Ansichten eines Informatikers

Das Selbstbestimmungsgesetz und die Verfassung

Hadmut
18.4.2024 17:43

Leser fragen – Danisch weiß es auch nicht vorher.

Wir haben doch jetzt das neue Selbstbestimmungsgesetz, nachdem man das Geschlecht einer Person nicht offenbaren dürfe.

Nun, fragt ein Leser mit Blick auf die gerade erschienene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an, wonach man den Staat kritisieren darf, wie das zu folgender Aussage daraus passe:

Bei Tatsachenbehauptungen hängt die Abwägung vom Wahrheitsgehalt ab. Wahre Aussagen müssen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht (vgl. BVerfGE 97, 391 <403>).

Weiß ich nicht.

Also, ich weiß schon, dass es einige dieser Verfassungsgerichtsurteile gibt, habe auch schon einige verwendet und im Blog zitiert, wonach man wahre Aussagen auch hinzunehmen habe, und die Meinungsfreiheit eben auch wahre Aussagen umfasst. Und da Staat und Gesetzgeber als eine der drei Staatsgewalten daran gebunden sind, dürfte dieses Gesetz ganz klar verfassungswidrig sein.

Mit dem Blick eines vernünftigen Menschen.

Sie sind aber nicht vernünftig. Sie haben nicht mehr alle Paragraphen am Zaun.

Man wird, und da bin ich mir ziemlich sicher, von rot-grün-Regierungs wegen argumentieren, dass das alte, abgelegte Geschlecht ja eben nicht „wahr“ sei, und man die Personen gegen „fake news“ schützen wolle. Außerdem heißt es ja immer, „Hass“ (= alles, was denen nicht passt) sei keine Meinung und deshalb nicht von der Meinungsfreiheit geschützt.

Mir ist zum Beispiel unklar, ob man den Vater eines Kindes nach diesem Gesetz dann künftig Mutter nennen muss. Das Kind mit den zwei Müttern.

Oder was ist, wenn einer wegen Exhibitionismus verurteilt ist, was ja nur Männer begehen können, und dann Frau wird. Muss der dann rückwirkend frei gesprochen werden, oder muss man das aus dem Führungszeugnis tilgen, darf man das nicht mehr sagen?

Das ganze Gesetz ist so schwachsinnig, dass ich mich nicht mal mehr traue zu sagen, dass es von Frauen gemacht ist, denn wer weiß schon, als was die sich morgen erklären.

Aber wie sagt der Jurist so gern in der Verzweiflung: „Ein Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.“ Eine Hoffnung, die sich immer seltener erfüllt.

In der Pressemitteilung heißt es:

Offenbarungsverbot: Um Personen vor einem Zwangsouting zu schützen, ist es – ähnlich wie im geltenden Recht – auch künftig verboten, frühere Geschlechtseinträge oder Vornamen auszuforschen und zu offenbaren. Wird eine betroffene Person durch die Offenbarung absichtlich geschädigt, so ist der Verstoß bußgeldbewehrt. Ein generelles Verbot des sogenannten „Misgenderns“ oder „Deadnamings“ ist im Selbstbestimmungsgesetz nicht geregelt.

Und im Gesetzentwurf:

§ 13 Offenbarungsverbot

(1) Sind Geschlechtsangabe und Vornamen einer Person nach § 2 geändert worden, so dürfen die bis zur Änderung eingetragene Geschlechtsangabe und die bis zur Änderung eingetragenen Vornamen ohne Zustimmung dieser Person nicht offenbart oder ausgeforscht werden. Satz 1 gilt nicht, wenn

1. amtliche Register oder amtliche Informationssysteme personenbezogene Daten zu dieser Person enthalten und im Rahmen der jeweiligen Aufgabenerfüllung von öffentlichen Stellen die Verarbeitung von Daten nach Satz 1 nach anderen Rechtsvorschriften erforderlich ist,

2. besondere Gründe des öffentlichen Interesses eine Offenbarung der Daten nach Satz 1 erfordern oder

3. ein rechtliches Interesse an den Daten nach Satz 1 glaubhaft gemacht wird. Besondere Gründe des öffentlichen Interesses nach Satz 2 Nummer 2 sind insbesondere dann gegeben, wenn die Offenbarung der Daten zur Erfüllung der Aufgaben von Strafverfolgungs- oder Sicherheitsbehörden sowie amtlichen Stellen mit Sicherheitsaufgaben erforderlich ist.

(2) Ein früherer und der derzeitige Ehegatte, Verwandte in gerader Linie und der andere Elternteil eines Kindes der Person nach Absatz 1 Satz 1 sind nur dann verpflichtet, deren geänderten Geschlechtseintrag oder deren geänderte Vornamen anzugeben, wenn dies für die Führung öffentlicher Bücher und Register oder im
Rechtsverkehr erforderlich ist. Satz 1 gilt nicht für

1. den Ehegatten aus einer nach der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen geschlossenen Ehe,

2. das nach der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen geborene oder angenommene Kind,

3. den anderen Elternteil eines von der betroffenen Person nach der Änderung des Geschlechtseintrags und der
Vornamen geborenen oder angenommenen Kindes.

(3) Das Offenbarungsverbot nach Absatz 1 Satz 1 steht einer weiteren Verarbeitung der bis zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen in amtlichen Registern oder Informationssystemen enthaltenen Angaben nicht entgegen. Amtliche Register und amtliche Informationssysteme dürfen zur Nachvollziehbarkeit der Identität von Personen die bis zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen eingetragenen Angaben verarbeiten, wenn andere Rechtsvorschriften eine Verarbeitung der aktuellen Daten vorsehen.

(4) Mitteilungen und Informationen zwischen amtlichen Registern und amtlichen Informationssystemen sowie solche Abrufe aus diesen, die aufgrund anderer Rechtsvorschriften erfolgen, sind ungeachtet des Offenbarungsverbots nach Absatz 1 Satz 1 zulässig.

(5) Nach Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen informiert die zuständige Meldebehörde die folgenden Behörden zur Aktualisierung der in den von ihnen geführten Registern oder Informationssystemen gespeicherten Daten zu dieser Person:

1. Bundeskriminalamt,

2. Bundespolizei,

3. Bundesverwaltungsamt zum Nationalen Waffenregister und zum Ausländerzentralregister, soweit das Bundesverwaltungsamt Daten im Auftrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge verarbeitet (§ 1 Absatz 1 Satz 2 des AZR-Gesetzes),

4. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, es sei denn im Melderegister ist ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit der betroffenen Person verzeichnet,

5. Bundesamt für Verfassungsschutz,

6. Bundesamt für den militärischen Abschirmdienst,

7. die jeweils zuständigen Landeskriminalämter,

8. Zollkriminalamt,

9. Hauptzollämter, Finanzkontrolle Schwarzarbeit sowie

10. Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen.

Dabei sind folgende Daten automatisiert zu übermitteln:
1. Familienname,
2. bisherige und geänderte Vornamen,
3. Geburtsdatum,
4. Geburtsort,
5. Staatsangehörigkeiten,
6. bisheriger und geänderter Geschlechtseintrag,
7. Anschrift sowie
8. Datum der Änderung.

Sofern in den Registern oder Informationssystemen der empfangenden Behörde keine Daten zu der betroffenen Person vorhanden sind, sind die übermittelten Daten unverzüglich zu löschen. § 36 Absatz 1 des Bundesmeldegesetzes bleibt unberührt.

Drucksache 20/9049 – 12 – Deutscher Bundestag – 20. Wahlperiode
(3) Das Offenbarungsverbot nach Absatz 1 Satz 1 steht einer weiteren Verarbeitung der bis zur Änderung
des Geschlechtseintrags und der Vornamen in amtlichen Registern oder Informationssystemen enthaltenen Anga-
ben nicht entgegen. Amtliche Register und amtliche Informationssysteme dürfen zur Nachvollziehbarkeit der
Identität von Personen die bis zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen eingetragenen Angaben
verarbeiten, wenn andere Rechtsvorschriften eine Verarbeitung der aktuellen Daten vorsehen.
(4) Mitteilungen und Informationen zwischen amtlichen Registern und amtlichen Informationssystemen
sowie solche Abrufe aus diesen, die aufgrund anderer Rechtsvorschriften erfolgen, sind ungeachtet des Offenba-
rungsverbots nach Absatz 1 Satz 1 zulässig.
(5) Nach Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen informiert die zuständige Meldebehörde
die folgenden Behörden zur Aktualisierung der in den von ihnen geführten Registern oder Informationssystemen
gespeicherten Daten zu dieser Person:
1. Bundeskriminalamt,
2. Bundespolizei,
3. Bundesverwaltungsamt zum Nationalen Waffenregister und zum Ausländerzentralregister, soweit das Bun-
desverwaltungsamt Daten im Auftrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge verarbeitet (§ 1 Absatz
1 Satz 2 des AZR-Gesetzes),
4. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, es sei denn im Melderegister ist ausschließlich die deutsche
Staatsangehörigkeit der betroffenen Person verzeichnet,
5. Bundesamt für Verfassungsschutz,
6. Bundesamt für den militärischen Abschirmdienst,
7. die jeweils zuständigen Landeskriminalämter,
8. Zollkriminalamt,
9. Hauptzollämter, Finanzkontrolle Schwarzarbeit sowie
10. Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen.
Dabei sind folgende Daten automatisiert zu übermitteln:
1. Familienname,
2. bisherige und geänderte Vornamen,
3. Geburtsdatum,
4. Geburtsort,
5. Staatsangehörigkeiten,
6. bisheriger und geänderter Geschlechtseintrag,
7. Anschrift sowie
8. Datum der Änderung.
Sofern in den Registern oder Informationssystemen der empfangenden Behörde keine Daten zu der betroffenen
Person vorhanden sind, sind die übermittelten Daten unverzüglich zu löschen. § 36 Absatz 1 des Bundesmelde-
gesetzes bleibt unberührt.

und

§ 14 Bußgeldvorschriften

(1) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen § 13 Absatz 1 Satz 1 die Geschlechtszugehörigkeit oder einen Vornamen offenbart und dadurch die betroffene Person absichtlich schädigt

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zehntausend Euro geahndet werden.

Das ist bekloppt wie Küchenhandtuch.

Denn um diese Ordnungswidrigkeit zu begehen, müsste man ja wissen, was im Personenstandsregister früher mal eingetragen war.

Im Normalfall hat man aber nicht nur keinen Einblick in das Personenstandsregister, sondern es würde ja auch nichts nützen, selbst wenn man ihn hätte, denn das, was man nicht mehr sagen dürfen soll, steht ja nicht mehr drin. Woher also sollte man wissen können, was man nicht mehr sagen darf?

Eigentlich müsste ein Verfassungsgericht so ein Gesetzt schon allein deshalb aufheben, weil es viel zu blöd ist um verfassungskonform zu sein. Nein, so blöd ist unsere Verfassung nicht, solches zu ertragen.

Was ist eigentlich „Offenbaren“? Springerlink, Rechtsbegriffe in der Notfallmedizin:

Unter „Offenbaren” wird die Weitergabe von Geheimnissen, an Dritte verstanden, denen diese Tatsachen (es muß sich um Tatsachen handeln) bisher nicht bekannt waren. Die Offenbarung kann in einem Tun (aktive Mitteilung an Dritte) aber auch in einem Unterlassen (z.B. Liegenlassen von Dokumentation oder Krankenblättern bestehen). Unbefugtes Offenbaren stellt eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht dar. Rechtfertigungsgründe können sich aber ergeben, wenn die Offenbarung im Interesse des Patienten erforderlich wird (Kindesmißhandlung).

Man soll also Wissen nicht weitergeben dürfen.

So etwas gibt es im Deutschen Recht bisher nicht. Es gibt keine allgemeine Geheimnispflicht, es gibt nur Dienst- und Berufsgeheimnisse, in die man sich freiwillig begibt, indem man den Beruf ergreift. Und Verträge, die non disclosure agreements. Solange ich in keiner dieser Stellungen bin, darf ich bisher alles sagen, was ich weiß.

Das ist neu und mit ziemlicher Sicherheit verfassungswidrig, dass man einfach so Leuten verbietet, etwas mitzuteilen, was sie wissen.

Aber wir sind ja an dem Punkt angelangt, an dem die Gesetze einfach von irgendwelchen Schwätzern nach Lust und Laune zusammengemurkst werden.

Wir haben einen Gesetzgeber, der im Ganzen zu dumm ist, Gesetze zu machen. Quality is a myth.