Ansichten eines Informatikers

Juristen und Digitalisierung

Hadmut
5.12.2023 12:00

Zwei Welten treffen aufeinander.

Die Legal Times Online beschreibt, wie sich der Bundesrat in Form der Justizminister gerade mit Bundesjustizminister Buschmann um die Digitalisierung fetzt: Boy­kot­tiert der Bun­desrat die Digi­ta­li­sie­rung der Justiz?

Der Brüller daran: Eigentlich hat der Streitpunkt mit Digitalisierung nichts zu tun, das merken sie nur alle drei (LTO, Bundesrat, Buschmann) nicht.

Denn: Buschmann und der Bundestag wollen, dass der Ton in Strafprozessverfahren aufgezeichnet und dann per Software (KI usw.) transkribiert, also ein automatisiertes Verhandlungsprotokoll erstellt wird. Das hört sich zwar sehr „digital“ an, weil „Software“ drin vorkommt, tatsächlich aber geht es darum, ob Verhandlungen objektiv aufgezeichnet werden und nicht mehr der Richter selbst bestimmt, was im Protokoll steht. Es geht also um etwas völlig anderes, nämlich die Beschneidung der richterlichen Willkür.

Sowas hätte ich auch schon brauchen können.

Damals vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe hat ja der Richter zwar die Verhandlung für die Protokollierung auf ein Diktiergerät aufgenommen, ich habe ihn aber dabei erwischt, dass er hinterher die Verhandlung in seinem Arbeitszimmer auf neue Kassetten noch einmal neu auf- und nachgesprochen und dabei die Verhandlung und sogar die Aussage des Sachverständigen verändert hat.

Vor einem Landgericht war ich mal als Zeuge geladen und habe mich dort ziemlich mit dem Gericht gefetzt, weil der Vorsitzende partout das Gegenteil dessen protokollieren wollte, was ich ausgesagt habe, meine Aussage also ins Gegenteil verdrehen wollte, um mit einer der Parteien zu kungeln. Und dann wollte der mich dabei als Pseudoargument und zur Einschüchterung auch noch über Latein belehren, tat aber nur so, als könne er, und ich habe das gemerkt (gr. Latinum).

Und vor dem Verwaltungsgericht Berlin habe ich in verschiedenen Verfahren äußerst wichtige Aussagen der Gegenseite bekommen, Auskünfte, die ich da eingeklagt habe, aber nie schriftlich, die wurden auch nicht ins Protokoll aufgenommen.

In allen diesen Fällen wäre es äußerst wichtig für mich gewesen, eine objektive Aufzeichnung der Verhandlung zu haben und nicht mehr der grenzenlosen und oft korrupten Willkür der Richter ausgesetzt zu sein. (Wobei es hilft, wenn man viele Zuschauer als Zeugen heranholen kann, aber das geht halt in der Praxis oft nicht.)

Das heißt aber, dass es nur vordergründig um Digitalisierung geht, tatsächlich eher darum, dass Strafverfahren aufgezeichnet werden und die sich ihre Willkür und Methoden dann nicht mehr leisten können:

Dem Beschluss des Bundestags waren jahrelange Diskussionen vorausgegangen, Teile der Praxis in Staatsanwaltschaften und auf Richterbänken blieben skeptisch. Ein Stimmungsbild zeichnete etwa das Programm des Richter- und Staatsanwaltstags 2023 in Weimar, mit dystopischen Veranstaltungstiteln rund um die Digitalisierung der Justiz. Gerade die Basis der Justizverbände scheint aber alles andere als verschlossen für das Thema. Unterstützung für sein Vorhaben hatte Buschmann aus der Anwaltschaft erhalten, die sich davon auch eine erhebliche Arbeitserleichterung verspricht. Widerstand kam etwa von den Generalstaatsanwaltschaften in den Ländern. Dieser Druck hat nun offenbar auch den Bundesrat erreicht.

Welchen seriösen Grund könnten denn die Staatsanwaltschaften haben, dagegen zu sein? Unseriöse Gründe würden mir da viele einfallen, wenn ich daran denke, wie Staatsanwaltschaften arbeiten.

Der Rechtsauschuss des Bundesrats sieht noch grundlegenden Änderungsbedarf für das DokHVG. In den Empfehlungen des Ausschusses klingt das so: Gestützt wird der Widerstand auf die “teils heftige und einhellig ablehnende Kritik in der justiziellen Praxis”. Und, sozusagen Höchststrafe: “Ein nachvollziehbarer Bedarf und eine fachliche Notwendigkeit für eine digitale Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung sind weder erkennbar noch im Gesetz dargelegt.”

Begründet wird der Widerstand mit den mittlerweile altbekannten Bedenken aus Teilen der Justiz: Datenschutz, Opferschutz, Mehrbelastung und einer drohenden Verzögerung von Verfahren und einem Missverhältnis zwischen “Verhältnis von dem personellen, technischen, organisatorischen und finanziellen Aufwand” zu dem zu erwartenden Mehrwert. Besonders eine angebliche Missbrauchsgefahr drohe, es sei mit einer zusätzlichen Belastung von Opferzeugen zu rechnen, wenn diese eine mögliche Verbreitung ihrer Aussagen fürchten müssten.

Das heißt, es geht gar nicht um „Digitalisierung“, sondern um einen Machtkampf um die Willkür und Nachprüfbarkeit von Gerichtsverfahren. Das Wort „Digitalisierung“ ist hier nur der Hebel für die Rabulistik.

Auch die erweiterten Möglichkeiten zur zivilgerichtlichen Videoverhandlung sollen nach einer weiteren Empfehlung des Rechtsausschusses, die LTO ebenfalls vorliegt, ausgebremst werden. Der Bundestag hatte insoweit kürzlich unter anderem beschlossen, dass die Videoverhandlung nicht mehr zwingend die Zustimmung aller Parteien erfordert. Stattdessen soll der Vorsitzende Richter bei einer anstehenden Verhandlung schon dann eine Teilnahme per Video anordnen, wenn dies nur von einem der Verfahrensbeteiligten gewünscht wird. Mit der Reform soll offenbar auch die Attraktivität der Justiz als Arbeitgeber gefördert werden, soweit auch Regelungen zum Home-Office enthalten sind.

Der Rechtsausschuss befürchtet für solche Regelungen das Schlimmste: eine bloße Übertragung aus dem Home-Office würde der besonderen Bedeutung der Gerichtsverhandlung nicht gerecht und “widerspricht der Außendarstellung der Justiz und dem Ansehen der Gerichte als Institution”. Auch das Vertrauen in die Konzentrationsfähigkeit von Richterinnen und Richtern scheint nicht allzu hoch. Denn aus Sicht des Rechtsausschusses erscheint die Gefahr zu groß, “dass etwa in einem häuslichen Arbeitszimmer Störungen von außen für die Konzentration des Gerichts auf die konkrete Verhandlung auftreten, die im Sitzungssaal ausgeschlossen werden könnten.”

Auch da geht es wohl eher um die Angst, dass jemand die Verhandlung aufzeichnen könnte. Das können Richter nämlich gar nicht leiden. Es gibt eine lange Liste von Streitigkeiten bis hoch zum Bundesverfassungsgericht darüber, bis wohin die Fernsehkameras dürfen. Ich habe das auch mal selbst erlebt. Ich saß als Kläger in einer Verhandlung, das Gericht hörte mir gerade zu, als plötzlich und unvermittelt einer der Richter höllenstinksauer in meine Richtung losbrüllte, dass zu unterlassen. Er meinte aber nicht mich, sondern eine junge Frau (anscheinend Jura-Studentin, Referendarin oder sowas), die aus seiner Sicht in gerader Linie hinter mir im Zuschauerbereich saß, und die da das Handy gezückt und hochgehalten hatte um das alles auf Video aufzunehmen. Das fand das Gericht gar nicht lustig, vor allem, weil die dann einen sowohl sehr naiven, als auch uneinsichtigen Eindruck machte und nicht so recht einsehen wollte, dass irgendwer ihr verbieten könnte, irgendwas mit ihrem Handy aufzunehmen.

Also, was mich angeht, ich wäre aus gleich einer ganzen Reihe von sehr negativen Erfahrungen und daraus erwachsendem Schaden dafür, Gerichtsverhandlungen vollständig aufzuzeichnen. Ich weiß, dass das auch Nachteile hat und Gefahren mit sich bringt, aber alles in allem halte ich die Verfahren ohne Aufzeichnungen für weit gefährlicher.

Und das wäre alles nicht so tragisch, wenn deutsche Richter seriös und vertrauenswürdig wären. Sind sie aber nicht. In deutschen Gerichtssälen herrschen Korruption, Willkür und Inkompetenz.