Ansichten eines Informatikers

„Weniger“

Hadmut
2.5.2024 16:37

Ein Leser schreibt mir zum Artikel „„Stärken““ von heute morgen:

Das Wort “weniger”.

Früher fuhr man schnell oder langsam.
Oder auch schneller oder langsamer.

Heute fährt man weniger schnell.
Mit dem Wort “weniger” entfernt man Wörter (hier langsam) aus der Gesellschaft.

Und: Es funktioniert.
Der ganz normale Wahnsinn.

Widerstand bedeutet heute, dass man das Wort “weniger” korrekt nutzt.

Wie heisst die Parole des Tages?
Weiter so!

Ja.

Es reduziert natürlich wieder einmal den Wortschatz, und kanonisiert Geschwindigkeitsattribut auf das eine Wort „schnell“ oder was auch immer gerade verwendet wird, herunter. „weniger teuer“, „weniger heiß“ und so weiter.

Man spart ein Wort, und man spart auch Grammatik, weil „langsamer“ ja nicht nur ein weiteres Wort ist, das man sich merken muss, sondern gleich noch einen Komparativ daraus bilden müsste. Gut, „weniger“ ist auch ein Komparativ, aber nur einer, den man sich leichter merken kann, und kaum jemand aus Gen Z und Linkstum weiß wohl, dass „weniger“ nur der Komparativ zu „wenig“ ist.

Sagen sie eigentlich schon „mehr schnell“ statt „schneller“? Oder der „am meisten Schnelle“? statt Schnellste? Ich kann mich erinnern, irgendwo in irgendeinem Zusammenhang schon mal der „am meisten Schnellste“ gelesen zu haben.

Oder heißt das inzwischen „Schnellende“?

Sprache wird immer primitiver, immer reduzierter, immer kanonischer und entropieärmer. Oder sollte ich sagen „weniger gut“?

Wann habt Ihr eigentlich das letzte Mal jemanden einen Infinitiv mit „zu“ gebrauchen gehört? Früher hieß es mal, wer brauchen nicht mit „zu“ gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen. Inzwischen komplett weggefallen. Braucht man nicht mehr verwenden.

Und dann hält man sich immer noch für das Volk der Dichter und Denker. Weil wir davon mal ein oder zwei Dutzend hatten. Komischerweise nennen wir uns nicht das Volk der Stasispitzel, der Denuntianten, der Analphabeten, der Lügner und Betrüger, der Kinderschänder, Faulenzer und Idioten oder der Messermörder, obwohl wir davon viel mehr hatten als Dichter und Denker. Obwohl das Denken heute schwer fällt und viele nicht mehr dicht sind.