Märchen, Sissi und das Traumschiff
Von der schieren Erbärmlichkeit des Fernsehprogramms.
Versteht mich nicht falsch. Ich brauche heute kein Fernsehprogramm, weil ich nach Arbeiten bin in den Morgen und aufstauten Schlafdefiziten heute mal wieder so lange ausgeschlafen habe, dass es, bis ich das Bad durchlaufen, mich angezogen und befrühstückt hatte, schon wieder dunkel wurde.
Ich dachte, ich hätte vielleicht was im Fernsehen verpasst, aber: Alberne Märchenfilme, Sissi, das Traumschiff, und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, abends noch die Helene-Fischer-Show. Zum Davonlaufen.
Es gab mal eine Zeit, in der das Weihnachtsprogramm bis zu Neujahr das beste Fernsehprogramm des Jahres war, an Weihnachten ein Spitzenfilm nach dem anderen kam. Inzwischen nur noch Sendemüll und Schmalz. Ich habe eigentlich nichts gegen Sissi, Romy Schneider war schon sehr hübsch und süß, und viele Frauen schmelzen bei den Filmen schier dahin (von wegen Feminismus und Frauenpower – klassische Rollen, schneidige Männer und rausgeputzte Frauen in wallenden Kleidern sind der Brüller). Aber das hat man auch schon gesehen bis zum Erbrechen, und, das will ich dann doch erwähnen, gibt es nicht nur Frauen – warum also nur ein Frauenprogramm? Die Sissi-Reihe wäre nur mit Die Hard I-III zu kompensieren.
Ich finde es umso irritierender, weil vorher das Fernsehprogramm irgendwo – ich weiß nicht mehr wo, hätte einen Screenshot machen sollen – mit einem Bild von Belmondo in „Der Profi“ beworben wurde. Der hätte mich interessiert, aber den finde ich nirgends.
Es ist, als wollte man geradezu ostentativ schlechtes Programm senden, um mehr Geld zu erpressen.
Es kann aber auch sein, dass man vor lauter political correctness nichts mehr zu senden weiß und nur noch das sendet, was man schon immer sendete und worüber sich keiner aufregte. Insofern war ich schon überrascht, dass gestern abend die Feuerzangenbowle kam. Die gilt ja neuerdings als Nazi-Propaganda. Was sie, tatsächlich, schon immer war, aber bisher hat es keinen gestört. Zwar fand man rassistisches Nazi-Gedankengut in der Szene mit den Ost- und den Westgoten, ansonsten wird dem Film aber gerade seine Harmlosigkeit und substanzlos-rigorose Unterhaltungsnatur zum Vorwurf gemacht, weil es die NS-Diktatur verharmlose, wenn gezeigt wird, dass die damals lustige Filme machten. Also jeder Film aus dieser Zeit entweder als Nazi-Film zu verbieten ist, weil er Nazi-Ideologie enthält, oder als Verharmlosungsprogaganda, weil er keine Nazi-Ideologie enthält. Umsomehr, als die Aufführungsrechte für die Feuerzangenbowle heute bei einer Frau liegen, die im Vorstand eines AfD-Verbandes ist. Der SPIEGEL:
Auf der Website ihres Filmverleihs “Goldie” findet sich zu oben stehenden Teil der Filmgeschichte jedenfalls kein Eintrag. Dort wird lediglich darauf hingewiesen, dass Hauptdarsteller Rühmann wegen seiner Ehen mit Jüdinnen kein allzu gutes Standing bei “den Mächtigen” gehabt habe und von den Nationalsozialisten “vor den Karren gespannt wurde”.
Ja. Bekannt ist nicht nur, dass die Filmarbeiten wegen Bombenangriffen mehrmals unterbrochen werden mussten, sondern auch, dass man sie absichtlich verzögert und verschleppt hat, um die Schauspieler davor zu bewahren, als Soldaten in den Krieg geschickt zu werden, weil sie ja – und das war einer der Zwecke des Films, den Schauspielern das Leben zu retten – Propaganda auf Befehl von ganz oben herstellten. Deshalb ist es etwas schräg, Rühmann Vorwürfe dafür zu machen, dass er an dem Film mitgewirkt hat. Wenn ich die Wahl zwischen Fronteinsatz und harmlosem Propagandafilm hätte, würde ich auch den Film wählen. Zumal die Story so propagandistisch auch nicht sein kann, denn „Die Feuerzangenbowle“ ist das Remake des misslungenen Films „So ein Flegel“ von 1934, in dem Rühmann auch schon die Hauptrolle(n) spielte, basierend auf dem Roman von 1933. Damals noch eine Verwechslungskomödie, in der Dr. Hans Pfeiffer mit seinem flegelhaftem, ihm aber wie ein Zwillingsbruder ähnelnden jüngeren Bruder und Schüler Erich verwechselt wird. Rühmann hatte aus dem Fehlschlag viel gelernt. Inhaltlich aber sicherlich keine Nazi-Propaganda. Noch erstaunlicher, als dass der Film überhaupt fertiggestellt wurde, ist, dass er im Jahr 2023 noch in der political-correctness-Schleuder ARD kommt, weil man ihn eben für Nazi-Propaganda hält. Der Deal war aber, dass Hitler seine leichte Gute-Laune-Unterhaltung im Kriegsuntergangsdeutschland zum Durchhalten bekam, und die Schauspieler am Leben blieben. Schwerlich, ihnen daraus einen Vorwurf zu drehen. Man macht es trotzdem. Und sendet die Feuerzangenbowle als eines der Nationalheiligtümern neben Dinner for One und dem kleinen Lord immer wieder. Wobei ich noch nicht herausgefunden habe, was eigentlich zur Verbannung des früheren Weihnachtspflichtprogramms „Wir sind keine Engel“ mit Humphrey Bogart und Peter Ustinov führte. Weil es zwei Tote gibt und der Mörder in der Hauptrolle Adolf heißt? Es ist eine Frage der Zeit, bis man so etwas austauscht, indem man per KI die Stimmen nachahmt. Aber warum kommt dieser wunderbare Weihnachtsfilm nicht mehr?
Früher war das wirklich mal ein wichtiger Teil von Weihnachten, dass es ein paar Tage ganz tolles Fernsehprogramm gab. Andererseits gab es damals auch kein Privatfernsehen und kein Streaming. Dafür jedes Jahr eine tolle Mini-Serie, die im ZDF zwischen Weihnachten und Neujahr ausgestrahlt wurde. Der Seewolf, Timm Thaler und so weiter.
Alles so schlimm …