Ansichten eines Informatikers

Was steckt hinter diesem Campact-Angriff?

Hadmut
14.1.2024 19:16

Leser fragen. Danisch antwortet.

Leser fragen an, was dieses Campact-Gehampel gegen Höcke eigentlich bewirken und was diese „Grundrechtsverwirkung“ eigentlich bedeuten soll, ob man ihn jetzt für vogelfrei erklären will wie im Mittelalter.

Nee.

Es geht um das da:

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 18

Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte. Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.

Es sieht nach derzeitigen Umfragen so aus, als könnte die AfD in Thüringen, Sachsen und Brandenburg stark, sogar stärkste Partei werden könnte. Und da sieht man nun die Möglichkeit, dass die AfD nach Abzug aller an der 5%-Hürde gescheiterten Parteien sogar zu einer absoluten Mehrheit kommen und allein regieren könnte, oder sich die anderen Parteien nicht auf einen einigen können (eine Koalition aus CDU und Linken, die sich auf einen Ministerpräsidenten einigen, gilt als schwierig) und die AfD damit zumindest eine relative Mehrheit erlangt und Höcke zum Ministerpräsidenten wählt.

Und das will man nun verhindern, indem man Höcke das passive Wahlrecht absprechen lässt, man also dafür sorgen will, dass er gar nicht mehr gewählt werden kann. Wie bei Trump, nur eben Thüringen statt USA. Schauen wir mal in den Text dieser Campact-Petition:

Dieses Jahr wird in Thüringen gewählt. Und es besteht die Gefahr, dass die AfD nach dieser Wahl die stärkste Kraft im Landtag von Erfurt sein wird. Dieser Landesverband wurde im März 2020 vom Thüringer Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft. Im März 2021 wurde der Thüringer AfD-Landesverband zum erwiesen extremistischen Beobachtungsobjekt erklärt und im Verfassungsschutzbericht 2022 Freistaat Thüringen liest man: „Der AfD Landesverband Thüringen ist (jedoch) eine erwiesen rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Der Landesverband vertritt seit Jahren Positionen, die sich gegen die Menschenwürde, gegen das Demokratie- und gegen das Rechtsstaatsprinzip richten. Im Berichtszeitraum ist keine politische Mäßigung eingetreten. Im Gegenteil gelten die unter den genannten Begriffen zusammengefassten verfassungsfeindlichen Positionen, die sich in ziel- und zweckgerichteter Weise gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten, als die beherrschende und weitgehend unumstrittene politische Ideologie innerhalb des Landesverbandes.“ [1].

An der Spitze des Thüringer AfD-Landesverbandes steht prominent Björn Höcke. Sein Einfluss in der Bundes-AfD ist ebenfalls zentral. Höcke hetzt gegen die im Grundgesetz verankerte freiheitliche demokratische Grundordnung, die Erinnerungskultur in Bezug auf den Holocaust und Menschen mit Migrationshintergrund. Er bezeichnet das Holocaust-Mahnmal in Berlin als ein „Denkmal der Schande“ [2] und fordert im gleichen Zusammenhang eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“. Er schwadroniert von dem „bevorstehenden Volkstod durch den Bevölkerungsaustausch“ [3]. Auch was er zukünftig vorhat, teilt er unverblümt mit: „Ein paar Korrekturen und Reförmchen werden nicht ausreichen, aber die deutsche Unbedingtheit wird der Garant dafür sein, dass wir die Sache gründlich und grundsätzlich anpacken werden. Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen, dann werden die Schutthalden der Moderne beseitigt.“ [3]. Dies alles sagt ein Faschist. Dass man ihn so nennen darf, hat das Verwaltungsgericht Meiningen bereits im Jahr 2019 festgestellt.

Da sieht man schon, dass Campact systematisch lügt und Fake News verbreitet. Dass das Verwaltungsgericht Meiningen eine solche Feststellung weder treffen konnte noch getroffen hat, hatte ich 2020 schon in zwei Artikeln beleuchtet: Fake News: Das Gerichtsurteil, jemanden als Faschisten zu bezeichnen und Fake-News und deren Verbreitung unter dem Makroskop. Es gibt keine solche Feststellung des Verwaltungsgerichts Meiningen. Aber Politik und Medien haben das verbreitet. (Ich erinnere an die Causa Künast, in der man auch behauptete, es gäbe ein Gerichtsurteil, wonach man sie als „Drecks-Fotze“ bezeichnen könne, obwohl es das nicht gibt. Aber sogar viele Juristen sind heute nicht mehr in der Lage und willens, eine Gerichtsentscheidung zu lesen und zu verstehen. Da ist heute jede Lüge recht.)

Wer jetzt ganz aufmerksam liest – und noch zu einer Zeit in die Schule gegangen ist, in der man da das lesen lernte, da ich hier aber ein Textblog betreibe, gehe ich mal davon aus, dass jeder, der jetzt hier mitliest, auf die eine oder andere Weise des Lesens mächtig ist oder über technische Hilfsmittel verfügt – wird erstaunt feststellen, dass in dem oben zitierten Artikel 18 GG das Wahlrecht nicht drin steht. Man kann nach Artikel 18 GG die Verwirkung des Wahlrechts eigentlich gar nicht absprechen. Und genau darum versucht sich Campact auch herumzuschwafeln:

Die Grundrechtsverwirkung beinhaltet, dass demjenigen die Inanspruchnahme einzelner Grundrechte entzogen werden kann, der diese „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht“ [6].

Nein. Da steht eben nicht „einzelner Grundrechte“, sondern da ist ein Katalog bestimmter Grundrechte genannt. Und das aktive und das passive Wahlrecht gehören nicht dazu.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 38
(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.
(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

Genau genommen sind das aktive und passive Wahlrecht nämlich kein Grundrecht, was man schon an der Nummer sieht, denn die Grundrechte stehen in den Artikeln 1 bis 19. Und nicht 38. Man nennt solche Rechte zwar „grundrechtsgleiche“ Rechte, weil sie nach Art. 93 Absatz 1 Nr. 4a beschwerdefähig sind:

Artikel 93 Absatz 1 GG

Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:

[…]

4a. über Verfassungsbeschwerden, die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenen Rechte verletzt zu sein;

[…]

Das aktive und das passive Wahlrecht sind damit keine (individuellen) Grundrechte und deshalb als solche auch nicht aberkennbar, weil sie eben keine Rechte sind, die dem einzelnen zugestanden werden, sondern solche das-ist-hier-so-Rechte sind, so ist der Staat gebaut. Das sieht man auch an der Systematik. Die Grundrechte nämlich sind Abwehrrechte gegen verletzende Handlungen des Staates. Das aktive und das passive Wahlrecht sind aber keine „Abwehrrechte“. Sondern sie sind das, was unsere Demokratie ausmacht. Merkmal des Staates und nicht Abwehrrecht des Individuums. Und genau deshalb stehen sie auch nicht in den Artikeln 1 bis 19, sondern 38.

Und dann haben wir noch einen kleinen Schönheitsfehler, denn Artikel 38 steht im Abschnitt über den Bundestag und bezieht sich auf Bundestagswahlen.

Was in Thüringen abläuft, bestimmt nicht das Grundgesetz, sondern die Landesverfassung von Thüringen, wo es heißt:

Landesverfassung von Thüringen

Artikel 46

(1) Wahlen nach Artikel 49 Abs. 1 und Abstimmungen nach Artikel 82 Abs. 6 dieser Verfassung sind allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim.

(2) Wahl- und stimmberechtigt sowie wählbar ist jeder Bürger, der das 18. Lebensjahr vollendet und seinen Wohnsitz im Freistaat hat.

(3) Das Nähere regelt das Gesetz.

Artikel 49

(1) Der Landtag wird nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl gewählt.

(2) Für die Zuteilung von Landtagssitzen ist ein Mindestanteil von fünf vom Hundert der im Land für alle Wahlvorschlagslisten abgegebenen gültigen Stimmen erforderlich.

(3) Der Landtag prüft die Gültigkeit der Wahl. Er entscheidet, ob ein Mitglied seinen Sitz im Landtag verloren hat.

(4) Das Nähere regelt das Gesetz.

Da steht kategorisch „Jeder Bürger“. Gut, das ist heute auch ein sehr plastischer und formbarer Begriff, und sie werden nicht zögern festzustellen, dass Höcke kein Bürger sei. Da könnte aber schon mal die Frage aufkommen, worin eigentlich die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für die Landesverfassung von Thüringen liegen soll. Aber pssst, nicht weitersagen. Ich bin mal gespannt, ob die das merken. Sind ja auch nicht die Hellsten beim Bundesverfassungsgericht.

Komischer Versuch, deshalb?

Nicht ganz. Die Aberkennung der Vereinigungsfreiheit könnte ihm schon verbieten, Mitglied einer Partei zu sein.

Lesen wir mal weiter. Achtung: Jetzt Bundesverfassungsgerichtsgesetz, nicht Grundgesetz

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (Bundesverfassungsgerichtsgesetz – BVerfGG)
§ 36

Der Antrag auf Entscheidung gemäß Artikel 18 Satz 2 des Grundgesetzes kann vom Bundestag, von der Bundesregierung oder von einer Landesregierung gestellt werden.

§ 39

(1) Erweist sich der Antrag als begründet, so stellt das Bundesverfassungsgericht fest, welche Grundrechte der Antragsgegner verwirkt hat. Es kann die Verwirkung auf einen bestimmten Zeitraum, mindestens auf ein Jahr, befristen. Es kann dem Antragsgegner auch nach Art und Dauer genau bezeichnete Beschränkungen auferlegen, soweit sie nicht andere als die verwirkten Grundrechte beeinträchtigen. Insoweit bedürfen die Verwaltungsbehörden zum Einschreiten gegen den Antragsgegner keiner weiteren gesetzlichen Grundlage.
(2) Das Bundesverfassungsgericht kann dem Antragsgegner auf die Dauer der Verwirkung der Grundrechte das Wahlrecht, die Wählbarkeit und die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter aberkennen und bei juristischen Personen ihre Auflösung anordnen.

Diesen Antrag will Campact per Petition erreichen.

Und das ist nun ein Knackpunkt. Denn das steht eben nicht im Grundgesetz, sondern nur in einem einfachen Gesetz, das im Rang unterhalb des Grundgesetzes steht. Nun heißt es zwar sowohl im Grundgesetz, als auch in der Verfassung von Thüringen „Das Nähere regelt ein (Bundes)Gesetz“. Aber eben nur das Nähere.

Ich habe es jetzt nicht parat, aber es gibt Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (mindestens eine), wonach auch dann, wenn im Grundgesetz eine Ermächtigung steht, dass die Ausgestaltung dem einfachen Gesetz überlässt (wie z. B. bei der Forschungs- und Lehrfreiheit) eben nicht die Ausgestaltung auf den einfachen Gesetzgeber übergeht, weil der ja an das Grundgesetz gebunden sein muss und nicht die Auslegungshoheit bekommen kann und darf, das Grundrecht (oder andere Regelungen) nicht aushebeln darf. Nach dieser Auslegung sind diese „Das Nähere“-Klauseln nicht geeignet, dem einfachen Gesetzgeber Regelungen über die Aberkennung des Wahlrechts zu geben. Deshalb dürfte dieser Artikel 39 Absatz 2 BVerfGG schlicht verfassungswidrig und unwirksam sein.

Schauen wir auch nochmal, was das Landeswahlgesetz von Thüringen dazu sagt:

§ 14 Ausschluss vom Wahlrecht

Nicht wahlberechtigt ist,
1. wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt,

2. derjenige, für den zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist; dies gilt auch, wenn der Aufgabenkreis des Betreuers die in § 1896 Abs. 4 und § 1905 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Angelegenheiten nicht erfasst,

3. wer sich auf Grund einer Anordnung nach § 63 in Verbindung mit § 20 des Strafgesetzbuches in einem psychiatrischen Krankenhaus befindet

Blöd formuliert. Denn was heißt Nr. 1 „das Wahlrecht nicht besitzt“? Umfasst das die Aberkennung nach Verwirkung, oder nur die Feststellung, dass man das Wahlrecht gar nicht erst hat, weil man beispielsweise nicht 18 oder nicht Deutscher ist oder nicht in Thüringen wohnt, wie es § 13 fordert?

Nach meinem Verständnis von juristischen Texten umfasst das die Verwirkung nicht, sondern nur die Feststellung, dass man das Wahlrecht erst gar nicht hat, weil man die Anforderungen nicht erfüllt.

Ergebnis

Langer Rede kurzer Sinn: Ich sehe den juristischen Pfad nicht, wie diese Petition an den Bundestag überhaupt dazu führen können sollte, dass Höcke davon abgehalten wird, Ministerpräsident von Thüringen zu werden. Im Gegenteil halte ich das als Petition für untauglich, weil es eben schon auf Fake News beruht (s.o.). Sowas ist als Petition nicht annahmefähig.

Im Gegenteil halte ich das für einen Angriff auf die Demokratie und würde, wenn denn überhaupt, Campact das Grundrecht aberkennen, sich öffentlich zu äußern, oder, weil juristische Person, deren Auflösung anordnen, weil das ja nicht nur das hier ist, sondern die ja schon ziemlich viel auf dem Kerbholz haben.

Von wem kommt der Blödsinn?

Bleibt die Frage, von wem der Blödsinn eigentlich kommt. Steht auch in der Campact-Webseite:

Neben einem kompletten Parteiverbot auf Landes- oder Bundesebene ist die „Grundrechtsverwirkung“ nach Artikel 18 des Grundgesetzes eine gezielte Maßnahme gegen einzelne Verfassungsfeinde, jüngst thematisiert von der ehemaligen Bundesverfassungsrichterin und Verfassungsrechtlerin Gertrude Lübbe-Wolff sowie Heribert Prantl, ehemaliges Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, Kolumnist und Honorarprofessor für Rechtswissenschaft an der Universität Bielefeld.

Die linke Alpen-Prawda und eine Quotenfrau der SPD. Huahahahahaa.

Anscheinend haben die Süddeutsche und die SPD ein Reichweitenproblem, wenn ihre Parolen jetzt bei mir auf der Webseite publiziert werden müssen.