Ansichten eines Informatikers

Boeing: Warum neulich eine Maschine absackte

Hadmut
16.3.2024 12:35

Vor ein paar Tagen ist doch eine Boeing plötzlich so stark abgesackt oder sogar in einen Sturzflug gegangen, dass Passagiere und Cabin Crew teils erheblich verletzt wurden und bluteten.

Die Ursache:

Pilotensitze haben einen Schalter, mit dem man sie zur zurück und zur Seite fahren kann, um sich bequem setzen zu können. Und über dem Schalter ist eine Abdeckung, damit man ihn nicht versehentlich bedient. Der Schalter kann sich aber lockern, und dann führt das Schließen der Abdeckung dazu, dass der Schalter in einer Stellung blockiert. Anscheinend war es so, dass eine Stewardess beim Servieren des Essens an die Abdeckung kam, die mit einer Feder gespannt ist, die sich dann schloss (wo sie ja eigentlich auch sein sollte), dabei den Schalter einschaltete und blockierte, den Sitz immer weiter nach vorne fuhr, und den Piloten gegen das Steuerhorn drückte, das also nach vorne ging und die Maschine in den Sturzflug drückte.

Der Pilot habe gesagt, der Sitz habe auf einmal angefangen, sich von selbst zu bewegen.

Dazu kommt natürlich in Boeing-spezifischer Brüller, den ich früher schon mal im Blog erwähnt hatte: Bei Airbus ist es so, das der Bordcomputer den Piloten eher davon abhält, Dinge zu tun, die der Bordcomputer für schlecht hält (da kann man sich auch sehr darüber streiten, aber es war schon oft von Vorteil, selbst bei einem Absturz wurde mal der Schaden überlebbar gehalten, weil der Computer die Maschine kurz vor dem Aufprall wieder horizontal legte), während bei Boeing der Bordcomputer über die Steuerelemente Widerstand leistet und signalisiert, dass er das jetzt nicht gut findet, man ihn aber mit mehr Kraft überwinden kann, der Pilot letztlich immer den override hat. Wenn die Piloten essen, haben sie ja den Autopilot eingeschaltet, der einen Sturzflug nicht mitmachen würde, aber wenn man eben stark genug drückt, hat man den override, setzt sich also gegen den Bordcomputer durch. Und dann schaltet sich der Autopilot wohl ganz ab.

Es war also wohl so, dass die Piloten gerade mit runtergeklappten Tischen und Essen drauf dasaßen, und plötzlich der Pilot wider Willen mit dem Sitz nach vorne fuhr, gegen das Steuerhorn gedrückt wurde, dadurch den Autopiloten abschaltete, die Maschine in den Sturzflug ging, und die das Steuer nicht mehr zurückziehen konnten.

Hört sich dämlich an, aber dabei muss man bedenken, dass zu diesem Zeitpunkt zwischen dem Piloten und dem Steuerhorn ja noch Tisch und Essenstablett waren.

Es gab ja schon mal einen Fall, in dem ein Flugzeug in ernste Schwierigkeiten kam, weil der Kopilot aus dem Fenster fotografieren wollte, ihm die Spiegelreflexkamera runterfiel und sich unter den Pedalen verkeilte, und das da so eng ist, dass man da im Flug kaum dran kommt.

Es erinnert mich aber an meinen Blogartikel von 2013: Mindestgröße für Pilotinnen?

Damals kam ja diese Diskussion hoch, dass Frauen durch feste Mindestgrößen – Polizei, Piloten und so weiter – diskriminiert würden, weil Frauen im Schnitt kleiner als Männer sind, und damit jede feste Mindestgröße immer mehr Frauen als Männer erwischt. (Was die Absurdität dieses Gleichheitswahns belegt, denn wie anders als eine absolute feste Mindestgröße sollte eine Mindestgrößte denn sachlich begründet sein?) Ich hatte damals auf einem Rückflug zwei Piloten in zwei unterschiedlichen Flugzeugen (ein großes und ein mittleres) befragt, wie sie das sehen, was die Mindestgröße sei, um dieses Flugzeug sicher fliegen zu können. Beide sagten, in unterschiedlichem Tonfall, dass sie für die Diskussion kein Verständnis hätten, weil das doch heute alles verstellbar sei. Der im großen Flieger führte mir dann die Sitzverstellung vor, wobei er selbst nicht mehr saß, sondern hinter dem Sitz stand, also wohl genau diesen Schalter bedient hatte. Denn, wie der Zufall es so will, war es eine Boeing 777.

Was freilich heißt, dass das bei früheren Maschinen noch nicht so war, aber im Zeitalter von fly-by-wire wohl in sehr weiten Grenzen verstellbar ist. Ich habe dazu mal irgendwo gelesen, dass es bei einem der Hersteller (weiß nicht mir, aber mir ist so, als wäre es Airbus gewesen) im Cockpit an dem Steg zwischen den beiden Frontfenstern eine Markierung gibt, die man mit irgendwas auf gleicher Höhe sehen muss, damit der Pilotensitz in der Höhe richtig eingestellt ist und man richtig aus dem Fenster und auf die Instrumente schaut. Man hat also im Prinzip nur noch einen Fixpunkt, nämlich wo die Augen des Piloten im Cockpit sein müssen, und der Rest wird dann angepasst.

Und das könnte natürlich im Rahmen der Diversitätsdebatte dazu geführt haben, dass man die Sitzverstellungsmöglichkeiten weiter ausgedehnt hat, als das sinnvoll ist, dass man also den Sitz so gebaut hat, dass da auch eine Minifrau drauf passt, und der Sitz deshalb so weit vor fahren kann, dass er einen Normalmann oder vielleicht einen etwas überdurchschnittlich großen, einklemmt.

Es ist aber kurios, dass man so viele Sicherheitsmaßnahmen und Redundanzen im Flugzeug und Cockpit einbaut, zwei Piloten reinsetzt und und und … und dann das Flugzeug so absackt und fast abstürzt, weil etwas so Profanes wie der zweite Schalter für die Sitzverstellung locker war, und die Stewardess dran kam, als sie sich nach vorn beugte, um dem das Tablett hinzustellen.