Vom subtilen Unterschied zwischen Crocodile Dundee und Google Maps
Das Stichwort heißt „Meta-Daten“.
Man lacht ja gerne über Leute, die mit dem Auto in den Fluss fahren, weil das Navi sagte, man solle diese Straße entlangfahren – aber nicht erwähnte, dass man warten muss, bis die Fähre wieder da ist.
In Australien haben sich zwei Deutsche im Outback festgefahren, weil sie im tropischen Norden von Queensland nach Karten von Google Maps gefahren sind. Und dann durften sie eine Woche Survival machen, mit allem, was dazu gehört, Sonne, Spinnen, Schlange, Krokodil und so. Die Australier meinten, sie hätten schon sehr viel Glück gehabt, dass sie das überlebt haben, und das auch nur, weil sie jung, fit, sportlich waren.
Nun war ich ja ein paar Mal im australischen Outback, und dazu fallen mir ein paar Anmerkungen ein.
Ich würde mich niemals, unter keinen Umständen, alleine, mit nur einem Auto, auf so eine Tour begeben, wenn man sich da nicht sehr gut auskennt. Die Leute, die sowas alleine machen, sind solche Crocodile-Dundee-Typen, die nicht nur das Land kennen wie ihre Unterhose, sondern die auch einige der Aborigine-Tricks kennen, wie man überlebt. Mir hat mal ein Aborigine einen Trick erklärt, wie man im Notfall Wasser findet. Man folge dem Känguru, denn das Känguru weiß, wo es Wasser gibt. Es sei aber gar nicht so einfach, einer Känguru-Spur anzusehen, in welche Richtung das Känguru gelaufen ist und ob es zum Wasser lief oder vom Wasser kam. Man muss sich die Spur ansehen und genau betrachten, in welche Richtung der Sand geflogen ist, den das Känguru aufgewirbelt hat.
Auch kennen sollte man die Tricks der weißen Männer. Die weißen Männer nämlich gehen nicht ohne Funkgerät ins Outback, inzwischen auch nicht ohne Satellitentelefon oder -notrufgerät. Per Funk kann man immer nach Hilfe rufen, irgendwer kann einen hören, weil es immer irgendwelche anderen gibt, die irgendwo herumfahren, oder irgendwelche stationären Stationen einen hören können. Funk ist dort selbstverständlich. Wir waren zwar damals auch im einzelnen Truck hunderte Kilometer von der Zivilisation weg, aber unserer Guide war so ein Crocodile Dundee-Typ, der kannte alle Tricks, und vor allem die Strecken sehr genau, war dort aufgewachsen. Und sagte mal, dass wenn wir jetzt hier stranden würden und keine Hilfe käme, er der einzige wäre, der es überleben würde, weil er durch langes Training in der Lage sei, vom stark mineralig-salzigem Wasser, das es da gibt, zu überleben. Aber selbst der hatte, und das war auch Pflicht, immer ein Satellitentelefon dabei, und in einer anderen Reisegruppe haben sie das bei einem Unfall auch dringend gebraucht.
Selbst Landkarten sind dort nur grobe Anhaltspunkte, weil viele der Straßen dort keine „sealed roads“, also nicht asphaltiert sind, sondern einfach nur Sand- oder Staubpisten. Und die können nach einer Regen- und Überflutungszeit auch gerne mal 300 Meter neben der von letztem Jahr liegen. Falls sie nicht ohnehin überflutet sind. Man kann in Australien durch wirklich furztrockene Wüsten fahren, in denen es augenscheinlich gar kein Wasser gibt, und trotzdem stehe da manchmal solche – weiß nicht mehr genau, ich glaube rot-weiß lackierten – Blechsäulen mit Zahlenangaben und etwa 2 Meter Höhe am Straßenrand. Gefragt, was das ist. Die Dinger sind da, damit man bei einer Überschwemmung anhand des Wasserstands ablesen kann, wie tief das Wasser da ist, und man mit seinem Fahrzeug noch durchwaten kann.
Es ist in Australiens Outback elementar, sich vor dem Befahren einer Straße örtlich zu erkundigen, wie der Zustand der Straße und ob sie befahrbar ist. Oder auch, wo sie gerade ist. Es ist sogar üblich, dass man einfach die fragt, die einem entgegenkommen.
Die Idee, die die beiden hatten, mit der mitgeführten Drohne nach Straßen in der Nähe zu suchen, ist zwar an sich gut. Es heißt aber auch, dass sie keine Landkarten dabei hatten.
Leute, ich kann Euch nur dringend raten: Lasst den Scheiß!
Australiens Outback ist kein Kindergarten. Das Land ist in so vielen Hinsichten zwar so schön, aber auch so tödlich. Australien ist das schönste Land, in dem ich je war – aber auch das härteste (ich war allerdings noch nicht in Südamerika und noch nicht in den Polarzonen), das Land, das keinen Fehler verzeiht.
Man kann Australien schon prima alleine mit dem Auto befahren – solange man sich entlang der Küstenstraßen zwischen den Städten oder in den stärker bewohnten Gegenden etwa unterhalb der Linie von Sydney bis Adelaide oder der Gegend um Perth bewegt.
Alles andere, das Outback, vor allem Northern Territory, Western Australia, viele Teile von Queensland sind nichts für Anfänger und alleinreisende Touristen. Da ist zwar sehr schön und erlebnisreich dort, aber auch knallhart, und man sollte das nur mit einer geführten Tour mit Outdoor-LKW oder zumindest nach genauer Einweisung durch Anwohner machen und nur auf den Straßen bleiben, die sie einem nennen, und vor allem, Abfahrt und Ankunft anmelden. Damit jemand Alarm schlagen kann, wenn man nicht ankommt. Und damit sie wissen, wo sie nach einem suchen müssen. Sie können dann zum Beispiel per Funk anderen, die die Straße fahren, sagen, dass einer verloren gegangen ist, und die auf Leute mit Problemen oder liegengebliebende Fahrzeuge achten sollen. Das klappt aber nicht, wenn einen keiner vermisst, man sich einfach irgendeine Phantasiestraße auf Google Maps heraussucht, und dann auch noch das Fahrzeug verlässt.
Grundsätzlich ist das Problem vieler digitaler Karten, dass die sogenannten Meta-Daten nicht stimmen. Das heißt, dass die Straße zwar in ihrer Position richtig eingezeichnet ist, aber nicht die Zusatzdaten wie ob sie asphaltiert ist, wie breit, Haupt- oder Nebenstraße, Einbahnstraße oder sowas. Selbst in Zypern habe ich das oft gemerkt, dass mich mein Saugnaph-Navi (HA, wieder so ein Handkoordinationsschreibfehler, -naph statt -napf! vielleicht weil ich gedanklich schon beim Wort katastrophal war) von Garmin oft katastrophal fehlgeleitet hat, weil zwar die geographischen Straßendaten zur Lage der Straße, aber nicht die Meta-Daten stimmen. Ich kenne zwei Altstädte mit historischen kleinen Gassen (Paphos und Nicosia), in denen einen das Navi katastrophal fehlleitet oder man (Nicosia) auch gar nicht mehr rauskommt, weil einen das Navi nur noch fehlleitet und ewig im Kreis herumfährt, weil es aufgrund falscher Einbahnstraßeninformationen den Weg nicht mehr rausfindet und man in dem Straßengewirr die Orientierung verliert. In Nicosia bin ich mal bei dem Versuch, aus der Alstadt wieder rauszukommen, fünfmal im Kreis gefahren. Ich weiß das, weil ich (mindestens) fünfmal an einem Tisch vor einer Taverne mit zwei alten Männern vorbeikam, und die mich jedesmal schnippisch gegrüßt haben (ach, guck, da isser wieder…), wenn ich vorbei kam, weil die wohl schon wussten, dass die bekloppten Touristen da stundenlang nicht mehr rauskommen.
In Paphos hat mich das Navi anfangs, als ich mich noch nicht auskannte, immer über katastrophale Strecken geleitet, etwa von A nach B statt über die schnelle Hauptstraße um die Altstadt herum, mitten durch das Gewirr der engen Gassen und das dann endlos im Kreis, weil es nicht mehr herausfand, eben weil die Straßen an sich zwar dem Navi bekannt waren, aber die Meta-Daten – ist es eine kleine Seitenstraße oder eine Hauptstraße, ist es eine Einbahnstraße usw. – nicht richtig waren oder fehlten, und das Navi deshalb nicht wusste, dass das eine eine Hauptstraße und das andere eine enge Seitengasse ist, und deshalb den kürzesten Weg wählte. Noch heute plärrt mich das Navi an der Hauptstraße am Hafen an, ich würde gerade falsch in die Einbahnstraße fahren, weil es nicht weiß, dass die vor Jahren groß ausgebaut ist und schon lange keine Einbahnstraße mehr ist. Es gibt eine andere Hauptstraße, die auch längst modern ausgebaut und asphaltiert ist, in die das Navi partout nicht rein will, weil das Navi sie für eine Schotterpiste hält.
Umgekehrt stand ich in Neuseeland ganz blöd da, weil mich das Navi dort in eine Gegend lotste, aus der die einzige Straße, die herausführte, und die das Navi ganz toll fand, in Wirklichkeit eine unsealed road, eine Schotterpiste war, und man die per Mietwagenvertrag nicht benutzen darf. Geht’s schief oder nimmt das Fahrzeug Schaden, hat man richtig Ärger und Kosten am Hals, weil die Versicherung dort nicht mehr gilt. Also Riesen-Umweg, alles wieder zurück fahren.
Die Meta-Daten sind ein Problem.
Und meiner Erfahrung nach sind die Meta-Daten auf Openstreetmaps zwar auch nicht immer richtig und auch fehlerbehaftet, vor allem, weil nicht alle, die da nach dem Wikipedia-Prinzip was eingeben, das fehlerfrei bedienen, selbst begriffen haben oder gleiche Maßstäbe an die Straßenkategorie anlegen (ich hatte mich mal gewundert, warum mein Garmin Etrex, gefüttert mit Openstreetmaps, die dickste Hauptstraße am Meer entlang partout nicht als Strecke auswählen wollte, es sich dann mittendrin aber anders überlegte, und fand dann heraus, dass die Streckensegmente nicht richtig miteinander verbunden waren, als wäre die Straße mittendrin unterbrochen und nicht durchgängig zu befahren).
Trotzdem, und gerade deswegen, weil OSM aus anderen Quellen kommt, ist es immer ratsam, Google Maps, vielleicht noch Bing Maps, auf jeden Fall aber Openstreetmaps miteinander zu vergleichen, ob die deckungsgleiche Auskünfte geben, und in schwierigen Gegenden immer zu fragen, ob die Straße befahrbar ist und ob es irgendwelche Besonderheiten gibt.
Und vor allem: Welche Ausrüstung man braucht. Funk. Satellitentelefon. Wieviel Wasser man mitführen soll. Ob man Fahrbleche für Wüstensand, Seilwinden und dergleichen braucht. Ersatzräder. Ersatzteile. Erste-Hilfe-Ausrüstung. Fachwissen. Wat-Tiefe. Oder vielleicht auch ein Gewehr und Munition.
Und sich dann überlegen, ob man körperlich und vom Wissen und Können dazu überhaupt in der Lage ist. Ob man einen Reifen wechseln oder das Auto mit der Seilwinde aus dem Dreck holen kann. (Und damit meine ich nicht nur die elektrische am Auto, sondern auch die mechanischen Ratschenzüge, die mit Muskelkraft bedient werden.)
Ich kenne Australien etwas, war da fast überall, auch viel im Outback.
Selbst als ich noch jung und fit war, hätte ich mich nicht auf einen Tour wie diese beiden so getraut. Satellitennotrufgeräte bekommt man heute für einen dreistelligen Euro-Betrag, allerdings auch happige Abo-Kosten. Ich wäre auf so eine Tour nicht alleine und auch nicht ohne Vorbereitung, Auskunft und vor allem, ohne zwei unabhängige Notrufsysteme (Funk und Satellit) gegangen.
Ich kann Euch nur dringend raten: Lasst so einen Scheiß, wie die beiden da, bleiben!