsten Alterungserscheinungen. Ich glaube nicht, dass mich das gesundheitlich irgendwie beeinträchtigt hätte, aber es hat halt nicht gut geschmeckt. Genauer gesagt: Es hat nach sehr wenig geschmeckt. Dafür war unverkennbar Salz drin, als eine Art Geschmacksverstärker, was mich zu der Frage brachte, ob das eine Alterungserscheinung war, oder ob das schon immer so geschmeckt hat und die gerade deshalb Salz reingetan haben.

Ich habe nämlich einen systematischen Fehler gemacht. Ich hätte damals schon neu gekaufte zum Vergleich essen sollen, oder jetzt in den Laden gehen und das gleiche Ding nochmal neu kaufen und dann vergleichen müssen. Dazu hatte ich jetzt auch keine Lust.

Ein „Hacksteak“ (Fleischklops in Soße) mit Reis und Erbsen, MHD Anfang 2023, war zwar jetzt auch keine geschmackliche Offenbarung und kulinarisch auch nur in überschaubarer Distanz oberhalb des Materials, aus dem Amazon seine Versandkartons macht (bei IKEA hatte ich allerdings auch schon den Verdacht, dass die Fabriken für Köttbullar und Billy nicht weit voneinander entfernt sind, vorsichtig ausgedrückt), und geschmacklich das Gegenteil von „aufdringlich“, eher ein geschmackliches Suchspiel,

Ich komme zu dem Ergebnis, dass es zwar nach meinem Dafürhalten nicht gesundheitsschädlich gewesen wäre, es zu essen, eine Packung habe ich ja gerade auch noch gegessen, bis auf den Umstand, dass deutlich zu schmecken war, dass man Salz reingetan hat und dafür keinerlei Vitamine mehr drin sein dürften, aber so sonderlich geschmeckt hat das nicht. Wesentlich schlechter als in der Uni-Mensa damals hat es allerdings auch nicht geschmeckt.

Ich komme zu dem Ergebnis, dass es vielleicht gar nicht so verkehrt ist, dass das Zeug nicht schmeckt.

Damit nämlich ist sichergestellt, dass man es nicht ohne Not ist und damit nicht, weil man gerade mal zu faul ist, einkaufen zu gehen. Nur weil das Zeug nicht lecker schmeckt, ist gewährleistet, dass es auch noch da ist, wenn man es mal wirklich braucht. Das isst keiner mal so weg.

Ich werde also die mit MHD 2022 entsorgen und die mit abgelaufenem MHD 2023 noch weiter antesten, soweit ich da noch unterschiedliche Sorten habe, aber Appetit habe ich nun wirklich nicht auf die Dinger.

Nichtsdestotrotz würde ich empfehlen, ausreichend Vorräte im Haus zu haben, und, sofern man Besitzer einer Mikrowelle ist, auch zwei, drei Stück von den Dingern pro Person.

Im Zweifel immer noch besser als gar nichts.