Doch ein Gebäude aus der Gründerzeit
Da habe ich mit dem einsturzgefährdeten Haus doch falsch gelegen,
aber ich habe ja gesagt, dass ich Laie bin.
Weil mich ein Leser darauf hinwies, dass da nach alten Karten von 1928 schon ein Haus stand, habe ich mich auf Google Maps + Street View umgesehen, und verblüfft festgestellt, dass direkt gegenüber des einsturzgefährdeten ein sehr ähnliches Gebäude, aber mit den typischen Gründerzeit-Verzierungen steht:
und mich noch gewundert, ob man da mit einem das andere nachgeahmt hat, oder was, da schreibt mir ein sachkundiger Leser:
Lieber Herr Danisch,
sollte es sich bei besagtem Gebäude um das abgebildete handeln, haben wir es mit einem Haus der Gründerzeit zu tun. Da gibt es keinen Zweifel. Bin auf dem Gebiet ein sog. Experte. Lassen Sie sich da von der Entstuckung nicht täuschen.
Das kann natürlich sein, dass das doch aus der Gründerzeit ist (man sieht auch auf Fotos von Rissen Mauerwerk, es ist zumindest nicht wesentlich aus Beton gebaut), und man nur nachträglich die Verzierungen entfernt hat. Das ist alles nicht mein Fach und nicht mein Interesse.
Ein anderer Leser gibt zu bedenken, dass wenn man die Dächer und Details vergleicht, das Haus den Eindruck macht, als sei es im Krieg von einer Bombe getroffen und danach schlecht repariert worden. Das könnte natürlich sein, dass man da nach dem Krieg eine Sparreparatur vorgenommen und dabei den Gründerzeitkram entfernt hat.
Dazu schreibt ein weiterer Leser:
Einsturzgefährdetes Haus in Schöneberg wilhelminisch
Lieber Herr Danisch,
das marode Haus in der Grunewald- Ecke Goltzstraße ist eindeutig wilhelminisch, wie alle da in der Umgebung. Die benachbarte Apostel-Paulus-Kirche wurde 1894 eingeweiht [1], die Wohnbauten drumherum dann bestimmt um die gleiche Drehe, plusminus fünf Jahre. Da waren auch solche Erkergrundrisse nicht ungewöhnlich.
Dachte erst, das sei bei uns in Prenzlauer Berg, hier sieht ja auch alles so aus, aus der Zeit. Nicht mehr so richtig Gründerzeit gleich nach Reichsgründung, aber eben wilhelminisch. Und steht noch, trotz U-Bahn, Hochbahn, Straßenbahn.
Jetzt drei Vermutungen:
(A) Ich tippe erstens auf eher zufälligen Bombentreffer 1942-45. Gibts hier auch immer wieder einzelne, halt nicht so flächendeckend wie manche Gegenden in Steglitz (Stehtnix) und Charlottenburg (Klamottenburg) damals. An der Grunewaldstraße jetzt stehen ja auch noch fast alle Nachbarhäuser, viele auch noch mit Stuck. Den hat man bei diesem fraglichen Eckhaus wohl eher in den 1960ern abgeschlagen, es gab ja sogar Geld dafür vom Senat.
(B) Alternativ: Artillerieschaden durch die Russen 1945, Eckhäuser waren dafür immer besonders anfällig, weil nach/von zwei Seiten verteidigt/frontalbeschossen. Das nächste Eckhaus im selben Block (Gleditschstraße) ist ja offensichtlich ein 1950er-Jahre-Bau, und dazwischen das wilhelminische Haus steht noch.
(C) Oder natürlich Pfusch am Bau, der U-Bahn. Die Kölner haben ja ihr Stadtarchiv auf die Weise eingerissen, bloß schneller. In der Grunewaldstraße wurde die U7 1962-71 gebaut [2], die Epoche klingt schon eher nach Dünnbeton. Ich hab selbst an der Betonuni ähh Ruhruni Bochum studiert, gleiche Baujahre, da standen schon in den 80ern die Eimer auf dem Korridor, weil es durchregnete. Also vielleicht am ehesten sowas.
Übrigens soll doch bald mal die Stadtautobahn zwischen Funkturm und Westhafen für geplant 7 Jahre komplett stillgelegt werden (real dann noch länger), auch wegen Beton, bzw dessen Sanierung. Da können die Mieter aus der Grunewald dann noch nicht mal unter der Brücke unterkommen.
Vielen Dank für Ihre Arbeit und freundliche Grüße aus Prenzlauer Berg.
[1] Apostel-Paulus-Kirche (Berlin-Schöneberg) – Wikipedia
[2] U-Bahn-Linie U7 (Berlin) – Wikipedia
Naja, gut. Dann wäre das Haus rund 130 Jahre alt und hätte einen Krieg und vermutlich Bombardierung überstanden, zuzüglich der Untertunnelung durch die U-Bahn.
Da kann man dem Baumeister keinen Vorwurf mehr machen, mehr kann man von einem gewöhnlichen Wohngebäude nicht erwarten. (Gerichtsgebäude, Schlösser und sowas halten mitunter länger.) Schon gar nicht bei dem weichen Untergrund in Berlin.
Die Frage bleibt trotzdem: Wievielen Gebäuden geht es ähnlich? Denn dann gibt es ja in Berlin noch viele Gebäude gleichen Alters (und gleicher Bauart).