Ein ganzer Kerl dank Chappi
Ein Selbstversuch.
Kennt Ihr noch diese Werbung für Hundefutter, die früher in einer ganzen Reihe lief? „Ein ganzer Kerl dank Chappi“?
Die Sache ist die:
Ich hatte Anfang 2020 attackemäßig Vorbereitungen auf die Pandemie getroffen. Sowohl privat, als auch dienstlich, also hier in Deutschland noch kaum jemand Notiz von der Pandemie nahm. In der Firma haben sie mich damals noch für bekloppt erklärt, als ich in Sachen Betriebssicherheit anforderte, für ausreichende Vorräte an Handdesinfektionsmitteln zu sorgen – solange man sie noch bekommt. In den Jahren zuvor schon hatte ich gefordert, dass wir Probeläufe für Home-Office machen und reihum jedes Team mal eine Woche von zuhause aus arbeiten und die Probleme dabei erfassen solle. Danisch wieder mit seinen Bedrohungsszenarien. Und als ich dann 2020 sagte, wir müssen dringend auf den Stand kommen, dass mindestens die Hälfte der Firma von zuhause aus arbeiten kann, hatte man schon den Verdacht, der Danisch spinnt. (Ich hatte das aber früher schon mal in einer anderen Firma in Sachen Hühner-/Schweinegrippe durchgespielt.) Als ich mich dann eigenmächtig selbst ins Homeoffice verlegt hatte, um meine volle Funktionsfähigkeit zu testen, war man sich eigentlich schon sicher, dass der Danisch spinnt. Kurz darauf kam dann die Anweisung aus der Konzernspitze und von der Regierung: Auf unbestimmte Zeit alle ins Homeoffice, Firma sofort dicht machen, Quarantänefähigkeit herstellen. Die Gesichter hättet ihr sehen sollen. Verdammt, der Danisch hatte recht. Ich habe so breit gegrinst, wäre das Grinsen nicht an den Ohren angestoßen, hätte ich rundum 360° einmal um den Kopf herum gegrinst, und mich auf einen Drehhocker setzen müssen, damit man es auch in der Videokonferenz sehen kann.
Ich habe mich damals auch mit Konservendosen, Nudeln und sowas aufmunitioniert, sogar noch Regale für die Küche bestellt, weil ich bis dahin – wohne hinter dem Supermarkt – immer nur Vorräte für zwei, drei Tage hatte, und dann aber die Befürchtung hatte, dass wenn die Läden geschlossen sind, irgendeine Ausgangssperre kommt oder auch nur ich selbst unter Quarantäne gestellt würde, die Versorgung nicht funktioniert, weil in Berlin ja auch sonst nichts funktioniert. Drei, vier Wochen autark müssten notfalls gehen.
Was dann nicht wie geplant funktioniert hat, war, das Zeug auch rechtzeitig wieder zu vertilgen, weil ich ja im Ausland war.
Nun hatte ich also mehr als ein Dutzend Konservendosen, die ein Ablaufdatum von bereits 2022 hatten, also ein bis zwei Jahre abgelaufen waren.
Was tun?
Wegschmeißen?
Nee, Lebensmittel schmeißt man nicht weg, wenn sie nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit oder feststellbar verdorben sind. Und eigentlich halten Konserven ja auch länger als 2 Jahre.
Verschenken/Spenden?
Irgendwie auch nicht. Konservendosen zu verschenken, die seit ein bis zwei Jahren abgelaufen sind, ist irgendwie ganz schlechter Stil, so wie in Berlin seinen Sperrmüll einfach auf die Straße zu stellen, und einen Zettel „Zu verschenken“ dran zu hängen. Das wird einem dann auch als „menschenverachtend“ ausgelegt. Obwohl sie ja gerade vor ein paar Tagen noch aufgerufen haben, dass die Tafeln zu wenig Essen hätten und bitten, auch Konserven zu spenden, die man abgeben kann. Aber Konserven dort abzuliefern, die so lange abgelaufen sind, wäre mir noch peinlicher, als sie mir dort zu holen. Außerdem habe ich davon erst gerade vor ein paar Tagen gehört.
Blieb also nur: Selbst essen.
Zumindest mal den Selbstversuch zu unternehmen, wie denn das so schmeckt, mehrere Tage hintereinander von Konserven zu leben. Ich habe das nämlich auch seit meiner Studentenzeit nicht mehr gemacht, und damals hatte ich vor allem immer „Kartoffelsuppe mit Würstchen“ auf Vorrat.
Und das ist einfach gruselig, wenn man sich da eine Dose aufmacht, und das Zeug nicht von selbst aus der Dose kommt, wenn man es in einen Topf leert, sondern man schütteln oder mit dem Löffel nachhelfen muss, bis es rauskommt und die Pampe in den Topf flatscht (erwärmt ist die Konsistenz dann in Ordnung, aber kalt eben pampig-flatschig). Mir ging dann immer die Werbung „Ein ganzer Kerl dank Chappi“ durch den Kopf. „Runter damit“
Um es kurz zu sagen:
- Alle Dosen, die ich bisher geöffnet haben, waren noch völlig in Ordnung, jedenfalls nicht verdorben, noch voll genießbar. Nichts war schlecht oder hat ungenießbar geschmeckt, gerochen oder ausgesehen.
- Mehr als zwei-, dreimal hintereinander habe ich aber auch nicht ausgehalten, weil viele der Konserven, vor allem die notorischen Erbsen-/Bohneneintöpfe und -Suppen so einen typischen gleichen Geschmack haben. Einmal ist OK. Zweimal geht. Dreimal ist grenzwertig.
- Mir fiel auf, dass man oft Salz und Fett deutlich herausschmeckt. Die werden offenbar als günstige Geschmacksträger und -verstärker eingebaut, weil der Rest „laff“ schmeckt, wie eine Freundin das nennen würde. Wenn man richtig Hunger hat, weil man gearbeitet hat, ist das in Ordnung. Wenn man aber zuhause im Home-Office/Quarantäne war, wird das schnell „bäh“.
- Geschmacklich ist das sehr bescheiden. Ich würde nicht sagen, dass es schlecht schmeckt, aber es schmeckt eben flach und schlicht, und zu vieles schmeckt gleich. Vor allem der Großraum Erbsen/Hülsenfrüchte, der da sehr beliebt und auch preisgünstig ist.
- Appetitlich sieht es nicht aus. Machen wir uns nichts vor: Es ist mehr oder weniger Notfraß.
Was aber auch nicht heißt, dass ich das jetzt für schlecht halten würde. Im Gegenteil, ich empfehle jedem, ein paar Dosen auf Vorrat zu haben, um notfalls ein paar Tage durchstehen zu können. Es ist nur dringend zu empfehlen, eben nicht nur Konservendosen zu haben, sondern auch
- Gewürze, um der Sache etwas Geschmack zu geben und das Konservendosenaroma zu nehmen oder übertünchen. Die üblichen Küchenkräuter, auch gemischt als „Kräuter der Provence“, getrockente Petersilie und Schnittlauch, Pfeffer, Paprika halten auch einige Zeit, und bringen eine ganze Menge, sieht auch besser aus. Sehr nützlich ist auch Muskat, um gerade Gemüsesuppen und ähnliches etwas aufzupeppen. Salz eher nur in Ausnahmefällen, weil die Konservensachen oft schon viel Salz enthalten.
- Möglichst unterschiedliche Sachen und nicht nur die notorischen Erbsensuppen, sondern auch Reiseintöpfe, asiatisches Zeug, Gemüse, Fleisch, möglichst viel Bandbreite. Auch weil das die Wahrscheinlichkeit reduziert, dass alles zusammen verdirbt.
- Irgendwas zum „Dazuessen“ oder Stupfen. Zwieback geht gut und hält auch ewig.
- Abwechslung bei Getränken. Teebeutel, Pulver, echte Fruchtsäfte für Schorle. Es gibt Sirups, die man im Verhältnis 1:10 oder 1:20 mit Wasser verdünnt, und die lange haltbar sind. Die haben zwar auch nicht mehr viel mit Fruchtsaft zu tun und schmecken oft sehr süß (deshalb stark verdünnen), können aber mit Sprudelwasser aus Leitungswasser und CO2-Patronen für den Sprudler für Geschmacksabwechslung und einen Gegenpol sorgen.
- Süßigkeiten. Kekse und Schokolade sind auch haltbar.
- Obstkonserven und Dörrobst.
- Nudeln und Nudelfertiggerichte. Aufpassen: Die Nudelsoßen, Tomatenmark, Gewürze halten nicht lange, nur die Nudeln selbst.
- Trockenzeugs wie Knödel.
- Dosenwurst, wenn verfügbar auch Dosenbrot, Pumpernickel.
- Mehl, Backzubehör, auch Backmischungen, die mit wenig zusätzlichen Zutaten auskommen.
- Ich schwör’ auf saure eingelegte Gurken/Gurkensticks, die halten nämlich auch recht lange, aber bilden einen geschmacklichen Gegenpol, weil sauer, und vermitteln ein gewisse Frische und Fruchtigkeit, obwohl sie das eigentlich nicht sind. Spargel und sowas, auch alles gut für Abwechslung.
- Tiefkühlzeugs ist zwar gut, aber problematisch, wenn man mit Stromausfällen rechnen muss.
- Auf Eignung mit verschiedenen Garmethoden achten, etwa ein paar Minuten in der Mikrowelle, auf dem Gaskocher und ähnliches.
- Ich habe zwar fast nur noch Dosen mit Ring zum Aufreißen bekommen, aber einen Dosenöffner sollte man haben. Ich habe mal irgendwo ein Video gesehen, in dem jemand eine Konservendose notfallmäßig geöffnet hat, indem er sie auf Gehwegplatten hin und hergescheuert hat, bis der Dosenrand durchgewetzt war.
- Alles mal ausprobieren, damit man das Zeug kennt und abschätzen kann, ob man das runterbekommt, sonst sitzt man im Notfall mit Lebensmitteln da, die man nicht aushält.
Und was ich auch gemerkt habe: Das Ablaufdatum sollte man deutlich oben drauf schreiben, mit Edding-Stift oder Aufkleber, weil man oft ewig sucht und das nur schlecht lesbar auf der Unterseite steht, damit man das Zeug sortieren und rechtzeitig „wegessen“ und ersetzen kann. Sonst isst man die neuen Sachen und hebt die alten weiter auf.
Mit Abstand am besten geschmeckt hat mir übrigens Grünkohl mit Kartoffelstückchen und Würstchen. Der war wirklich gut.